Das Problem beginnt schon bei der Definition der in dem neuen Paragraphen 246 a definierten Staatsfeindlichkeit. Justizminister Brandstetter betont zwar, dass nicht die Gesinnung bestraft wird, sondern erst die konkrete Aktivität. Aber – so Steinhauser – es „genügt bereits die Gründung einer Bewegung, die Hoheitsakte nicht anerkennt und den Zweck verfolgt gesetzwidrig die Vollziehung von Hoheitsakten zu verhindern. Dabei ist es aber gerade nicht notwendig, zur Tat zu schreiten, sondern nur gegenüber den Behörden zu manifestieren. Damit genügt schon die Ankündigung einer Verwaltungsübertretung für die Strafbarkeit“.
Damit werde aber bereits eine Gesinnung oder eine Idee strafrechtlich geahndet und Strafbarkeit im Bereich der Vorbereitung angesiedelt. Steinhauser: „Während bei einem Mord der Ankauf der Tatwaffe oder die Ankündigung nicht als Mord strafbar sei, werden bei dem geplanten § 246 a die Strafbarkeit vorverlagert“, so Steinhauser.
Der geplante § 246 a „Staatsfeindliche Bewegungen
§ 246a. (1) Wer eine Bewegung gründet oder sich in einer solchen führend betätigt, die darauf ausgerichtet ist, die Hoheitsrechte der Republik Österreich, der Bundesländer oder der Gemeinden und ihrer Organe nicht anzuerkennen oder sich solche Hoheitsbefugnisse selbst anzumaßen und deren wenn auch nicht ausschließlicher Zweck es ist, auf gesetzwidrige Weise die Vollziehung von Gesetzen, Verordnungen, oder sonstigen Entscheidungen der Behörden zu verhindern, ist, wenn sich diese Ausrichtung in einer Handlung gegenüber einer Behörde für diese eindeutig manifestiert hat, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
(2) Wer an einer solchen Bewegung teilnimmt oder sie mit Geldmitteln oder sonst in erheblicher Weise unterstützt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.
(3) Nach den vorstehenden Absätzen ist nur zu bestrafen, wer nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist.
(4) Eine Bewegung ist eine größere Zahl von Menschen, die auf die gleiche Gesinnung oder das gleiche Ziel ausgerichtet ist.
(5) Nach Abs. 1 und 2 ist nicht zu bestrafen wer sich aus der Bewegung erkennbar zurückzieht, bevor die Behörde von seinem Verschulden erfahren hat.“
Die „Bewegung“ wird als loser Zusammenschluss von ungefähr zehn Personen definiert. Dafür braucht es nicht einmal einen Organisationsgrad, es genügt bereits die nicht näher definierte Teilnahme, also das Argumentieren in ihrem Sinn oder ihre finanzielle Unterstützung.
Damit ist aber eine missbräuchliche Anwendung nicht auszuschließen. Durchaus denkbar, dass die Bestimmung künftig auch gegen zivilen Ungehorsam (MenschenrechtsaktivistInnen, UmweltschützerInnen, TierschützerInnen etc.) angewendet wird, wenn sie bestimmte hoheitliche Akte als illegitim absprechen. Es kommt nämlich nicht darauf an, die Hoheitsrechte eines Staates in seiner Gesamtheit abzulehnen.
Karl Öllinger ging in seiner Stellungnahme zunächst darauf ein, dass schon die Begrifflichkeit der „staatsfeindlichen Bewegung“, der „Staatsverweigerer“ ein Problem darstelle, weil mit ihr nicht nur die diversen reichsideologischen Bewegungen und Szenen erfasst würden, sondern auch zum Beispiel religiöse Gruppierungen wie die Zeugen Jehovas. Der Präsident der Rechtsanwaltskammer, Rupert Wolff, brachte ein anderes Beispiel: „Das Wiener Stadtoriginal Waluliso und der Kugelmugel-Errichter würden damit zwei Jahre im Gefängnis sitzen“ (APA, 5.3.2017).
Es sei zwar nicht zu leugnen, dass das Gefahrenpotenzial durch die diversen reichsideologischen Bewegungen – von den Freemen bis hin zu den scheinbar harmlos wirkenden Staatenbund-AnhängerInnen — zugenommen habe, was an dem deutlichen Anstieg von Anzeigen bzw. Ermittlungen wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt, sondern auch an Waffenfunden bzw. Verstößen gegen das Waffengesetz ablesbar sei, aber in den letzten Monaten — so Öllinger — seien Justiz und Exekutive durchaus effektiv gegen die reichsideologische Szene vorgegangen: „Nach einer sehr langen Schrecksekunde geht die Justiz mittlerweile durchaus effektiv vor“.
In den drei Monaten des Jahres 2017 seien folgende strafrechtliche Bestimmungen gegen die reichsideologische Szene in Anzeigen, Ermittlungen und Urteilen angewandt worden: Widerstand gegen die Staatsgewalt, versuchte Erpressung, (schwere) Nötigung, beharrliche Verfolgung, Amtsanmaßung, staatsfeindliche Verbindung, schwerer Betrug, betrügerische Krida, gefährliche Drohung, Urkundenfälschung, Tierquälerei und diverse Delikte im Verwaltungsstrafrecht.
In diesen ersten drei Monaten 2017 gab es folgende Prozesse bzw. Urteile:
- Krems: Martin B.(46) aus Gars/Kamp , 18 Monate teilbedingt, 6 Monate unbedingt wg. versuchter Erpressung u. versuchtem Widerstand gg. Staatsgewalt (Medien vom 31.1.17)
- Ried/Innkreis: Prozess gegen Reichsideologen (45) wg. schwerer Nötigung krankheitsbedingt vertagt (OÖN, 3.2.17)
- St.Pölten: Günter D.(42) aus Wien wg. Widerstand gg. Staatsgewalt zu 9 Monaten bedingt verurteilt (Kurier, 9.2.17)
- St. Pölten: Urteil gegen Reichsideologen Alfred S. (68, OPPT) aus St. Leonhard 13 Monate, davon 1 unbedingt wg. Widerstand gg. Staatsgewalt und gefährl. Drohung (Krone, 14.2.17)
- Ried/Innkreis: LG weist Frau aus Bezirk Braunau in Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ein (NVB, 15.217)
- Linz: Ehepaar (55 und 55) aus Waldhausen angeklagt wg. versuchten Widerstandes gg.Staatsgewalt . bedrohten Justiz mit Eintrag ins Schuldenregister UCC. Mann 12 Monate, 3 unbedingt. Frau 2.880 € Geldstrafe und 8 Monate bedingt (Krone OÖ, 21.2.17)
- Steyr: Ternberger Landwirt wg. Widerstand gg. Staatsgewalt vom LG Steyr zu 12 Monaten, davon 4 unbedingt, verurteilt (OÖN, 28.2.17)
- Wels: Hauptverhandlung gegen Freeman Joe K. wegen betrügerischer Krida (SN, 1.3.17), kein Bericht über Prozess bzw. Urteil (SN, 1.3.17)
- Krems: Prozess gg. 8 Reichsideologen, nur 3 sind erschienen, Schwere Nötigung, beharrliche Verfolgung und Amtsanmaßung angeklagt. Vertagt auf April (APA, 15.3.17)
- Feldkirch: Reichsbürger im Saal ließen Prozess gegen einen des versuchten schweren Betrugs Angeklagten platzen. Zur ersten Verhandlung im Februar war er überhaupt nicht erschienen (NVT, 17.3.17).
- Innsbruck: Angeklagt war Tirolerin, die mangels geklärter Identität festgenommen werden sollte und sich dagegen mit „Händen und Füßen“ gewehrt hatte. Zur Hälfte bedingte Geldstrafe von 960 Euro (TT 21.3. 17)
Was bei den Anzeigen bzw. Prozessen fehle, seien solche nach dem Verbotsgesetz bzw. Verhetzung, so Öllinger: „Da sollte man die Facebook-Seiten der diversen Gruppen ansehen – die quellen über vor antisemitischen und revisionistischen Statements“. Neben der konsequenten Anwendung bestehender strafrechtlicher Bestimmungen sei aber auch entscheidend, dass die Republik ihren BeamtInnen und Vertragsbediensteten optimale Unterstützung gewähre, so Öllinger. Mit der „Malta-Masche“, also dem Einbringen von irrwitzig hohen und völlig unberechtigten Geldforderungen über das US-Schuldenregister UCC und deren Abtretung an ein Inkassobüro auf der Insel Malta, sind in den letzten Monaten viele mit Delikten von Reichsideologen befasste BehördenvertreterInnen erheblich unter Druck gesetzt worden. Die Unterstützung durch die Republik sei hingegen mangelhaft bzw. zögerlich geblieben: „Die Republik hat ihre Bediensteten in dieser Causa zunächst einmal im Stich gelassen“, so Öllinger. Mittlerweile gäbe es zwar Unterstützung, doch ob die ausreichend ist, will Öllinger über eine parlamentarische Anfrage geklärt wissen.
Siehe auch: Der Standard — Reichsbürger gewinnen an Zulauf, Grüne warnen vor Gesetz