Mauthausen Komitee und Antifa-Netzwerk decken Skandal auf: Dinghofer war NSDAP-Mitglied

Pressemel­dung MKÖ vom 14.03.2019:

Am 23. Feb­ru­ar strahlte ORF III in der Rei­he „Baumeis­ter der Repub­lik“ eine selb­st pro­duzierte Doku­men­ta­tion über den in Otten­sheim gebore­nen großdeutschen Poli­tik­er Franz Ding­hofer (1873 – 1956) aus. Schon einige Tage davor war diese Doku­men­ta­tion einem aus­gewählten Pub­likum vorgestellt wor­den, in dem sich Vizekan­zler Heinz Chris­t­ian Stra­che, die Dritte Nation­al­rat­spräsi­dentin Anneliese Kitzmüller und ORF-Gen­eraldirek­tor Alexan­der Wrabetz befanden.

Vizekan­zler Stra­che zeigte sich begeis­tert: „Franz Ding­hofer war zweifel­los die wichtig­ste und prä­gend­ste Gestalt des Drit­ten Lagers in der Ersten Repub­lik. Höch­ste Zeit für eine entsprechende filmis­che Würdi­gung! Wir freuen uns, dass dem großen Poli­tik­er und Öster­re­ich­er nun mit dieser Doku­men­ta­tion ein filmis­ches Denkmal geset­zt wird. … Das bedeutet, im wahrsten Sinne des Wortes, dem öffentlich-rechtlichen Auf­trag gerecht zu werden.“

Es gab aber auch Kri­tik an der ORF-Pro­duk­tion. Christoph Kotanko schrieb in den „Oberöster­re­ichis­chen Nachricht­en“ über die Darstel­lung Ding­hofers: „Dass er jet­zt plöt­zlich zu einem Baumeis­ter der Repub­lik – auf ein­er Ebene etwa mit Karl Ren­ner – hochstil­isiert wird, hat partei- und medi­en­poli­tis­che Motive. Die FPÖ sucht als Regierungspartei herzeig­bare Altvordere. Das ist nicht ein­fach. Ein Beispiel: Ihr erster Obmann war der Innviertler Anton Reinthaller, ein ehe­ma­liger SS-Brigade­führer, der 1950 bis 1953 als „schwer­be­lastet” inhaftiert war.“

Tat­sache ist, dass die Doku­men­ta­tion Franz Ding­hofer sehr fre­undlich zeich­net. So heißt es, sein „Ver­mächt­nis“ sei „in der Mitte zu find­en“. Dass der Burschen­schafter („Ost­mark Graz“) für den „Auszug“ der jüdis­chen Bevölkerung ein­trat und die Großdeutsche Volkspartei, deren Mit­be­grün­der und zeitweis­er Obmann er war, einen aggres­siv­en Anti­semitismus propagierte, wird nicht ern­sthaft thematisiert.

Bis zur Geschichtsver­fälschung steigert sich diese Ten­denz der Darstel­lung, wenn es um das Ver­hält­nis Ding­hofers zum Nation­al­sozial­is­mus geht. Die ORF-Pro­duk­tion fol­gt dabei ein­er Aus­sage des FPÖ-Poli­tik­ers Mar­tin Graf, der das Ding­hofer-Insti­tut leit­et: „Ihn in die Nähe des Nation­al­sozial­is­mus zu rück­en, ist absurd.“

Wer die Sendung gese­hen hat, muss glauben, Ding­hofer habe den Nation­al­sozial­is­mus abgelehnt. Er sei „zwangspen­sion­iert“ und „enteignet“ wor­den, heißt es. Der FPÖ-Partei­his­torik­er Lothar Höbelt bescheinigt Ding­hofer sog­ar „innere Emi­gra­tion“. Der His­torik­erin Gudu­la Wal­ter­skirchen zufolge war der großdeutsche Poli­tik­er „eigentlich ein Patriot“.

Solche schein­bar pro­fes­sionellen Befunde hal­ten ein­er Über­prü­fung allerd­ings nicht stand. Das bewies eine Anfrage beim Bun­de­sarchiv in Berlin (dem früheren Berlin Doc­u­ment Cen­ter), ob Ding­hofer NSDAP-Mit­glied war. Die Auskun­ft ist ein­deutig: Der ange­bliche „Baumeis­ter der Repub­lik“ und ange­bliche „innere Emi­grant“ bemühte sich 1940 um die Auf­nahme in die NSDAP, die ihm bere­its nach zweiein­halb Monat­en gewährt wurde (Mit­glied­snum­mer 8450902). Ein dur­chaus logis­ch­er Schritt, denn die von Ding­hofer mit­be­grün­dete Großdeutsche Volkspartei hat­te sich schon 1933 mit der NSDAP zu ein­er „Kampfge­mein­schaft“ zusammengeschlossen.

„Soweit wir wis­sen, hat Franz Ding­hofer kein Ver­brechen began­gen. Aber er hat ein Ver­brecher­regime unter­stützt“, sagt Willi Mernyi, der Vor­sitzende des Mau­thausen Komi­tees Öster­re­ich (MKÖ). „Dass diese Doku­men­ta­tion einen überzeugten Anti­semiten und Nation­al­sozial­is­ten verk­lärt, macht sie nicht nur für Holo­caust-Über­lebende unerträglich, son­dern für alle Geg­n­er des Faschis­mus. Sie ist des ORF unwürdig und schadet seinem son­st her­vor­ra­gen­den Ruf.“

„Es ist schon eige­nar­tig: Das Bun­de­sarchiv in Berlin hat uns auf eine ein­fache Anfrage hin nach nur ein­er Woche die NSDAP-Mit­glied­skarte von Ding­hofer über­mit­telt. Warum haben die His­torik­er der aufwändi­gen ORF-Doku­men­ta­tion diesen selb­stver­ständlichen Fak­tencheck nicht geschafft, son­dern stattdessen regel­recht ins Blaue fab­u­liert? War das bloß grobe Fahrläs­sigkeit oder sollte da ein vorge­fasstes Bild der Per­son Ding­hofer nicht gestört wer­den?“, fragt Robert Eit­er, Sprech­er des OÖ. Net­zw­erks gegen Ras­sis­mus und Recht­sex­trem­is­mus (Antifa-Net­zw­erk).

„Franz Ding­hofer war mit Sicher­heit kein öster­re­ichis­ch­er Patri­ot. Die wahren Patri­oten haben im Wider­stand für Öster­re­ich gekämpft. Viele wur­den von den braunen Zer­stör­ern Öster­re­ichs, denen sich Ding­hofer anschloss, in Konzen­tra­tionslagern und Gestapo-Gefäng­nis­sen ermordet“, stellt Willi Mernyi fest. „Die Kon­se­quen­zen sind klar: Der ORF darf diese Geschichtsver­fälschung nicht länger ver­bre­it­en und muss sich bei den Zuschauerin­nen und Zuschauern entschuldigen. Und die FPÖ wäre gut berat­en, ihr Ding­hofer-Insti­tut aufzulösen – außer sie will ihr Ver­hält­nis zu Israel verbessern, indem sie weit­er einen Nazi hochjubelt.“

NSDAP-Mit­glied­skartei Ding­hofer (Hin­weis: Die PDF-Datei im Anhang, die die NSDAP-Mit­glied­skarte von Franz Ding­hofer wiedergibt, wurde uns fre­undlicher­weise vom Bun­de­sarchiv in Berlin zur Ver­fü­gung gestellt. Alle Rechte an dieser PDF-Datei liegen beim Bun­de­sarchiv in Berlin.)

Quelle: mkoe.at