Teil 1: Der Friede und das Busgewerbe
In einer teilweise heruntergelesenen monotonen Weihnachtsbotschaft verkündete der „Querdenken“-Gründer Michael Ballweg am 24. Dezember 2020 überraschend eine Absage der damals bereits geplanten Demonstrationen und „bis auf Weiteres“ keine Großdemonstrationen mehr anmelden zu wollen. Die Begründung: Ein Polizist habe ihm geraten, für eine gewisse Zeit auf Veranstaltungen zu verzichten. Außerdem wolle er sich ausruhen, um Kräfte zu sammeln.
Wenige Tage zuvor hatte Jan Böhmermann in seinem „ZDF Magazin Royale“ launig über Ballwegs Geschäfts- und Einnahmepraktiken berichtet (1): vom Verdienst mit „Querdenken“ als geschützte Marke, von Ballwegs Onlineshop, in dem er massenhaft Merchandise mit dem Querdenken-Logo vertickert. Das Geld fließt auf ein Konto von Ballweg, die einzelnen Sub-Initiativen sehen davon offenbar nichts. Einige Figuren, die auf Ballwegs Bühne aufgetreten sind, haben dafür bezahlt – so etwa der ehemalige „Sexfilmmogul“ (Böhmermann) Thomas Hornauer, der für seine Präsenz neben Ballweg gleich 5.000 Euro hinblättern musste.
Ein anderer Geschäftsfreund von Ballweg: der Rechtsanwalt und Hobbyvirologe Reiner Fuellmich. Er hat sich nicht nur dem Ansinnen verschrieben, die Wirksamkeit von Christian Drostens PCR-Test zu widerlegen, sondern vor allem, Leute bzw. Unternehmen zu vertreten, die gegen die Coronoa-Präventionsmaßnahmen Schadensersatz einklagen wollen – 925 Euro verlangt Fuellmich etwa, wenn sich jemand einer gegen Drosten und die Charité gerichteten und in den USA einzubringenden Sammelklage anschließen will. Böhmermann zeigte eine Rechnungsnummer aus dem Hause Fuellmich, die bei 1500 lag und errechnete daraus 1,3 Mio Euro, die so bis zur Ausstellung der Rechnung bei Fuellmich gelandet sein könnten. Die Erfolgsaussichten eines Modells Sammelklage in den USA mit Wirksamkeit in Deutschland seien schon alleine aus juristischer Perspektive recht gering – aus wissenschaftlicher Perspektive mit der Behauptung, auf die sich die Klage stützen soll, dass nämlich Drostens PCR-Test ein untauglicher „Idiotentest“ sei, erst recht.

Und da ist bei Böhmermann ein weiterer zu Ehren gekommener Geschäftspartner von Ballweg: Alexander Ehrlich. Der Wiener Busunternehmer ist unter dem Label „Honk for Hope“ (Hupen für Hoffnung) erstmals im Mai 2020 mit einem Video online gegangen – zur Rettung von Busunternehmen. Damals einfach als Branchenvertreter, dem die Aufträge weggebrochen sind, noch nicht Corona-leugnend und mit dem Ansinnen, wir wollen Geld „ehrlich“ verdienen, „wir wollen kein Geld von Euch“. Damit dürfte schnell Schluss gewesen sein. Mit den diversen Aktionen über Ballwegs „Querdenken“ entdeckte man das Geschäftsmodell, die Protestierenden über „Honk for Hope“ (2) organisierte Busse zu den Aufmarschorten zu kutschieren. Richtig ausgezahlt haben dürfte sich schon die erste Großdemonstration am 1. August 2020 in Berlin:
Jedenfalls klingelte am „Tag der Freiheit“ bei Ehrlich die Kasse: Die Preisliste, die er in Chatgruppen des Messenger-Dienstes Telegram verbreitete, zeigt im Marktvergleich hohe Preise: Eine Hin-und Rückfahrt in die Hauptstadt kostet am Wochenende mit dem Flixbus von Stuttgart etwa 50 Euro, von München circa 40 Euro und von Köln 20 Euro. Ehrlich verlangte von diesen Abfahrtsorten jeweils 94,27 Euro, 85,87 Euro und 84,40 Euro. Die Preise seien angemessen, sagt er. (welt.de , 11.8.20)
Unzählige weitere Fahrten folgten – dafür sorgt Ehrlich auch selbst, indem er Demonstrationen anmeldet und mitorganisiert. Auf Böhmermanns Sendung reagiert Ehrlich mit einem, schon vom Titel her bizarren Video: „Im Namen von Karl Marx — Ende mit dem Faschismus in Deutschland und Österreich. Kurz muss weg!“ Da Ehrlich ideologisch mit Karl Marx etwa so viel zu tun hat wie der St. Marxer Friedhof in Wien, exkulpiert er einmal die Demonstrationsbewegten in Bausch und Bogen von jeglichem rechtsextremen Gedankengut, bevor er – immer wieder prosaisch abschweifend – zum Kern der Sache, dem Geld, kommt.
Ihr werft uns Bereicherungsabsichten vor. Menschen, die sich mit ihrem eigenen Vermögen, in die Bewegung hineinknien, aufopfern, Tag und Nacht dafür arbeiten und kämpfen, dass das Volk seine Freiheit erlangt, dass der Staat dem Bürger dient, und nicht der Bürger dem Staat. Wir bekommen keine Steuergelder, die wir in dubiose Projekte investieren. Wir sind nicht beteiligt an Pharmaunternehmen und Maskenproduzenten. Wir kassieren nicht Ordnungswidrigkeiten von Menschen, die Weihnachten mit zu vielen Freunden feiern oder die um ein paar Zentimeter zu nah zusammenstehen auf der Straße. Das ist Straßenraub, was ihr betreibt. (…) Dann hetzt ihr wegen Bereicherungsabsichten gegen uns. Stellt Summen in den Raum, verbreitet sie durch alle Medien, die aus dem Nichts und aus dem Nirgendwo kommen. Aber wisst ihr was? Ich freu mich darüber. Denn im Gegensatz zu Michael Ballweg habe ich nicht einen Cent als Privatperson als Schenkung angenommen. Die Gelder, die an „Honk for Hope“ gingen für die beiden großen Busdemonstrationen, wurden über eine bilanzierungspflichtige Kapitalgesellschaft abgewickelt. Jeder Euro scheint daher in der Jahresbilanz 2020 auf. Jeder Euro ging aufs Geschäftskonto, wird voll versteuert und offengelegt. Und spätestens zu diesem Zeitpunkt habt ihr ein Problem. Denn dann wird die Lüge abgedruckt, die ihr im Fernsehen behauptet hat. (…) Ich habe mich nicht bereichert – im Gegenteil. Ich habe viel draufgezahlt. (…) Und auch die Schenkungen an „Hope for Hope“ sind klar nachvollziehbar, denn „Honk for Hope“ ist kein gemeinnütziger Verein, sondern ein gewinnorientierter Verein, was bedeutet, er ist buchführungspflichtig. Und auch hier, meine Lieben, werdet ihr eine üble Überraschung erleben. Denn in der Steuerklärung für das Jahr 2020 wird offenkundig werden, wie wenig Schenkungen „Hope for Hope“ erhalten hat und welchen großen Aufwand wir auf der anderen Seite betreiben. (YT, 27.12.20)
Wir halten fest: Naturgemäß hat Ehrlich die Einnahmen für Busfahrten über (s)eine Firma („Kapitalgesellschaft“) abzuwickeln. Jene zu den Demos genauso wie andere Fahrten. Wie die Ertragslage im letzten Jahr aussah, können wir nicht beurteilen. Ehrlich erhält wie andere Unternehmen auch Staatshilfen, wie er dem Standard erzählt: „Sein Unternehmen City Tours Gmbh sei im Übrigen sowohl in Österreich als auch in Deutschland durch Staatshilfen abgesichert.“ Die Staatshilfen nimmt er also von den beiden „faschistischen“ Staaten – zusätzlich zu den Einnahmen aus dem Demonstrationstourismus, den er als „Segen für die Branche“ bezeichnet. „Sie wollen mit dem Bus fahren, wir brauchen Fahrgäste – das ist eine Win-Win-Situtation.“ (welt.de)
Neben ihm stützte sich die Organisation auf die Hilfe des Busunternehmers und Gründers der Initiative #honkforhope, Alexander Ehrlich. Dieser weist keinen parteipolitischen Hintergrund auf, einen möglichen Antrieb durch die Einnahmen durch seine Busvermittlung dementiert er. pic.twitter.com/3wczKmPNrw
— Presse Service Wien (@PresseWien) January 19, 2021
Den einen „Win“ braucht Ehrlich vermutlich auch deshalb, weil laut welt.de sein Unternehmen schon zuvor eher mau gelaufen sei. „Die letzte Bilanz seines Unternehmens City Tours GmbH, die 2015 im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde, legt nahe, dass die Firma damals nur knapp an der Insolvenz vorbeigeschlittert ist.“
Dazu kamen wohl auch private Troubles, in die Ehrlich geschlittert ist, wie er auf seiner persönlichen Website freimütig angibt:
Die leider sehr dramatisch verlaufende Trennung von seiner zweiten Ehefrau J.E. (geborene M.) im Spätherbst 2016 verstrickte Mag. Ehrlich in mehrere unangenehme und aufwendige Gerichtsverfahren und hinderte ihn zu einem großen Teil an der Ausübung seiner geschäftlichen Aufgaben. Seit dem 16.08.2017 übt er — mit Unterstützung durch seine seinen Vater H. B. und viele andere Familienmitglieder — die alleinige Betreuung seiner beiden jüngeren Kinder D. und E. aus und steht dem Unternehmen nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. (Website alexander-ehrlich.com; Namen durch SdR abgekürzt)
Ehrlichs Privatsituation ist hier nicht weiter von Relevanz, die geschäftliche allerdings schon. Neben den Einnahmen für die Busfahrten kassiert ein gewinnorientierter (!) Verein auch Schenkungen – ob es wenige sind, wofür die verwendet wurden, wird zu klären sein. Rechenschaftspflichtig sind jedenfalls auch gemeinnützige Vereine; Ehrlichs Argumentation für eine gewinnorientierte Form läuft also ins Leere. Eine erweiterte Buchführung (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung) ist erst dann notwendig, wenn die gewöhnlichen Einnahmen oder Ausgaben eines Vereins die Schwelle von 1 Mio Euro über zwei Jahre hinweg überschreiten. (vgl. https://www.wko.at/service/wirtschaftsrecht-gewerberecht/Der_Verein_als_Unternehmer.html)

Ehrlich hat den Verein „#honkforhope – Verein zur Förderung der Interessen des Busgewerbes“ laut Vereinsregisterauszug Ende Mai 2020 gegründet. Ob die „Interessen des Busgewerbes“ nun ausgerechnet sind, die „Infrastruktur für den Frieden“ zu stärken und ob sie jenen der Schenker*innen aus dem Coronaprotestlager entsprechen, darf bezweifelt werden. Ehrlich kassiert aber nicht nur Schenkungen an den Verein, sondern über PayPal auch Spenden, was hübsch „Geld an Freunde senden“ genannt wird.

Welche „Freunde“ das sind und all die anderen Konstruktionen, mit denen Ehrlich so rein gar nichts einnimmt, werden die Behörden zu klären haben. Wenn er aber überall nur der Draufzahler ist, dann kann er ja zu Rechtsanwalt Fuellmich gehen und dessen Konto füllen, damit der in den USA die Interessen des Busgewerbes – vielleicht – einklagen kann.
Auch andere aus der österreichischen Szene sammeln fleißig Spenden oder Schenkungen und bestreiten damit – zumindest teilweise – mangels eines Jobs ihren Lebensunterhalt. Dazu berichten wir in weiteren Teilenl.
➡️ Das Corona-Protestbusiness: Konstruktionen zwischen Spenden, Schenkungen und Gadgets. Teil 2: Goldgräberstimmung in der Szene – Vereine, Anwälte und Ärzte
➡️ Das Corona-Protestbusiness (Teil 3): Der Einzelkämpfer von QAnon Austria
➡️ Das Corona-Protestbusiness (Teil 4): eine Firma für Selbstmarketing
1 Recherche zusammen mit netzpolitik.org: „Querschenken“
2 Wer fährt die „Querdenker“ durchs Land? Jetzt eskaliert der bizarre Bus-Streit