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Die jenseitigen Auserwählten vom Atterseekreis

Zu Beginn der Ära Hai­der, im Jahr 1986, wur­de der Atter­see­kreis, ein Dis­kus­si­ons­zir­kel für (National)Liberale in der FPÖ, auf­ge­löst. Man­fred Haim­buch­ner, der Chef der FPÖ OÖ, grün­de­te ihn im Okto­ber 2012 wie­der. Als „libe­ra­le Denk­fa­brik“ beju­bel­te die FPÖ-nahe Wel­ser „Monat­li­che“ die Neu­grün­dung. Ähn­lich Der Stan­dard, der in ihm „eine intel­lek­tu­el­le Platt­form für die Par­tei jenseits […]

9. Okt 2018
Facebook-Auftritt Atterseekreis (Wahlflosse als Motiv im Logo)
Facebook-Auftritt Atterseekreis

Mit den ideo­lo­gi­schen Wur­zeln der Atter­see-Blau­en beschäf­ti­gen sich zwei Bei­trä­ge von SdR. Wir wol­len uns hier mit der per­so­nel­len Beset­zung die­ser intel­lek­tu­el­len Platt­form „jen­seits der Bur­schen­schaf­ten“ auseinandersetzen.

Neu­grün­der des Atter­see­krei­ses war Man­fred Haim­buch­ner. Er ist nicht nur Obmann der FPÖ Ober­ös­ter­reich und mitt­ler­wei­le auch stell­ver­tre­ten­der Lan­des­haupt­mann, son­dern auch Alter Herr des Corps Ale­man­nia Wien zu Linz, einer schla­gen­den Ver­bin­dung. Ers­ter „Prä­si­dent“ des Ver­eins „Frei­heit­li­cher Arbeits­kreis Atter­see“ war Alo­is Gra­dau­er, Mit­glied der pen­na­len fach­stu­den­ti­schen Ver­bin­dung Baju­va­ria zu Linz.

Seit März 2017 prä­si­diert Nor­bert Neme­th den Ver­ein. Neme­th ist Klub­di­rek­tor des frei­heit­li­chen Par­la­ments­klubs und ein wasch­ech­ter „deut­scher Bur­schen­schaf­ter“ der aka­de­mi­schen Bur­schen­schaft Olym­pia Wien, die in der Ver­gan­gen­heit ger­ne Neo­na­zis auf ihre Bude ein­ge­la­den hat. Neme­th nutzt auch das Pseud­onym „S. Coell“ für sei­ne his­to­ri­schen Roma­ne, die unter rech­ten Ver­schwö­rungs­theo­rien rubri­ziert wer­den können.

Vize­prä­si­dent des Atter­see­krei­ses ist der Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te Roman Hai­der, Mit­glied der pen­na­len Bur­schen­schaft Donau­hort zu Aschach, der bis zu sei­ner mas­si­ven Inter­ven­ti­on im März 2017 bei einer Schul­ver­an­stal­tung über Extre­mis­mus eine eher unauf­fäl­li­ge blaue Kar­rie­re absolvierte.

Schrift­füh­rer des Ver­eins ist Fer­di­nand Wat­schin­ger, der eben­falls Klub­di­rek­tor ist – aber im frei­heit­li­chen Land­tags­klub in OÖ. Natür­lich ist Wat­schin­ger auch Bur­schen­schaf­ter – bei der – so wie die Olym­pia – ganz am rech­ten Rand inner­halb der rechts­extre­men Deut­schen Bur­schen­schaft ange­sie­del­ten Bri­xia (Inns­bruck). Dann gibt es noch eine im Ver­eins­aus­zug aus­ge­wie­se­ne Funk­ti­on, den Kas­sier des Atter­see­krei­ses. Der heißt Hubert Schrei­ner, ist Lan­des­par­tei­se­kre­tär der FPÖ OÖ und anschei­nend der ein­zi­ge Nicht­bur­schen­schaf­ter. Der muss ver­mut­lich die „intel­lek­tu­el­le Platt­form (…) jen­seits der Bur­schen­schaf­ten“ darstellen!

Denn es geht gleich mit einem Bur­schen­schaf­ter wei­ter. Jörg May­er ist der Chef­re­dak­teur des „Atter­see Report“, der vier­tel­jähr­lich vom Ver­ein her­aus­ge­ge­be­nen Publi­ka­ti­on. May­er ist Bur­schen­schaf­ter der „Teu­to­nia“ Wien und run­det damit den Ein­druck ab, dass die äußerst rech­ten Bur­schen­schaf­ten das Sagen im Atter­see­kreis haben. Das ist zwar jen­sei­tig, aber nicht „jen­seits der Burschenschaften“.

Im Atter­see Report trifft sich der deut­sche Bur­schen­schaf­ter May­er, der dort ein biss­chen mit dem neo­li­be­ra­len Flü­gel­chen wacheln darf, mit dem deut­schen Bur­schen­schaf­ter Neme­th, der sich dort unter ande­rem über das unge­mein span­nen­de The­ma der Bur­schen­schaf­ter­ro­ma­ne (ja, so etwas gibt es wirk­lich!) aus­brei­ten darf:

Die Dar­stel­lung von Duell- und Men­sur­sze­nen bil­den den wich­tigs­ten und erzäh­le­risch über­ra­gen­den Teil eines jeden Kor­po­ra­ti­ons­ro­mans. (…) Die Aus­tra­gung ist in einer heim­lich-ille­ga­len und reli­gi­ös anmu­ten­den Mys­tik ange­sie­delt. Der Leser soll begrei­fen, dass er es mit einem Ritu­al zu tun hat, das nur weni­gen Aus­er­wähl­ten gestat­tet ist.

Neme­ths Bei­trag ist ein Lob­ge­sang auf den Bur­schen­schaf­ter­schrift­stel­ler Wal­ter Blo­em und des­sen Roman „Brü­der­lich­keit“, den Neme­th als des­sen „War­nung vor der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Unter­wan­de­rung der Ver­bin­dun­gen“ sehen will. Das ist so jen­sei­tig wie die Ein­schät­zung, dass der Atter­see­kreis eine intel­lek­tu­el­le Platt­form jen­seits der Bur­schen­schaf­ten sein soll.

Blo­em hat­te zwar in dem 1922 (!) erschie­ne­nen Roman „Brü­der­lich­keit“ noch gegen den Anti­se­mi­tis­mus Stel­lung genom­men, war dann aber bis zum Schluss ein eif­ri­ger Par­tei­gän­ger des Natio­nal­so­zia­lis­mus und glü­hen­der Anhän­ger Hit­lers, was in Bloems „Gelöb­nis treu­es­ter Gefolg­schaft“ gip­fel­te.

So viel noch zur intel­lek­tu­el­len Red­lich­keit der blau­en Atterseeschwurbler.