Zu Beginn der Ära Haider, im Jahr 1986, wurde der Atterseekreis, ein Diskussionszirkel für (National)Liberale in der FPÖ, aufgelöst. Manfred Haimbuchner, der Chef der FPÖ OÖ, gründete ihn im Oktober 2012 wieder. Als „liberale Denkfabrik“ bejubelte die FPÖ-nahe Welser „Monatliche“ die Neugründung. Ähnlich Der Standard, der in ihm „eine intellektuelle Plattform für die Partei jenseits der Burschenschaften“ sehen will. Aber hallo – ein gewaltiges Missverständnis!
Mit den ideologischen Wurzeln der Attersee-Blauen beschäftigen sich zwei Beiträge von SdR. Wir wollen uns hier mit der personellen Besetzung dieser intellektuellen Plattform „jenseits der Burschenschaften“ auseinandersetzen.
Neugründer des Atterseekreises war Manfred Haimbuchner. Er ist nicht nur Obmann der FPÖ Oberösterreich und mittlerweile auch stellvertretender Landeshauptmann, sondern auch Alter Herr des Corps Alemannia Wien zu Linz, einer schlagenden Verbindung. Erster „Präsident“ des Vereins „Freiheitlicher Arbeitskreis Attersee“ war Alois Gradauer, Mitglied der pennalen fachstudentischen Verbindung Bajuvaria zu Linz.
Seit März 2017 präsidiert Norbert Nemeth den Verein. Nemeth ist Klubdirektor des freiheitlichen Parlamentsklubs und ein waschechter „deutscher Burschenschafter“ der akademischen Burschenschaft Olympia Wien, die in der Vergangenheit gerne Neonazis auf ihre Bude eingeladen hat. Nemeth nutzt auch das Pseudonym „S. Coell“ für seine historischen Romane, die unter rechten Verschwörungstheorien rubriziert werden können.
Vizepräsident des Atterseekreises ist der Nationalratsabgeordnete Roman Haider, Mitglied der pennalen Burschenschaft Donauhort zu Aschach, der bis zu seiner massiven Intervention im März 2017 bei einer Schulveranstaltung über Extremismus eine eher unauffällige blaue Karriere absolvierte.
Schriftführer des Vereins ist Ferdinand Watschinger, der ebenfalls Klubdirektor ist – aber im freiheitlichen Landtagsklub in OÖ. Natürlich ist Watschinger auch Burschenschafter – bei der – so wie die Olympia – ganz am rechten Rand innerhalb der rechtsextremen Deutschen Burschenschaft angesiedelten Brixia (Innsbruck). Dann gibt es noch eine im Vereinsauszug ausgewiesene Funktion, den Kassier des Atterseekreises. Der heißt Hubert Schreiner, ist Landesparteisekretär der FPÖ OÖ und anscheinend der einzige Nichtburschenschafter. Der muss vermutlich die „intellektuelle Plattform (…) jenseits der Burschenschaften“ darstellen!
Denn es geht gleich mit einem Burschenschafter weiter. Jörg Mayer ist der Chefredakteur des „Attersee Report“, der vierteljährlich vom Verein herausgegebenen Publikation. Mayer ist Burschenschafter der „Teutonia“ Wien und rundet damit den Eindruck ab, dass die äußerst rechten Burschenschaften das Sagen im Atterseekreis haben. Das ist zwar jenseitig, aber nicht „jenseits der Burschenschaften“.
Im Attersee Report trifft sich der deutsche Burschenschafter Mayer, der dort ein bisschen mit dem neoliberalen Flügelchen wacheln darf, mit dem deutschen Burschenschafter Nemeth, der sich dort unter anderem über das ungemein spannende Thema der Burschenschafterromane (ja, so etwas gibt es wirklich!) ausbreiten darf:
Die Darstellung von Duell- und Mensurszenen bilden den wichtigsten und erzählerisch überragenden Teil eines jeden Korporationsromans. (…) Die Austragung ist in einer heimlich-illegalen und religiös anmutenden Mystik angesiedelt. Der Leser soll begreifen, dass er es mit einem Ritual zu tun hat, das nur wenigen Auserwählten gestattet ist.
Nemeths Beitrag ist ein Lobgesang auf den Burschenschafterschriftsteller Walter Bloem und dessen Roman „Brüderlichkeit“, den Nemeth als dessen „Warnung vor der nationalsozialistischen Unterwanderung der Verbindungen“ sehen will. Das ist so jenseitig wie die Einschätzung, dass der Atterseekreis eine intellektuelle Plattform jenseits der Burschenschaften sein soll.
Bloem hatte zwar in dem 1922 (!) erschienenen Roman „Brüderlichkeit“ noch gegen den Antisemitismus Stellung genommen, war dann aber bis zum Schluss ein eifriger Parteigänger des Nationalsozialismus und glühender Anhänger Hitlers, was in Bloems „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“ gipfelte.
So viel noch zur intellektuellen Redlichkeit der blauen Atterseeschwurbler.