Der Standard legte am Montag mit einem Bericht über die vom Reichsbürger Karl Dettmer gegründete geschlossene Facebook-Gruppe „Deutsches Reich“ vor: „Zwei FPÖ-Abgeordnete in NS-verherrlichender Facebook-Gruppe“ Einige Medien zogen mit Onlineberichten, die sich auf den Standard-Artikel stützten, hinterher.
Die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Sabine Schatz bezeichnete in einer Presseaussendung die Facebook-Umtriebe der FPÖ-Kollegenschaft als „inakzeptabel“ und forderte Kanzler Kurz auf, „‚endlich sein Schweigen zu diesen permanenten Grenzüberschreitungen, die das Klima in diesem Land vergiften‘, zu brechen. ‚Nicht nur die FPÖ verliert an politischer Glaubwürdigkeit, wenn es keine Abgrenzung zu dieser rechtsextremen Geisteshaltung gibt.’“
Auch Alma Zadic von der Liste Jetzt forderte in ihrer Presseaussendung den Rücktritt von Gerstner und Mühlberghuber: „Die Erklärung von Abgeordneten Gerstner, er sei ohne sein Wissen zu dieser Gruppe hinzugefügt worden, scheint eher eine Ausrede zu sein. Wie ‚stoppdierechten‘ dokumentiert hat, wurden beide Abgeordnete auf Facebook als ‚beigetreten‘ gekennzeichnet. ‚Gerstner und Mühlberghuber werden auf der Facebook-Gruppe als ‚beigetreten‘ bezeichnet. Das geht nur, wenn man eine Einladung (in dem Fall von Karl Dettmer) in die Gruppe bestätigt.’ Zadic fordert von Vizekanzler Strache und Bundeskanzler Kurz angesichts dieser antisemitischen und rechtsextremen Umtriebe, die beiden Abgeordneten vor die Wahl zu stellen: ‚Deutsches Reich‘ oder Österreichisches Parlament.“
Auch der FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker sah sich offenbar gezwungen, mit einer Presseaussendung zu kalmieren. Er schwadronierte über die Vorteile der Sozialen Medien, um dann als gravierenden Nachteil zu nennen: „Nämlich dann, wenn man zu einer Gruppe hinzugefügt wird, mit der man beileibe nichts zu tun haben möchte. Ob dieses Hinzufügen mit böser Absicht passiert, um dem Politiker zu schaden, ist eine Möglichkeit, die nicht von der Hand zu weisen ist. Gruppennamen sind auch jederzeit manipulierbar und eine unverdächtige Gruppe, der man arglos beigetreten ist, wandelt sich zum ‚politischen Supergau‘. ‚So wurden zwei freiheitliche Abgeordnete zum Nationalrat, nämlich Edith Mühlberghuber und Peter Gerstner, Opfer einer solchen Verleumdungsaktion. Diese Personen in ein rechtsradikales Eck zu stellen und in die Nähe von Reichsbürgern zu bringen, ist an Perfidie nicht zu übertreffen. Beide Mandatare sind sofort aus der genannten Gruppe ausgetreten und betonen, dass sie mit dem dort vertretenen Gedankengut nichts zu tun haben und verbieten sich weitere Anschuldigungen in diese Richtung’.“
Na schön, Hafenecker tut das, worin die FPÖ sich als Meisterin etabliert hat: Die FPÖ-Abgeordneten wurden Opfer einer Verleumdungsaktion. Dass Gerstner zwei Tage benötigt hat, um aus der Gruppe auszutreten, Mühlberghuber noch lange nach Hafenecker Aussendung im „Deutschen Reich“ weilte, ist eine Nebensache. Wie die beiden aber dazu kommen, Gruppenbeitritte, Freundschaftsanfragen von derartigen Accounts zu bestätigen, ist eine gravierendere Angelegenheit. Was Hafenecker völlig verschweigt, ist die Mitgliedschaft von zahlreichen anderen FPÖ-FunktionärInnen in dieser Gruppe, aber auch in unzähligen anderen, in denen Hetze, Rassismus, Antisemitismus bis hin zu neonazistischem Gedankengut zum normalen Repertoire gehören.
Aber auch die beiden Abgeordneten selbst spielen die Unschuldslämmer: „Edith Mühlberghuber gab gegenüber KURIER zu Protokoll, dass sie Karl Dettmer sofort als Freund entfernte, als die von der Gruppe erfuhr. Sie habe zu wenig recherchiert und Dettmer deswegen als Freund gehabt, vermutet sie. ‚Ich bin nie beigetreten’, sagte sie zur Gruppe ‚Deutsches Reich’. ‚Ich habe mit so etwas nichts zu tun und möchte auch nichts damit zu tun haben.’ Sie sei wenig auf Facebook aktiv und würde dort nur ihre über ihre politische Arbeit informieren wollen. (…) Ihr Parteikollege Peter Gerstner betont ebenfalls, er sei der Gruppe nie aktiv beigetreten und hätte sich dort auch nicht beteiligt. ‚Ich war da ein bisschen schleißig’, sagte er zum KURIER. Auch er nütze sein Facebook-Profil für seine politische Arbeit und sei gerade dabei, sämtliche Gruppen zu kontrollieren, denen er beigetreten ist.“ (kurier.at, 11.3.19)
Wir konstatieren: Abgeordnete sind mit Karl Dettmer befreundet, was – wie wir wissen – nicht automatisch geht. Wer nun an wen eine Freundschaftsanfrage verschickt hat, sei dahingestellt. Abgeordnete werden von Dettmer zur Gruppe hinzugefügt – die eine, Mühlberghuber, bereits im Juni 2015, der andere, Gerstner, im August 2017. Doch das Hinzufügen alleine war es nicht, der Beitritt wurde aktiv bestätigt. Dettmer änderte den Gruppennamen unzählige Male – auch hier benachrichtigt Facebook alle Gruppenmitglieder. Aber wir wissen: Alles fällt vom blauen Himmel, und wenn’s aufschlägt, waren die anderen Schuld. Dass es bei dubiosen Mitgliedschaften, Befreundungen ausgerechnet permanent FPÖ-Mitglieder erwischt, ist natürlich zufällig, nicht gewollt oder gar auf False Flag-Aktionen von politischen GegnerInnen zurückzuführen.
Inzwischen haben wir begonnen, über die Gruppe „FPÖ Seitenadministratoren“ zu berichten. Morgen gibt es dazu eine Fortsetzung über die Inhalte und wer sich da noch getummelt hat. So viel können wir schon sagen: sehr „schleißig“ (© Gerstner), was sich da drinnen abgespielt hat. Der FPÖ-Generalsekretär hat dazu schon Erklärungen … Aber: Auch von weiteren dubiosen Gruppen mit FPÖ-Beteiligung wurde uns berichtet. Vielleicht lässt sich die FPÖ einmal neue Erklärungen einfallen?