Der „Aula“-Schreiber und die Lügen

Fred Duswald also schon wieder. Der Burschen­schafter und „Aula“-Schreiber, der die Kre­ma­to­rien in Auschwitz als Lüge und die Mau­thausen­er KZ-Häftlinge als „Land­plage“ und „Massen­mörder“ beze­ich­net hat, macht unver­drossen weit­er. Auf einem Inter­net-TV-Kanal von Neon­azis wurde ein Vor­trag von Duswald veröf­fentlicht, in dem er nicht nur seine Het­ze über KZ-Häftlinge von Mau­thausen wieder­holt, son­dern auch dem Mau­thausen-Komi­tee Öster­re­ich vor­wirft, dass es die Schulkinder belüge.

Unter dem Titel „KZ Mau­thausen – Eine Betra­ch­tung von Dr. Fred Duswald“ wurde auf dem Neon­azi-Kanal „Nord­land TV“ seine knapp halb­stündi­ge Sua­da, die an beze­ich­nen­den Stellen immer wieder von Zwis­chen­rufen oder Gekich­er der Anwe­senden unter­brochen wurde, online gestellt. Der Name des Inter­net-TV-Kanals ist Pro­gramm. Unter dem Titel „Nord­land“ betrieb die SS einen Ver­lag, in dem sie ihre ras­sis­tis­chen, anti­semi­tis­chen und braunen Schriften kom­merziell verwertete.

„Nord­land TV“, das vom NPD-Lan­desvor­sitzen­den Nieder­sach­sens betrieben wird, bietet vor allem – aber nicht nur – Holocaustleugner*innen und son­sti­gen Nazi-Revi­sion­is­ten eine Bühne. Horst Mahler, Ursu­la Haver­beck, ihr Nach­fol­ger im Vere­in Gedächt­nis­stätte, Wol­fram Schiede­witz, Niko­lai Ner­ling (als „Volk­slehrer“ bekan­nt) und natür­lich auch schwere Neon­azi-Kaliber wie Axel Schlimper oder Meinolf Schön­born dür­fen dort auftreten. Auch Fred Duswald. Der referierte auf Ein­ladung des mehrfach verurteil­ten Holo­caustleugn­ers und Neon­azi Gün­ter Deck­ert bei den „Tagen deutsch­er Gemein­schaft“ (9.–11.6.2017) in Thüringen.

Ausschnitt der Youtube-Playlist von Nordland.TV: Holocaustleugner und andere Rechtsextreme

Auss­chnitt der Youtube-Playlist von „Nord­land TV”: Holo­caustleugn­er und andere Rechtsextreme

Im Zug unser­er Recherchen zu den jün­geren Entwick­lun­gen in der Chronique scan­daleuse um die „Aula“ und die Repub­lik Öster­re­ich sind wir auf das Duswald-Video gestoßen und haben es uns genauer ange­se­hen. Das Video wurde am 14. Juli 2017 auf YouTube hochge­laden und mehr als 1.300 Mal aufgerufen. Bis zu unser­er Recherche ist der Beitrag, der vor Selb­st­mitleid trieft, anscheinend in Öster­re­ich nie­man­dem aufgestoßen. Inzwis­chen ist er gelöscht – nicht ganz frei­willig, so viel kön­nen wir verraten.

Duswald-Vortrag auf Youtube (im Bild Günter Deckert bei der Einleitung; Video ist inzwischen gelöscht)

Duswald-Vor­trag auf Youtube (im Bild Gün­ter Deck­ert bei der Ein­leitung; Video ist inzwis­chen gelöscht)

Wir haben Duswalds Ergüsse in den wichtig­sten Pas­sagen tran­skri­biert. Unsere Bew­er­tung: In der Sub­stanz wieder­holt Duswald in seinem Refer­at die Behaup­tun­gen aus dem Aula-Artikel 2015. Das ver­mö­gen auch die zeitweise eingestreuten Anmerkun­gen, er habe hier und über­haupt von Anfang an nur die „krim­inellen KZler“ gemeint, nicht rel­a­tivieren. Ob Duswald damit gegen das im Jahr 2017 gerichtlich ver­fügte Ver­bot, wörtliche oder sin­ngle­iche Behaup­tun­gen aufzustellen und/oder zu ver­bre­it­en, ver­stoßen hat, müsste juris­tisch gek­lärt wer­den. Aber nicht genug damit: Duswald set­zt noch eines drauf, indem er dem Mau­thausen-Komi­tee Öster­re­ich unter­stellt, dass es die Schulkinder belüge.

Was Duswald von den Urteilen öster­re­ichis­ch­er Gerichte hält, die ihm unter­sagt haben, seine het­zerischen Behaup­tun­gen über die KZ-Häftlinge von Mau­thausen („Massen­mörder“, „Land­plage“) zu ver­bre­it­en, macht er gle­ich zu Beginn klar: „In meinem Fall hat der Ober­ste Gericht­shof in Wien das Recht gebeugt und gebrochen zu Gun­sten von ehe­ma­li­gen Häftlin­gen des Konzen­tra­tionslagers Mau­thausen.“ Etwas später fol­gt eine sex­is­tis­che Anmerkung zu den Rich­terin­nen der Beru­fungsin­stanz, die bei den Anwe­senden Kich­ern her­vor­ruft: „Es waren lei­der Rich­terin­nen. Ich hab zu den Rich­terin­nen lei­der kein beson­ders großes Ver­trauen – sie sind zu emo­tion­al.

Duswald ist nicht emo­tion­al, son­dern bloß zynisch, wenn er zur Nieder­lage des Nazi-Regimes 1945 bzw. der Befreiung der KZ-Häftlinge aus Mau­thausen fes­thält: „Wir sind ja nicht befre­it wor­den, aber die sind befre­it wor­den.“ Emo­tion­al wird er erst, als er das Büch­lein von Ilse Krumpöck erwäh­nt: „Im Jahr 2015 wurde mein Wis­sen plöt­zlich erweit­ert. Durch das Buch, die Recherche von Ilse Krumpöck, die auf einen Gedenkstein in Arbes­bach gestoßen war.“

2015 ist Krumpöcks Buch „Wer­wölfe im Wald­vier­tel? Das Jahr 1945 im Granithochland“ mit einem Klap­pen­text erschienen, in dem davon die Rede ist, dass zwei ent­lassene KZ-Häftlinge aus Mau­thausen acht „blutjunge Hitler­jun­gen“ vor sich her­getrieben hät­ten und die dann von einem „Erschießungskom­man­do“ ermordet wor­den wären. Die reißerische Behaup­tung des Klap­pen­textes find­et sich so jedoch im Buch selb­st nir­gend­wo wieder. Ganz im Gegen­teil! Krumpöck selb­st dis­tanzierte sich schriftlich von den Inter­pre­ta­tio­nen des „Mis­tk­erls“ in dem „Schmierblatt“ (die „Aula“ war damit gemeint) sehr entsch­ieden (vgl. dazu die par­la­men­tarische Anfrage von Har­ald Walser aus dem Jahr 2016). Da die von ihr aufgestöberten Quellen (Pfarr‑, Gemeinde- und Schulchroniken) sehr wider­sprüch­lich und zudem wenig ver­lässlich sind, lässt sich daraus nicht ableit­en, wer die acht Hitler­jun­gen tat­säch­lich umge­bracht hat, ob es etwa sow­jetis­che Besatzung­sof­fiziere waren, die in einem stan­drechtlichen Ver­fahren die acht Wer­wölfe, also Mit­glieder ein­er Ter­ror­gruppe, hin­richt­en ließen.

Bei Duswald in der „Aula“ war damals (2015) dazu unter dem Het­zti­tel „Mau­thausen-Befre­ite als Massen­mörder“ zu lesen:

Die Tat­sache, dass ein nicht uner­he­blich­er Teil der befre­it­en Häftlinge aus Mau­thausen den Men­schen zur Land­plage gere­ichte, gilt für die Jus­tiz als erwiesen und wird heute nur noch von KZ-Fetis­chis­ten bestrit­ten. Ungesüh­nt blieb der Massen­mord an acht Hitler­jun­gen, die in Niederöster­re­ich von zwei Mau­thausen-Befre­it­en durch Kopf­schuß liq­ui­diert wurden.

Nach einem lang­wieri­gen zivil­rechtlichen Ver­fahren wurde am 14.2.2017 vor dem Lan­des­gericht Graz der fol­gende Ver­gle­ich zwis­chen Fred Duswald und der „Aula“ auf der einen Seite und ehe­ma­li­gen KZ-Über­leben­den, die geklagt hat­ten, ander­er­seits geschlossen:

Vergleich vom 14.2.17 in der zivilrechtlichen Klage gegen Aula/Duswald

Ver­gle­ich vom 14.2.17 in der zivil­rechtlichen Klage gegen Aula/Duswald

Wenige Monate später, bei den „Tagen deutsch­er Gemein­schaft“, die zwis­chen 9. und 11. Juni 2017 stat­tfan­den, wieder­holte Duswald seine Behaup­tun­gen aus dem „Aula“-Beitrag den ange­blichen oder ver­meintlichen Massen­mord durch KZ-Häftlinge betr­e­f­fend: „Die Täter, die diese acht jun­gen Men­schen ermordet haben, waren zwei ehe­ma­lige KZ-Häftlinge aus Mau­thausen, die in ein­er Gruppe von dre­itausend Häftlin­gen dort diesen Ort heimge­sucht haben.“

Um seine inzwis­chen hin­länglich wider­legte These zu unter­mauern, jongliert Duswald mit falschen Zahlen, bezichtigt die vom NS-Regime als „Berufsver­brech­er“ und „Sicherungsver­wahrten“ kat­e­gorisierten Häftlinge zudem, weit­er ihre ange­blich krim­inellen Fähigkeit­en einge­set­zt zu haben:

Und diese krim­inellen Häftlinge schwärmten gle­ich nach der Befreiung aus, macht­en die Gegend unsich­er und zeigten, dass sie eben, aaah, was sie kon­nten, nicht vergessen haben. Haben ger­aubt, geplün­dert, verge­waltigt, äh, ermordet, sind nach Linz gezo­gen und haben sich auch verteilt über die, über die nähere und weit­ere Umge­bung von Mau­thausen. Das ist alles dokumentiert.

Zusät­zlich wieder­holt Duswald auch die pauschal­isieren­den Behaup­tun­gen: „Die Beweise, dass die wirk­lich gewütet haben, die KZler, Leute umge­bracht, geplün­dert, ger­aubt, gestohlen und alles, ist ein­fach ignori­ert wurden.“

Duswald set­zte dann aber noch etwas drauf, näm­lich den inakzept­ablen und wohl klags­fähi­gen Vor­wurf, das Mau­thausen Komi­tee belüge die Schulkinder: „Dieses Mau­thausen-Komi­tee, was sich als moralis­che Instanz ver­ste­ht, was jedes Jahr die Gedenkver­anstal­tung organ­isiert, die Presse bedi­ent und die Schulkinder – also – belügt, die haben dann zehn KZler organ­isiert, die eine Zivilk­lage einge­bracht haben.“

Duswald rei­ht sich damit würdig in die Liste der Ref­er­entIn­nen bei „Nord­land-TV“ ein.

Bericht im Stan­dard“ zu Duswalds Auftritt mit dessen Reak­tion auf die Anfrage des Jour­nal­is­ten und zu möglichen juris­tis­chen Konsequenzen