Helmut Naderer ist mittlerweile sehr einsam. Vom „Team Stronach Salzburg“ ist nur mehr der Einzelspieler Naderer übrig. Im Salzburger Landtag plagt er sich nicht nur mit der Sitzordnung herum, sondern auch mit der Geschichte. Weil es im Vorjahr nicht nur das Team Stronach, sondern auch die Salzburger FPÖ zerrissen hat, mussten die Mandatare per Sitzordnung so verteilt werden, dass sie sich nicht allzu nahe kommen. Naderer wollte etwa nicht vor Karl Schnell (früher FPÖ, jetzt FPS) sitzen: „Schnell habe ihn vor Jahren schwer verleumdet und aus der FPÖ ausgeschlossen, begründete Naderer, warum er diesem Sitzplan nicht zustimmte“ (derstandard.at). Der Sitzplanstreit konnte mittlerweile zur Zufriedenheit von Naderer gelöst werden, aber man merkt, dass dem Mann die Geschichte schwer auf’s Gemüt drückt.
Auch die Weltgeschichte! Vor dem Salzburger Landtag hielt er eine Rede zur weiteren Vorgangsweise im Asyl- und Flüchtlingswesen, wo er eher die großen weltpolitischen Linien skizzzierte, wie es eben einem Klubobmann zusteht – auch wenn der keinen Klub mehr hinter sich hat.
Begonnen hat Naderer beim Ersten Weltkrieg und der Neuordnung im Nahen Osten, ist aber schnell bei den Amerikanern gelandet, die seiner Meinung nach alles niedergebombt haben und wieder abgezogen sind, um dann mit der überraschenden Feststellung den ersten Teil seiner Betrachtungen abzuschließen: „Und wir leiden jetzt in Europa.“ Wirklich? Wir?
Mit so kleinlichen Fragen lässt sich Naderer nicht aufhalten, denn seiner Meinung nach hat das alles einen Sinn, „denn damit wird Europa destiba…, destebalisiert“, denn wirtschaftlich profitieren die anderen Großmächte, so Naderer. Aber da müsse man natürlich die Hintergründe recherchieren, holt Naderer zum entscheidenden Wissensvorsprung aus. Warum braucht man in der Schweiz eine Firma, die unsere Flüchtlinge betreut, stellt er dem Landtag eine rhetorische Frage, die der einsame Rechercheur sogleich beantwortet: „Diese ORS-Firma gehört – man kann’s nämlich fast nicht glauben – der Bank Rothschild – und den Hintergrund von Rothschild brauche ich auch keinem sagen. (…) Dann weiß man wieder, wie das alles zusammenhängt.“ Sprach’s und war schon wieder fertig mit seinen Recherchen, die er in eine dunkle Wolke aus „Destebalisierung“ Europas durch Flüchtlinge und Bank Rothschild verpackte.
Die Schweizer Firma ORS, die als privater und gewinnorientierter Dienstleister auch für das österreichische Innenministerium die Flüchtlingsbetreuung organisiert, ist im Besitz einer Beteiligungsfirma, der britischen „Equistone Partners Europe”, die aus ihren Beteiligungen tatsächlich nur eines machen will: Kohle, viel Kohle. Warum das österreichische Innenministerium ausgerechnet die Flüchtlingsbetreuung einer Firma anvertraut, die nur Geld machen will, hängt vermutlich nicht nur mit der ideologischen Einstellung der Ressortverantwortlichen zur Privatisierung, sondern auch ihrem Misstrauen gegenüber gemeinnützigen Flüchtlingsbetreuungsorganisationen zusammen.
Equistone jedenfalls hat rund 30 Partner, die ihr Geld in ORS (und andere Firmen) investiert haben. Einer dieser Partner ist die Barclays Bank, an der die Rothschilds beteiligt sind. Rechtsextreme machen daraus eine üble antisemitische Verschwörergeschichte, wonach die USA – im Auftrag der jüdischen „Weltelite“ – zunächst durch Krieg und Bomben eine Flüchtlingswelle nach Europa auslösen, damit Europa „destebalisieren“, die einheimische Bevölkerung durch willige und weniger intelligente Zuwanderer austauschen („Umvolkung“, „großer Austausch“) und daran auch noch verdienen.
Im Salzburger Landtag sitzt ein Abgeordneter, der diese Verschwörergeschichte zwar etwas unbeholfen, aber völlig überzeugt von ihr, nacherzählt.