Der mit dem Wal tanzt – Die „konservative Konterrevolution“ und der Atterseekreis (Teil 1)

Der Atterseekreis ist ein frei­heitlich­er Think­tank, der sich selb­st als lib­erales und intellek­tuelles Aushängeschild im recht­en Blät­ter­wald gefällt. Das nach Außen kom­mu­nizierte Selb­stver­ständ­nis ste­ht allerd­ings in krassem Wider­spruch zu großen Teilen der Texte, die dort geschrieben wer­den. Denn ganz im Zen­trum dieser The­o­riear­beit ste­ht Carl Schmitts poli­tis­che Mytholo­gie, die völkisch und anti­semi­tisch ist. Lei­der ist es den recht­en Denkern gelun­gen, sich in den Medi­en als harm­los zu insze­nieren. Wir rück­en das Bild wieder gerade.

Der Ver­such ein­er Korrektur

Ein Artikel im Stan­dard berichtet über die frei­heitliche Denk­fab­rik Atterseekreis. Das ist grund­sät­zlich begrüßenswert, denn die Umtriebe der intellek­tuellen Recht­en sind zu sel­ten The­men in der Medi­en­berichter­stat­tung. Prob­lema­tisch an dem Beitrag „Die recht­en Denker vom Attersee“ ist allerd­ings, dass er ohne jede Bezug­nahme auf deren Texte auskommt. Die Beleuch­tung dieser inhaltlichen Dimen­sion ist aber drin­gend notwendig, um nicht lediglich die frei­heitliche Selb­st­darstel­lung zu repro­duzieren – denn genau das ist dem Stan­dard-Autor Con­rad Sei­dl passiert. So ist die Rede von ein­er „Plat­tform jen­seits der Burschen­schaften“, was angesichts der dort täti­gen Pro­tag­o­nis­ten falsch­er nicht sein kön­nte. Betont wird der „wirtschaft­slib­erale Ansatz“ und das Vorhaben, eine unter Haider ver­lorenge­gan­gene „Diskus­sion­skul­tur“ wiederzubeleben; schließlich darf Nor­bert Nemeth ohne Wider­spruch behaupten, dass man „gesellschaft­spoli­tisch kon­ser­v­a­tiv und ver­fas­sungsrechtlich pro­gres­siv“ sei. Klingt alles erfreulich harm­los. Aber ein genauer Blick auf die Textpro­duk­tion der frei­heitlichen Intellek­tuellen rückt lei­der alles wieder ins rechte Licht. Vor­ab ein paar Worte zu Nor­bert Nemeth, dem Chef des Atterseekreis.  

Der stille Ideologe

Der frei­heitliche Klub­di­rek­tor ist in der Partei­hier­ar­chie zwar ganz oben, aber schein­bar nicht gerne im Ram­p­en­licht. Er hat kein Nation­al­rats­man­dat, in der Medi­en­berichter­stat­tung begeg­net man ihm sel­ten. Die Tirol­er Tageszeitung beze­ich­net ihn als den „Ide­olo­gen in Stra­ches Team“: Nicht die Tage­spoli­tik sei seine Sache, son­dern die Auf­bere­itung frei­heitlich­er Ide­olo­gie. Und diese Rolle erfüllt er seit Som­mer 2017 als Präsi­dent des Atterseekreis­es. Über den FPÖ-Think­tank – unter der Schirmherrschaft von OÖ-Lan­deshaupt­mann Stel­lvertreter Man­fred Haim­buch­n­er – haben wir des Öfteren berichtet (zulet­zt hier), nicht aber über die zen­trale Rolle von Nor­bert Nemeth als dessen Chefide­ologe, Autor und Präsi­dent. Doch zunächst einiges Erwäh­nenswertes zu Nemeths Funk­tion in der FPÖ.

Als Klub­di­rek­tor des frei­heitlichen Par­la­mentsklubs hat er eine hohe Posi­tion in der FPÖ inne. Er gilt als Stra­ches Ver­trauter und war dementsprechend – neben Nor­bert Hofer, Her­bert Kickl und Anneliese Kitzmüller – Teil des Hauptver­hand­lung­steams bei den Koali­tionsver­hand­lun­gen (Presse). Wir sprechen also mit­nicht­en von einem kleinen Fisch, son­dern von einem ganz zen­tralen Akteur im „3. Lager“, der auch strate­gis­che Weichen­stel­lun­gen der FPÖ mitbes­timmt. 

Bezüglich des Ein­flusses von deutschna­tionalen Burschen­schaften in der FPÖ nimmt Nemeth eine Schlüs­sel­funk­tion ein. Er ist Mit­glied bei der deutschna­tionalen, schla­gen­den Burschen­schaft „Olympia“, deren Avant­garde-Rolle in diesem Milieu hin­länglich bekan­nt ist. Auf die Ver­strick­un­gen mit dem organ­isierten Neon­azis­mus weist das DÖW seit nun­mehr 20 Jahren hin (Der­Stan­dard). Nemeth selb­st hat sich 1996 in ein­er Festschrift der „Olympia“ mit dem Neon­azi Got­tfried Küs­sel sol­i­darisiert und sich gegen das NS-Ver­bots­ge­setz aus­ge­sprochen (Pro­fil). Andreas Peham vom DÖW stre­icht her­aus, dass Nemeths Sol­i­dar­ität­serk­lärung in einem Ver­gle­ich der nation­al­sozial­is­tis­chen „Nürn­berg­er Geset­ze“ mit dem Ver­bots­ge­setz gipfelte: „Altes Unrecht wird durch neues erset­zt“ (Nemeth zit. nach Peham 2013, S.19). 

In der „Olympia“ pflegt man einen bizarren Fetisch für sin­gende Neon­azis: So waren Frank Ren­nicke (2000), Michael Müller (2003) und Jörg Häh­nel (2008) geladene Gäste bei der Verbindung. Kost­proben von deren Schaf­fen ers­paren wir den Leser_innen an dieser Stelle gerne. Zudem gab es den begrün­de­ten Ver­dacht (keines­falls zu ver­wech­seln mit dem „stich­halti­gen Gerücht“ nach Johann Gude­nus), dass der Holo­caustleugn­er David Irv­ing im Jahr 2005 zu Gast bei Olympia gewe­sen wäre, wäre da nicht seine Ver­haf­tung dazwis­chengekom­men. 

Nemeth bleibt sein­er Bande weit­er­hin treu, auch nach­dem Parteifre­und Har­ald Ste­fan erst im Juli aus­ge­treten ist (Presse) und sich die Olym­pen weit­er­hin einiger­maßen regelmäßig von ihrer braunen Seite zeigen. So war etwa im April diesen Jahres wieder ein­mal ein unzweifel­hafter Neon­azi – Ex-Chef der NPD Udo Voigt – bei der Verbindung ein­ge­laden (Fal­ter, Der­Stan­dard). Die absurde Tat­sache, dass aus­gerech­net Nemeth als partei­in­tern­er Koor­di­na­tor in der soge­nan­nten „His­torik­erkom­mis­sion“ fungiert, zeigt deut­lich, wie ernst es der FPÖ mit der Aufar­beitung ihrer Ver­gan­gen­heit ist.

An dieser Stelle soll nicht ver­schwiegen wer­den, dass Nemeth auch Roma­nau­tor ist. Das wäre einen eige­nen Artikel wert, denn über die Romane dürfte so manch­es zu erschließen sein. Ein­blicke gibt eine wohlmeinende Rezen­sion (1) bei unzensuriert.at. Dort wird der Roman „Im Schat­ten des Grac­chus“ (2015 im Ver­lag von Mölz­ers Wochen­blatt Zur Zeit erschienen) besprochen. In diesem werde „ein Stück Welt­geschichte freigelegt“, der Beginn von etwas, was man heute wieder spüre, denn: Die Welt werde „eigentlich von geheimen Mächt­en regiert“. In Nemeths Roman ste­he die Geburtsstunde dieser Entwick­lung im Zen­trum, näm­lich der „freimau­rerisch organ­isierte ‚Orden der Gle­ichen’“ im Frankre­ich des 18. Jahrhun­derts. Die dort begrün­dete „linke Weltver­schwörung“ werde „bis in unsere Tage“ weit­er geführt; Nemeth spanne den Bogen bis zur Frank­furter Schule. Seine Geschichte provoziere ein Nach­denken darüber, „wer heute weit­er an dieser Weltver­schwörung arbeit­en kön­nte“. Der Wahn von der Weltver­schwörung also; da ist Anti­semitismus meist nicht weit ent­fer­nt. Die ergrif­f­ene und pathetis­che Rezen­sion lässt zumin­d­est mut­maßen, dass Nemeth ganz gut darin ist, solche Ressen­ti­ments zu bedi­enen. 

Facebook-Auftritt Atterseekreis (Wahlflosse als Motiv im Logo)

Face­book-Auftritt Atterseekreis

Der „kon­ser­v­a­tive Rebell“

Zurück zum Atterseekreis. Kurz nach sein­er Kür zu dessen Präsi­dent hält Nemeth ein Inter­view mit der recht­sex­tremen, FPÖ-nahen Het­z­plat­tform „unzensuriert.at“ und gibt dort erste Ein­blicke in seine Arbeit. Nemeth präsen­tiert in dem Inter­view (2) das Ziel des neu über­nomme­nen Atterseekreis: Ihm schwebe die „Vision eines frei­heitlichen Alp­bach am Attersee“ vor. Man greift inzwis­chen eben nach den Ster­nen. Auf­schlussre­ich­er ist aber, dass Nemeth sein Pro­jekt expliz­it in den Dienst ein­er „kon­ser­v­a­tiv­en Kon­ter­rev­o­lu­tion“ stellt. Diese Wort­wahl ist bedeu­tungsvoll. Denn der Begriff „Kon­ser­v­a­tive Rev­o­lu­tion“ ist ein­deutig mit den intellek­tuellen Weg­bere­it­ern des Nation­al­sozial­is­mus während der Weimar­er Repub­lik kon­notiert; etwa Oswald Spen­gler, Ernst Jünger oder Carl Schmitt. Es han­delt sich dabei auch um eine Chiffre für die neurechte Mobil­isierung der Iden­titären, sowie um ein alt­bekan­ntes Bon­mot im deutschna­tionalen und völkischen Milieu, das unfehlbar auf klin­gende Ohren stoßen wird. Nemeth muss das wissen.

Teil 2 zum Attersee-Report
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Fußnoten
1 „His­torisches zum Zeit­geschehen: Im Schat­ten des Grac­chus“, Web­site von „unzensuriert.at“, zulet­zt einge­se­hen am 03.10.2018
2 „Nor­bert Nemeth zum Atterseekreis: Unser Ziel ist, ein frei­heitlich­es Alp­bach zu begrün­den“, Web­site von „unzensuriert.at“, zulet­zt einge­se­hen am 01.10.2018

Lit­er­atur
Peham, Andreas (2013): „Durch Rein­heit zur Ein­heit“. Zur Kri­tik des deutschna­tionalen Kor­po­ra­tionswe­sens in Öster­re­ich unter beson­der­er Berück­sich­ti­gung anti­semi­tis­ch­er Tra­di­tion­slin­ien und nation­al­sozial­is­tis­ch­er Bezüge. Voll­text online unter: http://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/rechtsextremismus-in-oesterreich/durch-reinheit-zur-einheit