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Reichsideologen: Heftige Kritik der Grünen an geplanter Strafbestimmung

Albert Stein­hau­ser und Karl Öllin­ger, Abge­ord­ne­te der Grü­nen, setz­ten sich am Mon­tag, 27.3 mit der von der Regie­rungs­ko­ali­ti­on for­cier­ten neu­en Straf­be­stim­mung gegen staats­feind­li­che Bewe­gun­gen aus­ein­an­der. Bei­de warn­ten vor die­ser Novel­le und ver­wie­sen dar­auf, dass die Jus­tiz in den letz­ten Mona­ten durch­aus erfolg­reich gegen reichs­ideo­lo­gi­sche Bewe­gun­gen vor­ge­gan­gen sei. Not­wen­dig sei aber in die­ser Cau­sa eine deutlich […]

28. Mrz 2017

Das Pro­blem beginnt schon bei der Defi­ni­ti­on der in dem neu­en Para­gra­phen 246 a defi­nier­ten Staats­feind­lich­keit. Jus­tiz­mi­nis­ter Brand­stet­ter betont zwar, dass nicht die Gesin­nung bestraft wird, son­dern erst die kon­kre­te Akti­vi­tät. Aber – so Stein­hau­ser – es „genügt bereits die Grün­dung einer Bewe­gung, die Hoheits­ak­te nicht aner­kennt und den Zweck ver­folgt gesetz­wid­rig die Voll­zie­hung von Hoheits­ak­ten zu ver­hin­dern. Dabei ist es aber gera­de nicht not­wen­dig, zur Tat zu schrei­ten, son­dern nur gegen­über den Behör­den zu mani­fes­tie­ren. Damit genügt schon die Ankün­di­gung einer Ver­wal­tungs­über­tre­tung für die Straf­bar­keit“.

Damit wer­de aber bereits eine Gesin­nung oder eine Idee straf­recht­lich geahn­det und Straf­bar­keit im Bereich der Vor­be­rei­tung ange­sie­delt. Stein­hau­ser: „Wäh­rend bei einem Mord der Ankauf der Tat­waf­fe oder die Ankün­di­gung nicht als Mord straf­bar sei, wer­den bei dem geplan­ten § 246 a die Straf­bar­keit vor­ver­la­gert“, so Steinhauser.

Der geplan­te § 246 a „Staats­feind­li­che Bewegungen
§ 246a. (1) Wer eine Bewe­gung grün­det oder sich in einer sol­chen füh­rend betä­tigt, die dar­auf aus­ge­rich­tet ist, die Hoheits­rech­te der Repu­blik Öster­reich, der Bun­des­län­der oder der Gemein­den und ihrer Orga­ne nicht anzu­er­ken­nen oder sich sol­che Hoheits­be­fug­nis­se selbst anzu­ma­ßen und deren wenn auch nicht aus­schließ­li­cher Zweck es ist, auf gesetz­wid­ri­ge Wei­se die Voll­zie­hung von Geset­zen, Ver­ord­nun­gen, oder sons­ti­gen Ent­schei­dun­gen der Behör­den zu ver­hin­dern, ist, wenn sich die­se Aus­rich­tung in einer Hand­lung gegen­über einer Behör­de für die­se ein­deu­tig mani­fes­tiert hat, mit Frei­heits­stra­fe bis zu zwei Jah­ren zu bestrafen.
(2) Wer an einer sol­chen Bewe­gung teil­nimmt oder sie mit Geld­mit­teln oder sonst in erheb­li­cher Wei­se unter­stützt, ist mit Frei­heits­stra­fe bis zu einem Jahr oder mit Geld­stra­fe bis zu 720 Tages­sät­zen zu bestrafen.
(3) Nach den vor­ste­hen­den Absät­zen ist nur zu bestra­fen, wer nicht nach einer ande­ren Bestim­mung mit stren­ge­rer Stra­fe bedroht ist.
(4) Eine Bewe­gung ist eine grö­ße­re Zahl von Men­schen, die auf die glei­che Gesin­nung oder das glei­che Ziel aus­ge­rich­tet ist.
(5) Nach Abs. 1 und 2 ist nicht zu bestra­fen wer sich aus der Bewe­gung erkenn­bar zurück­zieht, bevor die Behör­de von sei­nem Ver­schul­den erfah­ren hat.“

Die „Bewe­gung“ wird als loser Zusam­men­schluss von unge­fähr zehn Per­so­nen defi­niert. Dafür braucht es nicht ein­mal einen Orga­ni­sa­ti­ons­grad, es genügt bereits die nicht näher defi­nier­te Teil­nah­me, also das Argu­men­tie­ren in ihrem Sinn oder ihre finan­zi­el­le Unterstützung.

Damit ist aber eine miss­bräuch­li­che Anwen­dung nicht aus­zu­schlie­ßen. Durch­aus denk­bar, dass die Bestim­mung künf­tig auch gegen zivi­len Unge­hor­sam (Men­schen­rechts­ak­ti­vis­tIn­nen, Umwelt­schüt­ze­rIn­nen, Tier­schüt­ze­rIn­nen etc.) ange­wen­det wird, wenn sie bestimm­te hoheit­li­che Akte als ille­gi­tim abspre­chen. Es kommt näm­lich nicht dar­auf an, die Hoheits­rech­te eines Staa­tes in sei­ner Gesamt­heit abzulehnen.

Karl Öllin­ger ging in sei­ner Stel­lung­nah­me zunächst dar­auf ein, dass schon die Begriff­lich­keit der „staats­feind­li­chen Bewe­gung“, der „Staats­ver­wei­ge­rer“ ein Pro­blem dar­stel­le, weil mit ihr nicht nur die diver­sen reichs­ideo­lo­gi­schen Bewe­gun­gen und Sze­nen erfasst wür­den, son­dern auch zum Bei­spiel reli­giö­se Grup­pie­run­gen wie die Zeu­gen Jeho­vas. Der Prä­si­dent der Rechts­an­walts­kam­mer, Rupert Wolff, brach­te ein ande­res Bei­spiel: „Das Wie­ner Stadt­ori­gi­nal Walu­li­so und der Kugelmu­gel-Errich­ter wür­den damit zwei Jah­re im Gefäng­nis sit­zen“ (APA, 5.3.2017).

Schon der lose Kontakt mit einer "staatsverweigernden" Gruppe soll reichen um unter die Strafnorm zu fallen...
Schon der lose Kon­takt mit einer „staats­ver­wei­gern­den” Grup­pe soll rei­chen um unter die Straf­norm zu fallen…

Es sei zwar nicht zu leug­nen, dass das Gefah­ren­po­ten­zi­al durch die diver­sen reichs­ideo­lo­gi­schen Bewe­gun­gen – von den Free­men bis hin zu den schein­bar harm­los wir­ken­den Staa­ten­bund-Anhän­ge­rIn­nen — zuge­nom­men habe, was an dem deut­li­chen Anstieg von Anzei­gen bzw. Ermitt­lun­gen wegen Wider­stan­des gegen die Staats­ge­walt, son­dern auch an Waf­fen­fun­den bzw. Ver­stö­ßen gegen das Waf­fen­ge­setz ables­bar sei, aber in den letz­ten Mona­ten — so Öllin­ger — sei­en Jus­tiz und Exe­ku­ti­ve durch­aus effek­tiv gegen die reichs­ideo­lo­gi­sche Sze­ne vor­ge­gan­gen: „Nach einer sehr lan­gen Schreck­se­kun­de geht die Jus­tiz mitt­ler­wei­le durch­aus effek­tiv vor“.

In den drei Mona­ten des Jah­res 2017 sei­en fol­gen­de straf­recht­li­che Bestim­mun­gen gegen die reichs­ideo­lo­gi­sche Sze­ne in Anzei­gen, Ermitt­lun­gen und Urtei­len ange­wandt wor­den: Wider­stand gegen die Staats­ge­walt, ver­such­te Erpres­sung, (schwe­re) Nöti­gung, beharr­li­che Ver­fol­gung, Amts­an­ma­ßung, staats­feind­li­che Ver­bin­dung, schwe­rer Betrug, betrü­ge­ri­sche Kri­da, gefähr­li­che Dro­hung, Urkun­den­fäl­schung, Tier­quä­le­rei und diver­se Delik­te im Verwaltungsstrafrecht.

In die­sen ers­ten drei Mona­ten 2017 gab es fol­gen­de Pro­zes­se bzw. Urteile:

  • Krems: Mar­tin B.(46) aus Gars/Kamp , 18 Mona­te teil­be­dingt, 6 Mona­te unbe­dingt wg. ver­such­ter Erpres­sung u. ver­such­tem Wider­stand gg. Staats­ge­walt (Medi­en vom 31.1.17)
  • Ried/Innkreis: Pro­zess gegen Reichs­ideo­lo­gen (45) wg. schwe­rer Nöti­gung krank­heits­be­dingt ver­tagt (OÖN, 3.2.17)
  • St.Pölten: Gün­ter D.(42) aus Wien wg. Wider­stand gg. Staats­ge­walt zu 9 Mona­ten bedingt ver­ur­teilt (Kurier, 9.2.17)
  • St. Pöl­ten: Urteil gegen Reichs­ideo­lo­gen Alfred S. (68, OPPT) aus St. Leon­hard 13 Mona­te, davon 1 unbe­dingt wg. Wider­stand gg. Staats­ge­walt und gefährl. Dro­hung (Kro­ne, 14.2.17)
  • Ried/Innkreis: LG weist Frau aus Bezirk Brau­nau in Anstalt für geis­tig abnor­me Rechts­bre­cher ein (NVB, 15.217)
  • Linz: Ehe­paar (55 und 55) aus Wald­hau­sen ange­klagt wg. ver­such­ten Wider­stan­des gg.Staatsgewalt . bedroh­ten Jus­tiz mit Ein­trag ins Schul­den­re­gis­ter UCC. Mann 12 Mona­te, 3 unbe­dingt. Frau 2.880 € Geld­stra­fe und 8 Mona­te bedingt (Kro­ne OÖ, 21.2.17)
  • Steyr: Tern­ber­ger Land­wirt wg. Wider­stand gg. Staats­ge­walt vom LG Steyr zu 12 Mona­ten, davon 4 unbe­dingt, ver­ur­teilt (OÖN, 28.2.17)
  • Wels: Haupt­ver­hand­lung gegen Free­man Joe K. wegen betrü­ge­ri­scher Kri­da (SN, 1.3.17), kein Bericht über Pro­zess bzw. Urteil (SN, 1.3.17)
  • Krems: Pro­zess gg. 8 Reichs­ideo­lo­gen, nur 3 sind erschie­nen, Schwe­re Nöti­gung, beharr­li­che Ver­fol­gung und Amts­an­ma­ßung ange­klagt. Ver­tagt auf April (APA, 15.3.17)
  • Feld­kirch: Reichs­bür­ger im Saal lie­ßen Pro­zess gegen einen des ver­such­ten schwe­ren Betrugs Ange­klag­ten plat­zen. Zur ers­ten Ver­hand­lung im Febru­ar war er über­haupt nicht erschie­nen (NVT, 17.3.17).
  • Inns­bruck: Ange­klagt war Tiro­le­rin, die man­gels geklär­ter Iden­ti­tät fest­ge­nom­men wer­den soll­te und sich dage­gen mit „Hän­den und Füßen“ gewehrt hat­te. Zur Hälf­te beding­te Geld­stra­fe von 960 Euro (TT 21.3. 17)
Die Reichsideologen-Gruppe "Deutscher Widerstand" unterhält sich über Möglichkeiten des Waffenkaufs...
Die Reichs­ideo­lo­gen-Grup­pe „Deut­scher Wider­stand” unter­hält sich über Mög­lich­kei­ten des Waffenkaufs…

Was bei den Anzei­gen bzw. Pro­zes­sen feh­le, sei­en sol­che nach dem Ver­bots­ge­setz bzw. Ver­het­zung, so Öllin­ger: „Da soll­te man die Face­book-Sei­ten der diver­sen Grup­pen anse­hen – die quel­len über vor anti­se­mi­ti­schen und revi­sio­nis­ti­schen State­ments“. Neben der kon­se­quen­ten Anwen­dung bestehen­der straf­recht­li­cher Bestim­mun­gen sei aber auch ent­schei­dend, dass die Repu­blik ihren Beam­tIn­nen und Ver­trags­be­diens­te­ten opti­ma­le Unter­stüt­zung gewäh­re, so Öllin­ger. Mit der „Mal­ta-Masche“, also dem Ein­brin­gen von irr­wit­zig hohen und völ­lig unbe­rech­tig­ten Geld­for­de­run­gen über das US-Schul­den­re­gis­ter UCC und deren Abtre­tung an ein Inkas­so­bü­ro auf der Insel Mal­ta, sind in den letz­ten Mona­ten vie­le mit Delik­ten von Reichs­ideo­lo­gen befass­te Behör­den­ver­tre­te­rIn­nen erheb­lich unter Druck gesetzt wor­den. Die Unter­stüt­zung durch die Repu­blik sei hin­ge­gen man­gel­haft bzw. zöger­lich geblie­ben: „Die Repu­blik hat ihre Bediens­te­ten in die­ser Cau­sa zunächst ein­mal im Stich gelas­sen“, so Öllin­ger. Mitt­ler­wei­le gäbe es zwar Unter­stüt­zung, doch ob die aus­rei­chend ist, will Öllin­ger über eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge geklärt wissen.

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