Slowakei: Die rechtsextreme Gefahr wächst

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Aus der Slo­wa­kei wird ein deut­li­cher Anstieg von Straf­ver­fah­ren wegen rechts­extre­mer Akti­vi­tä­ten gemel­det. Wie der Lei­ter der neu gegrün­de­ten Son­der­staats­an­walt­schaft gegen „Extre­mis­mus und Faschis­mus“ der Zei­tung ‚Prav­da‘ mit­teil­te, gab es im Vor­jahr 30 Straf­ver­fah­ren, heu­er bis­her schon 80. Der Staats­an­walt zeig­te sich über­rascht über die­sen Anstieg. Wir nicht, denn die faschis­ti­sche Par­tei „Volks­par­tei – Unse­re Slo­wa­kei“ (L‑SNS) hat seit 2016 8 Pro­zent WählerInnenanteil.

Marian Kotleba ( L-SNS - Ľudová- strana Naše Slovensko)

Mari­an Kot­le­ba (L‑SNS — Ľudo­vá- stra­na Naše Slovens­ko) — Quel­le: youtube

Als der Chef der Faschis­ten­par­tei L‑SNS (Ľudo­vá- stra­na Naše Slovens­ko), Mari­an Kot­le­ba, mit einem Stim­men­an­teil von 55,53 Pro­zent 2013 im zwei­ten Wahl­gang zum Regio­nal­prä­si­den­ten der Regi­on Bans­ka Bystri­ca gewählt wur­de, ver­such­te man es zunächst mit ver­harm­lo­sen­den Erklä­run­gen wie Betriebs­un­fall. Dabei war schon bei die­sen Regio­nal­wah­len der extrem natio­na­lis­ti­sche Grund­ton im all­ge­mei­nen und bei der L‑SNS im beson­de­ren die ras­sis­ti­sche Het­ze gegen Roma sehr auffällig:

„Die sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Smer hat­te in der ers­ten Run­de der Regio­nal­wah­len bereits drei von acht Regio­nen für sich gewon­nen. Für die Stich­wah­len mobi­li­sier­te sie dann die „unga­ri­sche Kar­te“: Pre­mier­mi­nis­ter Fico rief per­sön­lich auf, dass sich in der Regi­on Trna­va die “slo­wa­ki­schen Par­tei­en“ gegen den Kan­di­da­ten der unga­ri­schen Min­der­heit zusam­men­schlie­ßen und des­sen Wahl ver­hin­dern soll­ten. Ein deut­li­ches Indiz dafür, dass chau­vi­nis­ti­sche und natio­na­lis­ti­sche Res­sen­ti­ments eine wesent­li­che Rol­le bei der Mobi­li­sie­rung spiel­ten“ (Stopptdierechten.at).

Das natio­na­lis­ti­sche Res­sen­ti­ment, noch mehr aber die Ver­harm­lo­sung des Rechts­extre­mis­mus durch­zie­hen die Slo­wa­kei seit ihrer Unab­hän­gig­keit 1993. Zwar wur­de die Vor­gän­ger­par­tei der L‑SNS, die „Slo­wa­ki­sche Gemein­schaft“ (Slovens­ka pos­po­li­tost — SP) 2006 ver­bo­ten, aber die sowohl per­so­nell als auch pro­gram­ma­tisch fak­tisch iden­te Nach­fol­ge­rin L‑SNS blieb samt ihrem iden­ten „Füh­rer“ Kot­le­ba bis zuletzt unbe­hel­ligt. Alle Straf­ver­fah­ren prall­ten bis­her an Kot­le­ba, der in frü­he­ren Jah­ren kein Geheim­nis dar­aus mach­te, dass er ein Nazi-Sym­pa­thi­sant ist, wir­kungs­los ab. Den his­to­ri­schen Gruß der slo­wa­ki­schen Faschis­ten konn­te er eben­so unge­straft ver­wen­den wie das Wort „Zigeu­ner­pa­ra­si­ten“.

Das Wahl­er­geb­nis der Par­la­ments­wahl 2016 schreck­te Euro­pa und die Slo­wa­kei kurz­fris­tig auf. 14 von 150 Man­da­ten gin­gen an die Faschis­ten­par­tei von Kot­le­ba. Dane­ben gin­gen Stim­men und Man­da­te an die aggres­siv neo­li­be­ra­le Par­tei SaS von Richard Sulik und die lan­ge Zeit rechts­extre­me Par­tei slo­wa­ki­sche Natio­nal­par­tei (SNS). Wie sehr das slo­wa­ki­sche Par­tei­en­sys­tem ins­ge­samt nach rechts abge­drif­tet ist, macht auch der Umstand deut­lich, dass der ehe­ma­li­ge Minis­ter­prä­si­dent Ján Čar­no­gurs­ký beim kläg­li­chen Auf­marsch ultra­rech­ter Chris­ten­fun­dis in Wien zum „Marsch für die Fami­lie“ neben Ex-Pegi­da-Spre­cher Nagel im Juni als Red­ner auf­ge­tre­ten ist.

Die Kot­le­ba-Par­tei ori­en­tier­te sich nach ihrem beschei­de­nen, aber uner­war­te­ten Wahl­er­folg 2016 an ein­schlä­gi­gen his­to­ri­schen Vor­bil­dern. Die Rhe­to­rik wur­de etwas zurück­ge­fah­ren, die rechts­extre­me Bür­ger­wehr dafür hoch. Auf die Dro­hun­gen mit einem Ver­bot unmit­tel­bar nach der Wahl ant­wor­te­te die Par­tei mit der Auf­stel­lung einer „Bür­ger­wehr“, die etli­che Mona­te sogar durch die Züge patrouil­lier­te. Die „Zug­wa­chen“, ange­führt von einem Abge­ord­ne­ten der L‑SNS, schei­nen mitt­ler­wei­le unter­bun­den, in den Parks sind die uni­for­mier­ten Faschis­ten nach wie vor unter­wegs und stän­kern Roma an.

Schläger der Faschistenpartei  L-SNS bei einer Attacke auf einen als Rom identifizierte Person - Quelle: youtube

Schlä­ger der Faschis­ten­par­tei L‑SNS bei einer Atta­cke auf einen als Rom iden­ti­fi­zier­te Per­son — Quel­le: youtube

Es blieb dem slo­wa­ki­schen Staats­prä­si­den­ten Kis­ka vor­be­hal­ten, ein kla­res Wort zu formulieren:

„Wir müs­sen es klar und ohne Scheu aus­spre­chen: Kot­le­ba ist ein Faschist” (Spie­gel)

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Zugpatrouille der L-SNS - Quelle: youtube

Zug­pa­trouil­le der L‑SNS — Quel­le: youtube

Im Mai 2017 bean­trag­te die Gene­ral­staats­an­walt­schaft beim Obers­ten Gerichts­hof das Ver­bot der L‑SNS. Zuvor hat­te im April erst­mals eine Poli­zei­raz­zia bei einem Par­la­men­ta­ri­er der Faschis­ten­par­tei statt­ge­fun­den. Der hat­te unter ande­rem öffent­lich die „Ent­wer­tung“ von Orden behaup­tet, weil sol­che an Per­so­nen jüdi­scher Her­kunft ver­lie­hen wor­den seien:

„Nach vier Mona­te andau­ern­den Ermitt­lun­gen wur­de jetzt von der NAKA for­mell ein Ver­fah­ren gegen Mizik wegen meh­re­rer extre­mis­ti­scher Straf­ta­ten ein­ge­lei­tet. Kon­kret wer­den ihm die Her­stel­lung extre­mis­ti­scher Mate­ria­li­en sowie Dif­fa­mie­rung von Nati­on, Ras­se und Über­zeu­gung vor­ge­wor­fen. Den Beschluss, dass er als Beschul­dig­ter geführt wird, hat­ten Beam­te dem Abge­ord­ne­ten direkt bei einer Tagung des par­la­men­ta­ri­schen Bil­dungs­aus­schus­ses zuge­stellt, unmit­tel­bar dar­auf erfolg­te in sei­ner Anwe­sen­heit eine stun­den­lan­ge Durch­su­chung sei­nes Abge­ord­ne­ten­bü­ros“ (APA, 28.4.2017).

Im März 2017 hat die Faschis­ten­par­tei, die tra­di­tio­nell zum Jah­res­tag der Grün­dung des von Hit­ler abhän­gi­gen Tiso- Mario­net­ten­staa­tes Gedenk­ver­an­stal­tun­gen abhält, die Spen­den an bedürf­ti­ge Fami­li­en auf Spen­den­schecks mit der Zahl „1488“ überreicht:

„Die Zah­len­kom­bi­na­ti­on 1488, meist als 14/88 geschrie­ben, gehört zu den belieb­ten Codes, mit denen sich Neo­na­zis in den USA und Euro­pa dekla­rie­ren. 88 steht für „Heil Hit­ler!“ (weil H der ach­te Buch­sta­be im Alpha­bet ist), die Zahl 14 für einen als „14 Wor­te“ bekannt gewor­de­nen ras­sis­ti­schen Slo­gan zum „Schutz der wei­ßen Ras­se“ (Welt.de).

Kotleba (Mitte) während eines Aufmarschs der "Slowakischen Gemeinschaft" - Bildquelle: Wikimedia/Matúš Tremko, frei unter CC 4.0

Kot­le­ba (Mit­te) wäh­rend eines Auf­marschs der „Slo­wa­ki­schen Gemein­schaft” — Bild­quel­le: Wikimedia/Matúš Trem­ko, frei unter CC 4.0

Wäh­rend die Faschis­ten­par­tei eine Pro­vo­ka­ti­on nach der ande­ren setzt, dabei aber auch auf ent­ge­gen­ge­setz­te Signa­le ach­tet (Kot­le­ba etwa trägt mitt­ler­wei­le Cord-Sak­kos statt faschis­ti­scher Uni­form) und so ihren Wäh­le­rIn­nen­an­teil in Umfra­gen sogar aus­wei­ten konn­te, bleibt offen, wie das poli­ti­sche Sys­tem und die Jus­tiz mit der rechts­extre­men Par­tei umge­hen wol­len. Eine Par­tei mit 14 Abge­ord­ne­ten und 8 Pro­zent der Wäh­ler­stim­men kann man nicht ein­fach mit einem Feder­strich ver­bie­ten. Viel mehr ist den ande­ren Par­tei­en aber noch nicht eingefallen.