Dem Klubobmann der FPÖ im Grazer Gemeinderat, Armin Sippel, blieb es vorbehalten, bei der Vorstellung darauf hinzuweisen, dass bei den weiteren Kandidaten nicht der Promi-Faktor, sondern Qualifikation den Ausschlag gegeben habe. Diese Qualifikation war bei einigen Kandidaten offensichtlich sehr einschlägig. Das beginnt schon beim Spitzenkandidaten, Stadtrat Mario Eustacchio.
Im letzten Gemeinderatswahlkampf 2012 hatte ihm die ÖVP in einem offenen Brief listig die Fragen gestellt, ob er in seiner Jugend gewalttätig gewesen sei und ob er rechtsextreme Kontakte habe. Die gewalttätige Vergangenheit leugnete Mario Eustacchio nicht, sondern gab zu, „dass es vor 32 Jahren eine Vorstrafe wegen Körperverletzung gegeben hat“ (Krone Stmk, 16.11.2012). Außerdem, so Eustacchio, habe jeder eine zweite Chance verdient. Da hat er zweifellos Recht, allerdings sollte man sie nutzen!
Bei der Frage nach seiner rechtsextremen Gegenwart tat sich Eustacchio schon etwas schwerer. Im Jahr zuvor hatten ihn die Alpen-Mur-Neonazis in einem der letzten Beiträge vor dem Absterben von alpen-donau.info als Festredner der Sonnwendfeier 2011 des Wiener Korporationsringes (WKR) am Kobenzl ankündigen dürfen. Wir schrieben damals: „Auffällig ist, dass diesmal jedes kritische Wort in Richtung FPÖ bzw. zu Eustacchio fehlt: Er wird so wie der WKR und die ÖLM für den Aufbau des Deutschen Reiches vereinnahmt.“
Wirklich entschieden hat sich Eustacchio, Alter Herr der deutschvölkischen Burschenschaft Stiria, nicht gegen die Umarmung gewehrt. Wie denn auch? Auf Facebook war er damals mit heftigen Typen befreundet – auch solchen aus dem Umfeld von alpen-donau.info, und im November 2015 demonstrierte er gemeinsam mit Identitären und Neonazis in Spielfeld gegen Flüchtlinge.
Zeit für eine Überleitung zu Armin Sippel, dem Klubobmann der FPÖ im Gemeinderat. Was ihn mit Eustacchio verbindet, ist das Deutsch-Völkische, das Sippel zeitweise auch ganz offen demonstriert, indem er sein FB-Profil mit der deutschen Fahne schmückte. Während Eustacchio bei der Stiria korporiert ist, ist Sippels Verbindung die Marko-Germania Graz. Dort sind auch einige andere schwere Kaliber zuhause, die noch vor wenigen Jahren Neonazis waren, jetzt aber identitär glänzen möchten.
Als 2009 der „Falter“ darüber berichtete, dass ein gewisser Armin Sippel beim neonazistischen „Aufruhr“-Versand eine Bestellung getätigt hatte, ein T‑Shirt mit dem Aufdruck „Nationalist“ und „Ehre – Freiheit – Vaterland“ und ein schickes Polo-Shirt mit dem Aufdruck „Germania“ und der „88“ am Kragen, dementierte Sippel heftig – er sei das nicht gewesen.
Ungünstig war, dass ausgerechnet sein Leitwolf Richard Pfingstl, bekennender alpen-donau.info-Mann, für Sippel in die Tasten griff und im Namen des RFJ Graz ein Mail an APA und Kleine Zeitung verschickte, in dem er über „Feindmächte“ und „Drogenneger“ wetterte und dem Falter, der sich „aufgrund seiner ethnischen Zusammensetzung gar nicht mit den echten Österreichern identifizieren“ könne, eine „Nasen- und Anuskontrolle“ empfahl (Falter Nr. 6/2009). Pfingstl hat diese angeblich nicht abgesprochene Aussendung die RFJ-Mitgliedschaft gekostet, Sippel wurde von Eustacchio in Schutz genommen.
„Rechts von ihm ist nur noch der Abgrund“, zitiert die Kleine Zeitung (15.3.2008) einen FPÖ-Funktionär zu Sippel, der damals auch Mitglied in der Gruppe „Deutsch-Österreich, du herrliches Land!“ im studentischen Netzwerk „StudiVZ“ war. Und weiter hieß es damals:
„Sippel ist noch in weiteren Gruppen auf studiVZ aktiv, die seine Einstellung gegenüber Deutschen und Frauen widerspiegeln: „Frauen an die Macht! Macht Essen, macht Kaffee, macht sauber”; „Deutsche Frauen, deutsches Bier, Schwarz-Rot-Gold, ich steh zu dir!”; „Scheiße, dass man Bier nicht ficken kann.”
Natürlich hat Armin Sippel dafür auch eine Erklärung. Vermutlich auch für seine aktuelle FB-Freundesliste, in der als Perlen etliche Identitäre und auch einige Neonazis versteckt sind. Wir tippen auf „durchgerutscht“!
Bei Heinrich Sickl, einem weiteren Kandidaten der FPÖ Graz ist es schon schwieriger mit dem „durchgerutscht“. Der Recherche Graz und anderen Quellen verdanken wir die Erkenntnis, dass Heinrich Sickl seinen ersten Ausrutscher schon länger hinter sich hat. In den 1990er-Jahren war er Mitglied bei der neonazistischen „Nationalistische Front“. Natürlich ist auch der Sohn der Kurzzeit-FPÖ-Sozialministerin Elisabeth Sickl ein „bewehrter“ Burschenschafter (Tigurina Feldkirchen, Arminia Graz) und ein enger, ja durchaus sehr sehr enger Freund vieler Identitärer, denen er in Graz für das „Identitäre Zentrum“ Räumlichkeiten vermietet hat.
Man könnte deshalb der Ansicht sein, dass auch Sickl seine zweite Chance bereits verspielt hat, aber es gibt im Bewährungsteam der FPÖ noch andere Kandidaten für die zweite Chance: etwa Michael Winter, den Sohn der mittlerweile aus der FPÖ ausgeschlossenen Mandatarin Susanne Winter. Die war bis 2008 Spitzenfunktionärin der Grazer FPÖ, musste die Stafette aber wegen hetzerischer Äußerungen, für die sie auch verurteilt wurde, an Mario Eustacchio übergeben. Ihr Sohn Michael war zuvor schon wegen Verhetzung zu drei Monaten bedingt verurteilt worden. Mutter und Sohn Winter wurden damals ebenfalls von Mario Eustacchio in Schutz genommen: „Er würde die Winter´schen Aussagen zwar ‚anders formulieren’, inhaltlich gehe er aber konform.“ (Falter 25/2011)
Was wirklich und erschreckend auffällig ist an der KandidatInnenliste der FPÖ Graz, ist nicht der hohe Anteil an „bewehrten“ Waffenstudenten oder Menschen mit der zweiten Chance, sondern die hohe Zahl von KandidatInnen, die mit den Identitären zumindest auf Facebook gute Kontakte pflegen.
Da kann Norbert Hofer noch so oft betonen, dass er mit den Identitären nichts zu tun haben will („Ich habe keine Freude mit den Identitären und kann mit ihnen auch nichts anfangen. Ich will mit dieser Gruppe nichts zu tun haben”, Kurier 5.5.2016), die FPÖ Graz ist ganz dick verbandelt mit den rechtsextremen Identitären. Einzelne KandidatInnen sind es aber auch mit anderen Rechtsextremen. Der militante Identitäre Luca Kerbl, der bis vor kurzem noch FPÖ-Funktionär war, wurde zwar seiner Funktionen in der FPÖ enthoben, erfreut sich aber – so wie andere identitäre Kader – großer Beliebtheit bei den Grazer FPÖ-KandidatInnen: Claudia Schönbacher, Berno Mogel, Jasmin Hans, sie alle haben etliche Identitäre und andere Rechtsextreme auf ihrer Freundschaftsliste.
Soviel ist sicher: Die FPÖ Graz hat ein stark identitäres bzw. rechtsextremes Profil.
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