Eine neue Legende zum 8. Mai

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Jah­re­lang haben sich Bur­schen­schaf­ter und ande­re Rechts­extre­me aus dem blau­en Dunst­kreis am Tag der Befrei­ung vom Natio­nal­so­zia­lis­mus am Wie­ner Hel­den­platz zusam­men­ge­fun­den, um öffent­lich ihre Hel­den zu bejam­mern und die Nie­der­la­ge zu betrau­ern. Mitt­ler­wei­le hat sich die alte abge­stan­de­ne Erzäh­lung ziem­lich abge­nutzt und demas­kiert. Jetzt wird eine neue Vari­an­te her­um­ge­reicht. Nicht am Hel­den­platz, son­dern im vir­tu­el­len Raum.

Am Wie­ner Hel­den­platz haben die deutsch-völ­ki­schen Rechts­extre­men und Neo­na­zis die Aus­ein­an­der­set­zung um die Deu­tung des 8. Mai ver­lo­ren. Seit eini­gen Jah­ren fin­det dort nur mehr das „Fest der Freu­de“ zum „Tag der Befrei­ung“ statt. Das war noch vor weni­gen Jah­ren anders.

2002 droh­te der Ring Volks­treu­er Ver­bän­de, neben dem Wie­ner Kor­po­ra­ti­ons­ring (WKR) einer der Ver­an­stal­ter des jähr­li­chen rechts­extre­men Auf­mar­sches zum 8. Mai, den SPÖ-Poli­ti­kern Micha­el Häupl, Doris Bures und Josef Cap mit einer Ver­leum­dungs­kla­ge, weil die es gewagt hat­ten, den Neo­na­zi-Auf­marsch zu kritisieren.

2004 trat Heinz-Chris­ti­an Stra­che, zu die­ser Zeit noch Wie­ner Lan­des­ob­mann in der Hai­der-FPÖ, als Red­ner der Ver­an­stal­tung auf, die damals als „Hel­den­eh­rung“ kur­sier­te, griff die Wie­ner Stadt­re­gie­rung an, die im Jahr zuvor Wal­ter Nowot­ny das Ehren­grab aberkannt hat­te und stell­te fest: „Ich wer­de die­se Schief­la­ge der der­zei­ti­gen Geschichts­auf­fas­sung nicht hin­neh­men.“ (Die Pres­se, 10.05.2004)

2011 war Stra­che neu­er­lich als Red­ner ange­sagt, was die Neo­na­zis von alpen-donau.info zunächst zu Jubel­chö­ren und Stra­che selbst zur Absa­ge für die mitt­ler­wei­le in „Toten­ge­den­ken“ benann­te Ver­an­stal­tung veranlasste.

Seit 2013 fin­det am Hel­den­platz kei­ne rechts­extre­me Trau­er- bzw. Hel­den­fei­er mehr statt. Die Rechts­extre­men aus dem blau­en Dunst­kreis las­sen heu­er eine neue Vari­an­te ihrer brau­nen „Toten“- und „Helden“-Legende kur­sie­ren – auf Face­book, mit der abschlie­ßen­den Fest­stel­lung bzw. Auf­for­de­rung zur Weiterverbreitung:

„Und ich wer­de mich nicht von soge­nann­ten Gut­men­schen mund­tot machen lassen!
Ich fand es gut und hab es kopiert. Wer genau­so denkt kopiert und ver­öf­fent­licht es in sei­ner Chro­nik bzw sen­det es weiter …“

Die Erzäh­lung beginnt gleich mit einer Geschichtslüge:

„8. Mai 1945.
Öster­reich hat den schlimms­ten Krieg aller Zei­ten ver­lo­ren. Eine gan­ze Gene­ra­ti­on Män­ner ist gefal­len, ver­wun­det oder in Gefan­gen­schaft. Mil­lio­nen Frau­en, Kin­der und Alte im über 3 Jah­re dau­ern­den alli­ier­ten Bom­ben­ter­ror gestor­ben. Vie­le öster­rei­chi­sche Städ­te lie­gen in Schutt und Asche, die Hälf­te der über­le­ben­den deut­schen Bevöl­ke­rung ist obdach­los. Hun­dert­tau­sen­de deut­sche Frau­en wur­den von den Sie­gern ver­ge­wal­tigt. Es herrscht Hun­ger und unvor­stell­ba­re Not. Noch dazu wer­den Mil­lio­nen Men­schen aus ihrer Jahr­hun­der­te alten Hei­mat in grau­sam ver­trie­ben mit nichts als den Sachen auf dem Leib“.

Oben die Original-Version der revisionistichen Lüge über den 8. Mai, unten die "österreichische" Variante...

Oben die Ori­gi­nal-Ver­si­on der revi­sio­ni­sti­chen Lüge über den 8. Mai, unten die „öster­rei­chi­sche” Variante…

Öster­reich hat nicht den Zwei­ten Welt­krieg ver­lo­ren. Das war ohne Zwei­fel Nazi-Deutsch­land, auch wenn öster­rei­chi­sche Nazis flei­ßig und füh­rend dar­an mit­ge­wirkt haben. In der revi­sio­nis­ti­schen Erzäh­lung fin­det der Erobe­rungs­krieg der Nazis eben­so wenig Platz wie der Holo­caust. Statt­des­sen ist nur vom „alli­ier­ten Bom­ben­ter­ror“, von Ver­ge­wal­ti­gun­gen durch die „Sie­ger“ usw. die Rede.

Der Rest der Geschich­te ist so ver­lo­gen wie ihr Beginn. Wir spa­ren sie hier aus und ergän­zen nur, dass die „Österreich“–Variante über den 8. Mai 1945 eine Blau­pau­se der „Deutschland“-Variante ist. Sprich: Deut­sche Rechts­extre­me und Neo­na­zis haben die Geschich­te mit „Deutsch­land hat den schlimms­ten Krieg aller Zei­ten ver­lo­ren“ in Umlauf gebracht und dümm­li­che öster­rei­chi­sche Rechts­extre­me haben dar­aus eine „Österreich“-Variante gebas­telt. Dass die „Österreich“-Variante von FPÖ-Funk­tio­nä­ren wei­ter­ver­brei­tet wird, passt lei­der ins Bild die­ser Partei.