Das Corona-Protestbusiness: Konstruktionen zwischen Spenden, Schenkungen und Gadgets (Teil 1)

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Er hat für Unru­he im Lager der Corona-Leugner*innen gesorgt: Ein Bei­trag von Jan Böh­mer­mann zu Micha­el Ball­weg, der auf­grund sei­ner Ein­nah­men zum „Coro­na-Unter­neh­mer des Jah­res“ gekürt wur­de. Seit­her ist es etwas still um Ball­weg gewor­den – oder viel­mehr: Er ist still gewor­den. Im Bei­trag auch erwähnt: Der Wie­ner Bus­un­ter­neh­mer Alex­an­der Ehr­lich, der unter dem Label „Honk for Hope“ die Sze­ne quer durch Deutsch­land und Öster­reich zu den Demons­tra­tio­nen kut­schie­ren lässt. Mit saf­ti­gen Gewin­nen, wie Böh­mer­mann mutmaßt.

Teil 1: Der Frie­de und das Busgewerbe

In einer teil­wei­se her­un­ter­ge­le­se­nen mono­to­nen Weih­nachts­bot­schaft ver­kün­de­te der „Querdenken“-Gründer Micha­el Ball­weg am 24. Dezem­ber 2020 über­ra­schend eine Absa­ge der damals bereits geplan­ten Demons­tra­tio­nen und „bis auf Wei­te­res“ kei­ne Groß­de­mons­tra­tio­nen mehr anmel­den zu wol­len. Die Begrün­dung: Ein Poli­zist habe ihm gera­ten, für eine gewis­se Zeit auf Ver­an­stal­tun­gen zu ver­zich­ten. Außer­dem wol­le er sich aus­ru­hen, um Kräf­te zu sammeln.

Weni­ge Tage zuvor hat­te Jan Böh­mer­mann in sei­nem „ZDF Maga­zin Roya­le“ lau­nig über Ball­wegs Geschäfts- und Ein­nah­me­prak­ti­ken berich­tet (1): vom Ver­dienst mit „Quer­den­ken“ als geschütz­te Mar­ke, von Ball­wegs Online­shop, in dem er mas­sen­haft Mer­chan­di­se mit dem Quer­den­ken-Logo ver­ti­ckert. Das Geld fließt auf ein Kon­to von Ball­weg, die ein­zel­nen Sub-Initia­ti­ven sehen davon offen­bar nichts. Eini­ge Figu­ren, die auf Ball­wegs Büh­ne auf­ge­tre­ten sind, haben dafür bezahlt – so etwa der ehe­ma­li­ge „Sex­film­mo­gul“ (Böh­mer­mann) Tho­mas Hornau­er, der für sei­ne Prä­senz neben Ball­weg gleich 5.000 Euro hin­blät­tern musste.

Ein ande­rer Geschäfts­freund von Ball­weg: der Rechts­an­walt und Hob­by­vi­ro­lo­ge Rei­ner Fuell­mich. Er hat sich nicht nur dem Ansin­nen ver­schrie­ben, die Wirk­sam­keit von Chris­ti­an Dros­tens PCR-Test zu wider­le­gen, son­dern vor allem, Leu­te bzw. Unter­neh­men zu ver­tre­ten, die gegen die Coro­noa-Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men Scha­dens­er­satz ein­kla­gen wol­len – 925 Euro ver­langt Fuell­mich etwa, wenn sich jemand einer gegen Dros­ten und die Cha­ri­té gerich­te­ten und in den USA ein­zu­brin­gen­den Sam­mel­kla­ge anschlie­ßen will. Böh­mer­mann zeig­te eine Rech­nungs­num­mer aus dem Hau­se Fuell­mich, die bei 1500 lag und errech­ne­te dar­aus 1,3 Mio Euro, die so bis zur Aus­stel­lung der Rech­nung bei Fuell­mich gelan­det sein könn­ten. Die Erfolgs­aus­sich­ten eines Modells Sam­mel­kla­ge in den USA mit Wirk­sam­keit in Deutsch­land sei­en schon allei­ne aus juris­ti­scher Per­spek­ti­ve recht gering – aus wis­sen­schaft­li­cher Per­spek­ti­ve mit der Behaup­tung, auf die sich die Kla­ge stüt­zen soll, dass näm­lich Dros­tens PCR-Test ein untaug­li­cher „Idio­ten­test“ sei, erst recht.

Rechtsanwalt Fuellmich "Corona Scahdensersatzklage"

Rechts­an­walt Fuell­mich „Coro­na Scahdensersatzklage”

Und da ist bei Böh­mer­mann ein wei­te­rer zu Ehren gekom­me­ner Geschäfts­part­ner von Ball­weg: Alex­an­der Ehr­lich. Der Wie­ner Bus­un­ter­neh­mer ist unter dem Label „Honk for Hope“ (Hupen für Hoff­nung) erst­mals im Mai 2020 mit einem Video online gegan­gen – zur Ret­tung von Bus­un­ter­neh­men. Damals ein­fach als Bran­chen­ver­tre­ter, dem die Auf­trä­ge weg­ge­bro­chen sind, noch nicht Coro­na-leug­nend und mit dem Ansin­nen, wir wol­len Geld „ehr­lich“ ver­die­nen, „wir wol­len kein Geld von Euch“. Damit dürf­te schnell Schluss gewe­sen sein. Mit den diver­sen Aktio­nen über Ball­wegs „Quer­den­ken“ ent­deck­te man das Geschäfts­mo­dell, die Pro­tes­tie­ren­den über „Honk for Hope“ (2) orga­ni­sier­te Bus­se zu den Auf­marsch­or­ten zu kut­schie­ren. Rich­tig aus­ge­zahlt haben dürf­te sich schon die ers­te Groß­de­mons­tra­ti­on am 1. August 2020 in Berlin:

Jeden­falls klin­gel­te am „Tag der Frei­heit“ bei Ehr­lich die Kas­se: Die Preis­lis­te, die er in Chat­grup­pen des Mes­sen­ger-Diens­tes Tele­gram ver­brei­te­te, zeigt im Markt­ver­gleich hohe Prei­se: Eine Hin-und Rück­fahrt in die Haupt­stadt kos­tet am Wochen­en­de mit dem Flix­bus von Stutt­gart etwa 50 Euro, von Mün­chen cir­ca 40 Euro und von Köln 20 Euro. Ehr­lich ver­lang­te von die­sen Abfahrts­or­ten jeweils 94,27 Euro, 85,87 Euro und 84,40 Euro. Die Prei­se sei­en ange­mes­sen, sagt er. (welt.de , 11.8.20)

Unzäh­li­ge wei­te­re Fahr­ten folg­ten – dafür sorgt Ehr­lich auch selbst, indem er Demons­tra­tio­nen anmel­det und mit­or­ga­ni­siert. Auf Böh­mer­manns Sen­dung reagiert Ehr­lich mit einem, schon vom Titel her bizar­ren Video: Im Namen von Karl Marx — Ende mit dem Faschis­mus in Deutsch­land und Öster­reich. Kurz muss weg!“ Da Ehr­lich ideo­lo­gisch mit Karl Marx etwa so viel zu tun hat wie der St. Mar­xer Fried­hof in Wien, exkul­piert er ein­mal die Demons­tra­ti­ons­be­weg­ten in Bausch und Bogen von jeg­li­chem rechts­extre­men Gedan­ken­gut, bevor er – immer wie­der pro­sa­isch abschwei­fend – zum Kern der Sache, dem Geld, kommt.

Ihr werft uns Berei­che­rungs­ab­sich­ten vor. Men­schen, die sich mit ihrem eige­nen Ver­mö­gen, in die Bewe­gung hin­ein­knien, auf­op­fern, Tag und Nacht dafür arbei­ten und kämp­fen, dass das Volk sei­ne Frei­heit erlangt, dass der Staat dem Bür­ger dient, und nicht der Bür­ger dem Staat. Wir bekom­men kei­ne Steu­er­gel­der, die wir in dubio­se Pro­jek­te inves­tie­ren. Wir sind nicht betei­ligt an Phar­ma­un­ter­neh­men und Mas­ken­pro­du­zen­ten. Wir kas­sie­ren nicht Ord­nungs­wid­rig­kei­ten von Men­schen, die Weih­nach­ten mit zu vie­len Freun­den fei­ern oder die um ein paar Zen­ti­me­ter zu nah zusam­men­ste­hen auf der Stra­ße. Das ist Stra­ßen­raub, was ihr betreibt. (…) Dann hetzt ihr wegen Berei­che­rungs­ab­sich­ten gegen uns. Stellt Sum­men in den Raum, ver­brei­tet sie durch alle Medi­en, die aus dem Nichts und aus dem Nir­gend­wo kom­men. Aber wisst ihr was? Ich freu mich dar­über. Denn im Gegen­satz zu Micha­el Ball­weg habe ich nicht einen Cent als Pri­vat­per­son als Schen­kung ange­nom­men. Die Gel­der, die an „Honk for Hope“ gin­gen für die bei­den gro­ßen Bus­de­mons­tra­tio­nen, wur­den über eine bilan­zie­rungs­pflich­ti­ge Kapi­tal­ge­sell­schaft abge­wi­ckelt. Jeder Euro scheint daher in der Jah­res­bi­lanz 2020 auf. Jeder Euro ging aufs Geschäfts­kon­to, wird voll ver­steu­ert und offen­ge­legt. Und spä­tes­tens zu die­sem Zeit­punkt habt ihr ein Pro­blem. Denn dann wird die Lüge abge­druckt, die ihr im Fern­se­hen behaup­tet hat. (…) Ich habe mich nicht berei­chert – im Gegen­teil. Ich habe viel drauf­ge­zahlt. (…) Und auch die Schen­kun­gen an „Hope for Hope“ sind klar nach­voll­zieh­bar, denn „Honk for Hope“ ist kein gemein­nüt­zi­ger Ver­ein, son­dern ein gewinn­ori­en­tier­ter Ver­ein, was bedeu­tet, er ist buch­füh­rungs­pflich­tig. Und auch hier, mei­ne Lie­ben, wer­det ihr eine üble Über­ra­schung erle­ben. Denn in der Steu­er­klä­rung für das Jahr 2020 wird offen­kun­dig wer­den, wie wenig Schen­kun­gen „Hope for Hope“ erhal­ten hat und wel­chen gro­ßen Auf­wand wir auf der ande­ren Sei­te betrei­ben. (YT, 27.12.20)

Wir hal­ten fest: Natur­ge­mäß hat Ehr­lich die Ein­nah­men für Bus­fahr­ten über (s)eine Fir­ma („Kapi­tal­ge­sell­schaft“) abzu­wi­ckeln. Jene zu den Demos genau­so wie ande­re Fahr­ten. Wie die Ertrags­la­ge im letz­ten Jahr aus­sah, kön­nen wir nicht beur­tei­len. Ehr­lich erhält wie ande­re Unter­neh­men auch Staats­hil­fen, wie er dem Stan­dard erzählt: „Sein Unter­neh­men City Tours Gmbh sei im Übri­gen sowohl in Öster­reich als auch in Deutsch­land durch Staats­hil­fen abge­si­chert.“ Die Staats­hil­fen nimmt er also von den bei­den „faschis­ti­schen“ Staa­ten – zusätz­lich zu den Ein­nah­men aus dem Demons­tra­ti­ons­tou­ris­mus, den er als Segen für die Bran­che“ bezeich­net. „Sie wol­len mit dem Bus fah­ren, wir brau­chen Fahr­gäs­te – das ist eine Win-Win-Situ­ta­ti­on.“ (welt.de)

Den einen „Win“ braucht Ehr­lich ver­mut­lich auch des­halb, weil laut welt.de sein Unter­neh­men schon zuvor eher mau gelau­fen sei. „Die letz­te Bilanz sei­nes Unter­neh­mens City Tours GmbH, die 2015 im Bun­des­an­zei­ger ver­öf­fent­licht wur­de, legt nahe, dass die Fir­ma damals nur knapp an der Insol­venz vor­bei­ge­schlit­tert ist.“

Dazu kamen wohl auch pri­va­te Trou­bles, in die Ehr­lich geschlit­tert ist, wie er auf sei­ner per­sön­li­chen Web­site frei­mü­tig angibt:

Die lei­der sehr dra­ma­tisch ver­lau­fen­de Tren­nung von sei­ner zwei­ten Ehe­frau J.E. (gebo­re­ne M.) im Spät­herbst 2016 ver­strick­te Mag. Ehr­lich in meh­re­re unan­ge­neh­me und auf­wen­di­ge Gerichts­ver­fah­ren und hin­der­te ihn zu einem gro­ßen Teil an der Aus­übung sei­ner geschäft­li­chen Auf­ga­ben. Seit dem 16.08.2017 übt er — mit Unter­stüt­zung durch sei­ne sei­nen Vater H. B. und vie­le ande­re Fami­li­en­mit­glie­der — die allei­ni­ge Betreu­ung sei­ner bei­den jün­ge­ren Kin­der D. und E. aus und steht dem Unter­neh­men nur sehr ein­ge­schränkt zur Ver­fü­gung. (Web­site alexander-ehrlich.com; Namen durch SdR abgekürzt)

Ehr­lichs Pri­vat­si­tua­ti­on ist hier nicht wei­ter von Rele­vanz, die geschäft­li­che aller­dings schon. Neben den Ein­nah­men für die Bus­fahr­ten kas­siert ein gewinn­ori­en­tier­ter (!) Ver­ein auch Schen­kun­gen – ob es weni­ge sind, wofür die ver­wen­det wur­den, wird zu klä­ren sein. Rechen­schafts­pflich­tig sind jeden­falls auch gemein­nüt­zi­ge Ver­ei­ne; Ehr­lichs Argu­men­ta­ti­on für eine gewinn­ori­en­tier­te Form läuft also ins Lee­re. Eine erwei­ter­te Buch­füh­rung (Bilanz, Gewinn- und Ver­lust­rech­nung) ist erst dann not­wen­dig, wenn die gewöhn­li­chen Ein­nah­men oder Aus­ga­ben eines Ver­eins die Schwel­le von 1 Mio Euro über zwei Jah­re hin­weg über­schrei­ten. (vgl. https://www.wko.at/service/wirtschaftsrecht-gewerberecht/Der_Verein_als_Unternehmer.html)

Vereinsregisterauszug "hopeforhonk"

Ver­eins­re­gis­ter­aus­zug „hop­e­forhonk”

Ehr­lich hat den Ver­ein „#hon­kforho­pe – Ver­ein zur För­de­rung der Inter­es­sen des Bus­ge­wer­bes“ laut Ver­eins­re­gis­ter­aus­zug Ende Mai 2020 gegrün­det. Ob die „Inter­es­sen des Bus­ge­wer­bes“ nun aus­ge­rech­net sind, die „Infra­struk­tur für den Frie­den“ zu stär­ken und ob sie jenen der Schenker*innen aus dem Coro­na­pro­test­la­ger ent­spre­chen, darf bezwei­felt wer­den. Ehr­lich kas­siert aber nicht nur Schen­kun­gen an den Ver­ein, son­dern über Pay­Pal auch Spen­den, was hübsch „Geld an Freun­de sen­den“ genannt wird.

A. Ehrlich: Schenkungen für den Frieden und den Verein (?), Spenden für die "Freunde" (?)

A. Ehr­lich: Schen­kun­gen für den Frie­den und den Ver­ein (?), Spen­den für die „Freun­de” (?)

Wel­che „Freun­de“ das sind und all die ande­ren Kon­struk­tio­nen, mit denen Ehr­lich so rein gar nichts ein­nimmt, wer­den die Behör­den zu klä­ren haben. Wenn er aber über­all nur der Drauf­zah­ler ist, dann kann er ja zu Rechts­an­walt Fuell­mich gehen und des­sen Kon­to fül­len, damit der in den USA die Inter­es­sen des Bus­ge­wer­bes – viel­leicht – ein­kla­gen kann.

Auch ande­re aus der öster­rei­chi­schen Sze­ne sam­meln flei­ßig Spen­den oder Schen­kun­gen und bestrei­ten damit – zumin­dest teil­wei­se – man­gels eines Jobs ihren Lebens­un­ter­halt. Dazu berich­ten wir in wei­te­ren Teilenl.

➡️ Das Coro­na-Pro­test­busi­ness: Kon­struk­tio­nen zwi­schen Spen­den, Schen­kun­gen und Gad­gets. Teil 2: Gold­grä­ber­stim­mung in der Sze­ne – Ver­ei­ne, Anwäl­te und Ärzte
➡️ Das Coro­na-Pro­test­busi­ness (Teil 3): Der Ein­zel­kämp­fer von QAnon Austria
➡️ Das Coro­na-Pro­test­busi­ness (Teil 4): eine Fir­ma für Selbstmarketing

1 Recher­che zusam­men mit netzpolitik.org: „Quer­schen­ken“
2 Wer fährt die „Quer­den­ker“ durchs Land? Jetzt eska­liert der bizar­re Bus-Streit