Freilich, so klar hat es Verteidigungsministerin in ihrer Beantwortung der Anfrage der Grünen Nationalratsabgeordneten Eva Blimlinger zum HGM nicht ausgedrückt. Tanner versuchte zu retten, was mutmaßlich nicht mehr zu retten ist. Auf Blimlingers glasklare Frage „Lagen für die Halle [gemeint ist die Panzerausstellungshalle im HGM; Anmk. SdR] ab Beginn der Öffnung alle erforderlichen Genehmigungen vor?“ gab’s die Antwort:
Zunächst ist zu beachten, dass die Panzerhalle in der ersten Ausbaustufe lediglich als ‚begehbares Depot’ fungiert hat und auch nur eingeschränkt besichtigbar war. Für den Vollbetrieb sind geringfügige Umbaumaßnahmen (Errichtung von Brandschutzabschnitten und barrierefreie WC-Anlagen) zur Erwirkung einer baubehördlichen Widmung als Ausstellungshalle erforderlich.
Die Panzerhalle wurde im Mai 2017 mit einer pompösen Festivität eröffnet und dort von Direktor Ortner im Konzept als „begehbares Depot“ bezeichnet. Die erste Ausbaustufe bezog sich, so stellte es Ortner selbst dar, auf die Anzahl der besichtigbaren Objekte und auf das schrittweise zu erweiternde Ausstellungsareal.
Die Halle war bis zur Schließung im Herbst 2019 für Besucher*innen Samstags und Sonntags besichtigbar – uneingeschränkt mit und ohne Führung. Auf der Website des HGM heißt es auch dementsprechend:
Seit dem Jahr 2017 verfügt das Heeresgeschichtliche Museum über eine Ausstellung welche sich der Entwicklung von gepanzerten Kampf- und Gefechtsfahrzeugen widmet. (…) Den Beginn der Ausstellung markiert die Erfindungsleistung …
Also „Ausstellung“ und nicht bloß Depot. Wir fassen zusammen: In die Halle wurden über zwei Jahre lang Besucher*innen gelotst, obwohl es dafür offenbar weder die erforderliche Bewilligung noch die notwendigen Sicherheitsvorrichtungen gegeben hat.
NS-Memorabila und Wehrmachtssouvenirs
Fest die Augen verschließen, hieß es auch bei der Frage nach NS-Devotionalien, die im Zuge der mehrtägigen Veranstaltung „Auf Ketten und Rädern“ auffindbar waren. Hier lautete Tanners Antwort:
Festzuhalten ist, dass bei der Veranstaltung im Jahr 2019 keine Gegenstände verkauft wurden, die dem Verbotsgesetz, dem Abzeichengesetz oder dem Symbole-Gesetz unterliegen, und die Veranstaltung an allen Veranstaltungstagen durch Sicherheitsorgane der Landespolizeidirektion Wien inspiziert worden war.
Wir haben die Schau an zwei Tagen im letzten Jahr besucht und fotografiert. Dass NS-Memorabila neben Wehrmachtssouvenirs zum Verkauf standen, ist zweifelsfrei belegbar. Ob die in der Anfragebeantwortung getroffene Einschätzung stimmt, es sei beim Verkauf nicht gegen geltende Gesetze verstoßen worden, wäre juristisch zu klären. Wir sind uns jedenfalls nicht so sicher, wie es die Verteidigungsministerin zu sein scheint.
Es bleibt in jedem Fall festzuhalten, dass das HGM letztlich in Person des Direktors die Verantwortung dafür trägt, wenn ein Staatsmuseum, das eigentlich historische Aufklärungsarbeit zu leisten hätte, für Ewiggestrige zum Anziehungspunkt wird, weil es ein einschlägiges Angebot macht. Jedoch: Die Ministerin verkündet, dass bei künftigen Veranstaltungen, „von Flohmarktständen (…) Abstand genommen“ werde. Immerhin eine Art von Einsicht, wenn auch nur indirekt zum Ausdruck gebracht.
Toilettengänge für die Erfolgserzählung des HGM-Direktors
Richtiggehend emotional fiel die ministerielle Antwort auf die Frage nach einer möglichen Manipulation der Besucher*innenzahlen aus:
Eine derartige Unterstellung weise ich entschieden zurück. Es liegen keinerlei Hinweise auf etwaige Manipulationen der Besucherzahlen vor. Die Zahlen werden darüber hinaus in den entsprechenden Jahresberichten des Museums veröffentlicht und damit transparent gemacht.
Eine simple Anführung von Zahlen in einem Jahresbericht ist jedoch noch lange kein Beleg für deren Richtigkeit! Transparent wäre es zu erwähnen, wie die bekanntgegebenen Zahlen zustande gekommen sind.
Beispiele gefällig? Die Besucher*innen von Außenveranstaltungen – wie etwa des jährlich stattfindenden Adventmarktes – müssen, wenn sie aufs WC gehen, das Drehkreuz des HGM passieren. Entschwindet jemand mehrfach ins stille Örtchen, was ja durchaus vorkommen soll, werden diese Personen auch mehrfach gezählt. Kurzum: Jeder WC-Gang erhöht die Anzahl der Besucher*innen des HGM und damit die Erfolgserzählung seines Direktors.
Auch Schulen tragen dazu bei, je größer, desto mehr. Wie das geht? Das HGM bietet für Schulen kleine Wanderausstellungen an. Es werde, so berichten uns Insider, die Gesamtanzahl der Schüler*innen und Lehrenden der Schule der Besuchsstatistik des HGM hinzugefügt – völlig unabhängig davon, ob jemand die Wanderausstellung besichtigt hat oder nicht.
Die Panzerfreunde in Zwölfaxing
Auch weitere Punkte, die in der parlamentarischen Anfrage thematisiert wurden, wie beispielsweise die Vorgänge in der HGM-Dependance in Zwölfaxing, wo laut Ministerin der Prüfvorgang des von Panzerliebhabern angeblich „auf verschlungenen Wegen“ (Falter, 47/19, 20.11.19) in den privaten Gebrauch übergeführten (ausgemusterten) Kriegsmaterials noch im Gange sei, bedürften weiterer Nachfragen: etwa, ob das Kriegsmaterial im privaten Gebrauch verblieben ist und weiter in Zwölfaxing gelagert blieb– falls ja, auf welcher Rechtsgrundlage?
Der für Anfang dieses Jahres erwartete Rohbericht des Rechnungshofes, sei, so Ministerin Tanner, noch nicht da. Der Posten der HGM-Direktion soll in Bälde neu ausgeschrieben werden. Wir sind gespannt, was in der Causa HGM noch kommen wird.