
Als der Chef der Faschistenpartei L‑SNS (Ľudová- strana Naše Slovensko), Marian Kotleba, mit einem Stimmenanteil von 55,53 Prozent 2013 im zweiten Wahlgang zum Regionalpräsidenten der Region Banska Bystrica gewählt wurde, versuchte man es zunächst mit verharmlosenden Erklärungen wie Betriebsunfall. Dabei war schon bei diesen Regionalwahlen der extrem nationalistische Grundton im allgemeinen und bei der L‑SNS im besonderen die rassistische Hetze gegen Roma sehr auffällig:
Die sozialdemokratische Smer hatte in der ersten Runde der Regionalwahlen bereits drei von acht Regionen für sich gewonnen. Für die Stichwahlen mobilisierte sie dann die „ungarische Karte“: Premierminister Fico rief persönlich auf, dass sich in der Region Trnava die “slowakischen Parteien“ gegen den Kandidaten der ungarischen Minderheit zusammenschließen und dessen Wahl verhindern sollten. Ein deutliches Indiz dafür, dass chauvinistische und nationalistische Ressentiments eine wesentliche Rolle bei der Mobilisierung spielten. (stopptdierechten.at)
Das nationalistische Ressentiment, noch mehr aber die Verharmlosung des Rechtsextremismus durchziehen die Slowakei seit ihrer Unabhängigkeit 1993. Zwar wurde die Vorgängerpartei der L‑SNS, die „Slowakische Gemeinschaft“ (Slovenska pospolitost — SP) 2006 verboten, aber die sowohl personell als auch programmatisch faktisch idente Nachfolgerin L‑SNS blieb samt ihrem identen „Führer“ Kotleba bis zuletzt unbehelligt. Alle Strafverfahren prallten bisher an Kotleba, der in früheren Jahren kein Geheimnis daraus machte, dass er ein Nazi-Sympathisant ist, wirkungslos ab. Den historischen Gruß der slowakischen Faschisten konnte er ebenso ungestraft verwenden wie das Wort „Zigeunerparasiten“.
Das Wahlergebnis der Parlamentswahl 2016 schreckte Europa und die Slowakei kurzfristig auf. 14 von 150 Mandaten gingen an die Faschistenpartei von Kotleba. Daneben gingen Stimmen und Mandate an die aggressiv neoliberale Partei SaS von Richard Sulik und die lange Zeit rechtsextreme Partei slowakische Nationalpartei (SNS). Wie sehr das slowakische Parteiensystem insgesamt nach rechts abgedriftet ist, macht auch der Umstand deutlich, dass der ehemalige Ministerpräsident Ján Čarnogurský beim kläglichen Aufmarsch ultrarechter Christenfundis in Wien zum „Marsch für die Familie“ neben Ex-Pegida-Sprecher Nagel im Juni als Redner aufgetreten ist.
Die Kotleba-Partei orientierte sich nach ihrem bescheidenen, aber unerwarteten Wahlerfolg 2016 an einschlägigen historischen Vorbildern. Die Rhetorik wurde etwas zurückgefahren, die rechtsextreme Bürgerwehr dafür hoch. Auf die Drohungen mit einem Verbot unmittelbar nach der Wahl antwortete die Partei mit der Aufstellung einer „Bürgerwehr“, die etliche Monate sogar durch die Züge patrouillierte. Die „Zugwachen“, angeführt von einem Abgeordneten der L‑SNS, scheinen mittlerweile unterbunden, in den Parks sind die uniformierten Faschisten nach wie vor unterwegs und stänkern Roma an.

Es blieb dem slowakischen Staatspräsidenten Kiska vorbehalten, ein klares Wort zu formulieren: „Wir müssen es klar und ohne Scheu aussprechen: Kotleba ist ein Faschist.” (Spiegel)

Im Mai 2017 beantragte die Generalstaatsanwaltschaft beim Obersten Gerichtshof das Verbot der L‑SNS. Zuvor hatte im April erstmals eine Polizeirazzia bei einem Parlamentarier der Faschistenpartei stattgefunden. Der hatte unter anderem öffentlich die „Entwertung“ von Orden behauptet, weil solche an Personen jüdischer Herkunft verliehen worden seien:
Nach vier Monate andauernden Ermittlungen wurde jetzt von der NAKA formell ein Verfahren gegen Mizik wegen mehrerer extremistischer Straftaten eingeleitet. Konkret werden ihm die Herstellung extremistischer Materialien sowie Diffamierung von Nation, Rasse und Überzeugung vorgeworfen. Den Beschluss, dass er als Beschuldigter geführt wird, hatten Beamte dem Abgeordneten direkt bei einer Tagung des parlamentarischen Bildungsausschusses zugestellt, unmittelbar darauf erfolgte in seiner Anwesenheit eine stundenlange Durchsuchung seines Abgeordnetenbüros. (APA, 28.4.17)
Im März 2017 hat die Faschistenpartei, die traditionell zum Jahrestag der Gründung des von Hitler abhängigen Tiso- Marionettenstaates Gedenkveranstaltungen abhält, die Spenden an bedürftige Familien auf Spendenschecks mit der Zahl „1488“ überreicht:
Die Zahlenkombination 1488, meist als 14/88 geschrieben, gehört zu den beliebten Codes, mit denen sich Neonazis in den USA und Europa deklarieren. 88 steht für „Heil Hitler!“ (weil H der achte Buchstabe im Alphabet ist), die Zahl 14 für einen als „14 Worte“ bekannt gewordenen rassistischen Slogan zum „Schutz der weißen Rasse. (welt.de, 21.3.17)

Während die Faschistenpartei eine Provokation nach der anderen setzt, dabei aber auch auf entgegengesetzte Signale achtet (Kotleba etwa trägt mittlerweile Cord-Sakkos statt einer faschistischen Uniform) und so ihren WählerInnenanteil in Umfragen sogar ausweiten konnte, bleibt offen, wie das politische System und die Justiz mit der rechtsextremen Partei umgehen wollen. Eine Partei mit 14 Abgeordneten und 8 Prozent der Wählerstimmen kann nicht einfach mit einem Federstrich verboten werden. Viel mehr ist den anderen Parteien aber noch nicht eingefallen.