Was bisher geschah
Bereits Ende August hatte jener Prozess begonnen, der nun sein Ende fand. Wie Stoppt die Rechten bereits berichtete, waren den drei Angeklagten unterschiedliche Verstöße gegen das Verbotsgesetz (Besitz von NS-Devotionalien, einschlägige Tattoos, Propagierung von NS-Symbolen, Beteiligung an „Nationalen Liederabenden“ etc.) vorgeworfen worden. Nachdem beim ersten Termin vor allem die Angeklagten selbst vernommen worden waren, standen beim zweiten die Aussagen jener Gäste im Mittelpunkt, die sich an dem Abend im Stüberheim befunden hatten, der durch die WEGA gestürmt worden war. Weil mehrere Zeug_innen an den bisherigen Prozessterminen nicht erschienen waren, sollten diese am 26. Jänner 2017 bei einem weiteren Verhandlungstag ihre Aussagen machen. So hatte sich beispielsweise die „Hauptbelastungszeugin“ – wohl aufgrund des Bedrohungspotentials durch andere, in der Szene einschlägig bekannte Zeug_innen – erst beim dritten Termin blicken lassen. Sie hatte Doro Müller über Facebook kennengelernt und dann in der gleichen Firma wie sie für knapp zwei Jahre zu arbeiten begonnen. In dieser Zeit wäre sie von der Angeklagten zu einem Blood & Honour Konzert in Ungarn eingeladen worden sowie zu mehreren Abenden in jene Kellerlokale, die auch Gegenstand der Verhandlung waren. Im Rahmen eines Grillabends bei den Müllers hätte sie zudem beispielsweise NS-Devotionalien in deren Keller gesehen und auch rassistische Äußerungen vernommen. Obwohl die Zeugin auch bei einem der „Liederabende“, laut eigenen Angaben „under Cover“, vor Ort gewesen war, konnte sie nur bedingt Aufklärung in die Angelegenheit bringen. Erinnerungslücken, widersprüchliche Aussagen sowie eine eigene Anklage und Verurteilung wegen Wiederbetätigung schmälerten ihre Glaubwürdigkeit.
Erneut: Von Nichts gewusst
Auch die weiteren noch ausständigen Zeug_innen — darunter etwa ein Ehepaar, das ihren eigenen Angaben zufolge, nach ihrer Hochzeit auf Einladung von Andreas „Zwetschke“ Zepke im Keller „vorbei geschaut“ hatte — sagten im Grunde genommen das beinahe zu Wortgleiche aus, wie die zahlreichen Entlastungszeug_innen davor: Niemandem war etwas Seltsames aufgefallen, niemand hätte Kordas und Müller singen gehört, manche hätten gewusst, dass in dem Kellerlokal vorrangig Angehörige der rechten Szene verkehren, anderen wiederum sei das nicht aufgefallen. Obwohl sich kaum eine_r wirklich für Fußball interessiere, seien die meisten zum Fußball schauen oder Bier trinken in den Keller gekommen, keine_r jedoch für einen Liederabend. Dies verwunderte ein weiteres Mal, da Kordas und Rolf Kai Müller davor bereits zugegeben hatten, dass sie an dem besagten Abend „Fußballstimmungslieder“ hätten spielen wollen. Dies bestätigte auch der sich in Haft befindende Lebensgefährte von Kordas, der beim zweiten Verhandlungstag aussagte, dass „der Müller hätte Musik machen sollen“ und „die Isi hat die Gitarre auch kurz in die Hand genommen“.
Ein „Highlight“ des dritten Prozesstages stellte außerdem die Videokonferenz mit Kordas Exfreund, Philip Tschenscher, dar, der aus einem deutschen Gericht zugeschalten wurde. Er bestätigte letztlich genau das, was Kordas selbst bereits ausgesagt hatte: Die Liedermappe mit den menschenverachtetenden Texten wäre seine gewesen. Er hätte sie in dem Kellerlokal vergessen und in der Zeit ihrer Beziehung (von 2006 bis 2009) habe sich Kordas nie als Sängerin hervor getan. Sie habe hin und wieder privat eine Gitarre in die Hand genommen aber nie öffentlich.
Entlastungen?
Kordas baute in der Verhandlungen erneut auf eine für Frauen in rechtsextremen Spektren typische Verteidigungsstrategie: Den gesamten Prozess versuchte sie sich als Mitläuferin darzustellen, die sich durch die Liebe zu Tschenscher, einem rechtsextremen Mann, verblenden und durch Naivität zu mancher Dummheit hinreissen ließ, aber nach der Beendigung der Beziehung nichts mehr mit der Szene zu hätte. Diesen mindestens ebenso naiven Zugang, Frauen als Mitläuferinnen darzustellen, verfolgte im Übrigen auch der fragwürdige Staatsanwalt, der in seinem Abschlussplädoyer u.a. davon sprach, dass der erstangeklagte Mann tief drinnen in der Szene sitze, es sich bei den anderen um Frauen handle und das bei der Strafbemessung zu berücksichtigen sei. Nach wie vor bestehender Kontakt von Kordas zu Angehörigen der Szene, die Anwesenheit an den besagten Abenden in den Kellerlokalen, einschlägige Tattoos sowie auch ihr aktueller Lebensgefährte sprechen jedoch bislang anderes. Nun verkündeten sowohl Kordas Anwältin als auch die Angeklagte selbst, dass sie begonnen hätte, sich die Tattoos (eine schwarze Sonne und ein SS-Totenkopf) zu „covern“. Ob sie wirklich, wie ebenfalls verlautbart, „ein anderes Leben“ führt, bleibt angesichts der oben genannten Indizien fraglich. Auch der Richter merkte an, dass das „Covern“ des Tattoos zwar löblich sei, aber nichts am Umstand ändere, dass sie diese in der Vergangenheit gut sichtbar getragen und Fotos von sich mit den Tattoos verbreitet habe.
Abschlussplädoyers und Strafen
Gegen Ende der Verhandlung sorgten weniger die Abschlussplädoyers der Verteidiger_innen für Verwunderung als eine Rede des Staatsanwalts, in der er auf höchste bedenkliche Weise gegen das Verbotsgesetz und für vermeintliche Meinungsfreiheit wetterte. In seinem Prozessabschluss fragte er nämlich, ob es wirklich notwendig sei, „wegen derartigen Delikten, die jetzt nicht unbedingt Kapitalverbrechen sind, so ein Theater zu machen“ — schließlich würden wir in einem Staat leben, in dem Meinungsfreiheit herrsche. Entsprechend klang es eher nach Bedauern, dass „solange der Staat das Gesetz nicht ändert, […] es eben zu ahnden“ sei. Küssel-Anwalt, Michael Dohr, wiederum versuchte in seinem Abschlussplädoyer zur Verteidigung des Ehepaar Müller das Gesetz so zu interpretieren, dass es darum ginge, die Wiedererrichtung der NSDAP zu verhindern oder die Aktualisierung des Gedankengut. Ob die Angeklagten tatsächlich dieses Ziel verfolgt hätten, gab er den Geschworenen zur Beantwortung der von den Richter_innen gestellten Fragen mit. Abschließend fragte auch Kordas Anwältin, ob es sich beim Verbotsgesetz um „Gesinnungsstrafrecht oder Handlungsstrafrecht“ handeln würde.
Die Angeklagten selbst hatten einerseits immer wieder versucht, sich als „einfache Rechte“ zu inszenieren oder behauptet, dass sie mit der rechten Szene nichts (mehr) zu tun hätten. Gerade die Höhe der Bewährungsstrafen lässt jedoch darauf schließen, dass die Geschworenen sich von dieser Selbstdarstellung wohl doch nicht so ganz überzeugen ließen. Immerhin wurden alle drei zu einer auf drei Jahre bedingten Freiheitsstrafe nach § 3g des Verbotsgesetzes verurteilt: Kai Rolf Müller bekam 18 Monate, Isabella Kordas 16 Monate und Dorothee Müller 15 Monate. Mildernd war hinzu gekommen, dass alle drei Angeklagten bislang unbescholten waren, erschwerend jedoch, dass sie sich nicht geständig gezeigt hatten.
Leider bestätigte sich auch bei diesem Prozess die von Stoppt die Rechten seit einiger Zeit beklagte Entwicklung, dass Neonazi-Prozesse in österreichischen Tageszeitungen offensichtlich keine_n mehr interessieren dürften. Abermals glänzten diese weniger durch aufmerksame oder kritische Berichtserstattung als durch Abwesenheit.
➡️ Teil 1: Rocker Rolf raunt
➡️ Teil 2: Ein ganz normaler Abend im Stüber-Heim