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Weiter Kritik an Ermittlungs-Ende gegen FPÖ-Deimek wegen Verhetzung

Wir haben am 20. Dezem­ber 2016 bereits dar­über berich­tet: Die Ein­stel­lung der Ermitt­lun­gen gegen den Abge­ord­ne­ten zum Natio­nal­rat Ger­hard Deimek (FPÖ) zieht eini­ges an Kri­tik auf sich. In den letz­ten Tagen haben sich noch­mals das Mau­t­hau­­sen-Komi­­tee (MKÖ) und Harald Wal­ser mit Pres­se­aus­sen­dun­gen zu Wort gemel­det. Wal­ser: Ver­fah­rens­ein­stel­lung gegen FPÖ-Deimek wegen Ver­het­zung nicht nach­voll­zieh­bar — Grü­ne bringen […]

29. Dez 2016

Gerhard Deimek (re.) bei einer FPÖ-Pressekonferenz... - Bildquelle: Wikipedia/Cicero39, frei unter CC 3.0
Ger­hard Deimek (re.) bei einer FPÖ-Pres­se­kon­fe­renz… — Bild­quel­le: Wikipedia/Cicero39, frei unter CC 3.0

Wal­ser: Ver­fah­rens­ein­stel­lung gegen FPÖ-Deimek wegen Ver­het­zung nicht nach­voll­zieh­bar — Grü­ne brin­gen par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge an Jus­tiz­mi­nis­ter ein

Wien (OTS) — „Ich kann nur den Kopf schüt­teln über die Ein­stel­lung des Ver­fah­rens gegen FPÖ-Deimek wegen Ver­het­zung“, zeigt sich der Grü­ne Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te Harald Wal­ser ver­wun­dert über die Staats­an­walt­schaft Steyr. Die­se hat­te argu­men­tiert, es sei nicht erwie­sen, dass Deimek einen Hass­ar­ti­kel über „dau­er­gei­le Bar­ba­ren“ zur Gän­ze gele­sen habe, und das Ver­fah­ren „im Zwei­fel“ ein­ge­stellt. „Wenn ein Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ter einen Arti­kel öffent­lich zur Lek­tü­re emp­fiehlt, geht jeder ver­nünf­ti­ge Mensch davon aus, dass er ihn auch gele­sen hat. Die Begrün­dung der Staats­an­walt­schaft ist abenteuerlich.“

Wal­ser stellt daher eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge an den Jus­tiz­mi­nis­ter und möch­te von die­sem ins­be­son­de­re wis­sen, wel­che kon­kre­ten Umstän­de trotz die­ser aus­drück­li­chen Lese­auf­for­de­rung dar­an zwei­feln las­sen, dass der Beschul­dig­te selbst den Arti­kel gele­sen hat: „Der Minis­ter soll­te auch beant­wor­ten, war­um die Staats­an­walt­schaft die Beweis­fra­gen nicht im Rah­men der Haupt­ver­hand­lung von einem unab­hän­gi­gen Gericht klä­ren las­sen wollte.“

Schließ­lich ver­wei­sen die Grü­nen auch auf den neu ein­ge­führ­ten § 283 Abs. 4 StGB: „Er wur­de auch des­halb ein­ge­führt, weil zuvor die Vor­satz­fra­gen im Zusam­men­hang mit dem Ver­het­zungs­tat­be­stand viel­fach Pro­ble­me berei­tet haben“, sagt Wal­ser und wei­ter: „Mit der neu­en Bestim­mung wur­de daher spe­zi­ell die gut­hei­ßen­de Wei­ter­ver­brei­tung ver­het­zen­den Mate­ri­als unter Stra­fe gestellt. Wie sich jetzt her­aus­stellt, steht die Jus­tiz mit der vor­lie­gen­den Inter­pre­ta­ti­on die­ses Para­gra­phen neu­er­lich vor einer nahe­zu unlös­ba­ren Beweis­fra­ge. Ein Beschul­dig­ter muss nur bestrei­ten, die von ihm ver­brei­te­ten, ver­het­zen­den Tex­te gele­sen zu haben. Wenn das wirk­lich so sein soll­te, braucht es eine neu­er­li­che Reform des Ver­het­zungs­pa­ra­gra­phen.“ (Quel­le: OTS/APA)

MKÖ pro­tes­tiert bei Jus­tiz­mi­nis­ter Brand­stet­ter: „Zwei-Klas­sen-Jus­tiz bei Gas­kam­mer­leug­nung und ras­sis­ti­scher Het­ze” — Unzu­rech­nungs­fä­hig­keits­ver­mu­tung für FPÖ-Abgeordnete?

Wien (OTS) — Erst Ende Novem­ber haben Ver­tre­te­rIn­nen des Maut­hau­sen Komi­tees Öster­reich (MKÖ) mit Jus­tiz­mi­nis­ter Wolf­gang Brand­stet­ter den Fall des Wel­ser Rechts­an­walts dis­ku­tiert, der vor Gericht die Ver­ga­sun­gen im Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Maut­hau­sen geleug­net hat­te. Das Straf­ver­fah­ren gegen den Rechts­an­walt wur­de durch den Wei­sungs­rat been­det. Die­se Ent­schei­dung war und ist für das Maut­hau­sen Komi­tee nicht nach­voll­zieh­bar. „Ein Durch­schnitts­bür­ger ohne gute Bezie­hun­gen wäre jeden­falls nicht auf sol­che Wei­se der Straf­ver­fol­gung ent­zo­gen wor­den“, sagt MKÖ-Vor­sit­zen­der Wil­li Mernyi.

Nun pro­tes­tiert das Maut­hau­sen Komi­tee beim Jus­tiz­mi­nis­ter wegen eines ähn­li­chen Falls: Der Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te Ger­hard Deimek (FPÖ) hat­te einen ras­sis­ti­schen Text, in dem u.a. von „dau­er­gei­len Bar­ba­ren“ die Rede ist, mit einem zustim­men­den Kom­men­tar via Twit­ter ver­brei­tet. Des­halb setz­te die Staats­an­walt­schaft Steyr die Auf­he­bung sei­ner Immu­ni­tät durch und ermit­tel­te gegen ihn wegen Ver­het­zung. Doch kürz­lich wur­de das Straf­ver­fah­ren nach lan­gem Hin und Her zwi­schen Staats­an­walt­schaft, Ober­staats­an­walt­schaft und Minis­te­ri­um „im Zwei­fel“ ein­ge­stellt. Faden­schei­ni­ge Begrün­dung: Man habe nicht nach­wei­sen kön­nen, dass der blaue Abge­ord­ne­te den gesam­ten von ihm zustim­mend kom­men­tier­ten und ver­brei­te­ten Text vor­her gele­sen habe! „Bedeu­tet das, dass für FPÖ-Poli­ti­ker nicht nur die Unschulds‑, son­dern auch die Unzu­rech­nungs­fä­hig­keits­ver­mu­tung gilt?“, will Mer­nyi von Brand­stet­ter wissen.

Bei einem Durch­schnitts­bür­ger wür­de die Jus­tiz selbst­ver­ständ­lich davon aus­ge­hen, dass er nur dann einen Text posi­tiv bewer­tet und an vie­le Leu­te wei­ter­schickt, wenn er ihn vor­her sinn­erfas­send gele­sen hat. Bei einem FPÖ-Abge­ord­ne­ten muss das offen­bar geson­dert bewie­sen wer­den. Aller­dings lässt sich ein der­ar­ti­ger Beweis kaum führen:
Dafür müss­te ein glaub­wür­di­ger Zeu­ge nicht nur den Lese­vor­gang, son­dern auch eine danach erfolg­te zutref­fen­de Wie­der­ga­be des Text­sinns bestä­ti­gen kön­nen. Die­se Anfor­de­rung ist mehr als unrea­lis­tisch. „Die Ver­ren­kung wirkt so, als sei zuerst das Ergeb­nis Ver­fah­rens­ein­stel­lung fest­ge­stan­den und dann krampf­haft nach einer Begrün­dung gesucht wor­den“, betont Mer­nyi. „Da fragt man sich schon, was hin­ter den Kulis­sen an Inter­ven­tio­nen statt­ge­fun­den hat.“

Das Maut­hau­sen Komi­tees Öster­reich (MKÖ), das das Ver­mächt­nis der KZ-Über­le­ben­den wei­ter­trägt, lehnt eine Zwei-Klas­sen-Jus­tiz, wie sie hier in Fäl­len von Gas­kam­mer­leug­nung und ras­sis­ti­scher Het­ze prak­ti­ziert wur­de, auf das Schärfs­te ab. Sol­che ekla­tan­ten Fehl­leis­tun­gen sind geeig­net, die Glaub­wür­dig­keit und Akzep­tanz der Straf­rechts­pfle­ge nach­hal­tig zu schädigen.

„Wir rich­ten an Bun­des­mi­nis­ter Brand­stet­ter den drin­gen­den Appell, alles zu tun, damit es zu kei­nen gleich­heits­wid­ri­gen Bevor­zu­gun­gen mehr kommt!“, schließt der MKÖ-Vor­sit­zen­de. (Quel­le: OTS/APA)

Wei­te­re Arti­kel zu Deimek:

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