Wien: Reconquista gestoppt

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Der däni­sche Stu­dent Leon M., der seit 2010 in Wien lebt, wur­de am Mon­tag, 19. Jän­ner vom Lan­des­ge­richt Wien zu einer Haft­stra­fe von zwei Jah­ren, davon 6 Mona­te unbe­dingt, ver­ur­teilt. Das Schwur­ge­richt sprach ihn schul­dig der NS-Wie­der­be­tä­ti­gung, aber auch der Ver­het­zung und Her­ab­wür­di­gung reli­giö­ser Leh­ren. Das Urteil klingt hart – ist es das wirklich?

2013 dürf­te das Jahr der Offen­ba­rung des Leon M. (32) gewe­sen sein, der als Leon Recon­quis­ta noch immer im Netz mit einem rechts­extre­men Blog („Ein Ort für Neo­na­zi“, jetzt „Ein Ort für neue Wider­stands­kämp­fer“) ver­tre­ten ist. Jeden­falls fiel er damals auf – durch Nazi-Sprü­che und – Ver­herr­li­chung und durch pri­mi­ti­ve Het­ze. Damals betrieb er auch ein Face­book-Pro­fil – zunächst mit sei­nem Klar­na­men, dann mit dem Nick­na­me „Leon Reconquista“.

Den 8. Mai kom­men­tier­te er natür­lich mit „Wir fei­ern nicht“, beim Foto mit Mäd­chen vom „Bund Deut­scher Mädel“ (BDM) fügt er auf Dänisch hin­zu: „Zeit für den Natio­nal­so­zia­lis­mus zu kämp­fen“ und zu einer Wer­bung für NSU-Moto­ren­wer­ke aus der Nazi-Zeit („Sie­gen­de deut­sche Wert­ar­beit“) merkt er nur bezie­hungs­voll und zynisch an: “Eine alte Wer­bung für NSU“. Was er sonst über Mus­li­me denkt, unter­schei­det ihn nicht vom ‚neu­en‘ NSU: “Wachen wir end­lich auf und ent­fer­nen die­ses Krebs­ge­schwür von unse­rem Volks­kör­per“.


NS-Pro­pa­gan­da
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Leon M. hat nicht vie­le, die mit ihm auf FB dis­ku­tie­ren, aber es gibt sie. „Dobar Los Milos“ attes­tiert ihm und sich, dass kei­ner von den bei­den von allen guten Geis­tern befreit „oder gar gewalt­be­reit“ sei und Micha­el K., der sich um die­se Zeit auch in der gehei­men FB-Grup­pe „Holo­kaust­for­schung“ ein­schlä­gig betä­tig­te, stimmt dem zu, wäh­rend Recon­quis­ta dar­über sin­niert, wie man „das Ein­si­ckern pri­mi­ti­ve­rer Ras­sen wie die Neger­ras­se und die Trä­ger­ras­se des Tür­ken- und Moham­me­da­ner­tums“ ver­hin­dern könnte.

Den auf­merk­sa­men Betrei­bern des Blogs „RFJ-Watch“ war Leon M. auf­ge­fal­len, weil er sich auf der FB-Sei­te „Sus­pen­die­rung des Schär­din­ger Poli­zis­ten sofort auf­he­ben!“ mit einem ziem­lich hef­ti­gen Pos­ting zu Wort gemel­det hatte:

„Heu­te sus­pen­diert, mor­gen Poli­zist im neu­en Staat. Wer vor der Revo­lu­ti­on „Fah­nen­flucht“ begeht, um zu der rich­ti­gen Sei­te zu wech­seln, ist der­je­ni­ge, der nach der Revo­lu­ti­on mit einem Denk­mal geehrt wird“.

Aus die­sem an Deut­lich­keit kaum mehr zu über­bie­ten­den Kom­men­tar zur Sus­pen­die­rung des Schär­din­ger FPÖ-Poli­zis­ten hat sich dann eine FB-Freund­schaft zu Lud­wig Rein­th­a­ler, dem Brau­nen von Wels und Admi­nis­tra­tor der Soli­da­ri­täts­grup­pe, ent­wi­ckelt. Eine bezeich­nen­de Unter­hal­tung der bei­den fin­det sich hier:

M. hat an der Uni­ver­si­tät Aar­hus Che­mie stu­diert und in Wien dann Geschich­te. Vor Gericht führt er zu sei­ner Ent­las­tung an, dass er einen Groß­teil sei­ner Nazi-Sprü­che in sei­ner Mut­ter­spra­che Dänisch geschrie­ben habe.


NS-Pro­pa­gan­da
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Alar­mie­rend ist das, was er noch hin­zu­fügt: „Wenn ich ein öster­rei­chi­sches Publi­kum anspre­chen hät­te wol­len, hät­te ich es auf Tür­kisch machen müs­sen. Frü­her viel­leicht auf Deutsch“. – Das erin­nert sehr an die Denk­wei­se von Brei­vik und fin­det sei­ne Fort­set­zung auch in wie­der­keh­ren­den Auf­ru­fen zum Aufstand:

„Die Zeit ist gekom­men, das Abend­land zu befrei­en und die inhaf­tier­ten Kämp­fer aus den Sta­si-Ker­kern der Sys­tem­staa­ten zu holen“.

Nach einer Anzei­ge durch Uwe Sai­ler nimmt die Staats­an­walt­schaft Wien Ermitt­lun­gen auf und stellt Leon M. im Dezem­ber vor Gericht. Zur Ver­hand­lung erschei­nen zwar die Geschwo­re­nen, nicht aber Leon M., der vom Rich­ter zur Fahn­dung aus­ge­schrie­ben und noch vor Weih­nach­ten in Unter­su­chungs­haft genom­men wird. In der U‑Haft ritzt er in sei­ner Zel­le meh­re­re Haken­kreu­ze in sei­nen Spind und beschmiert die­sen mit der Paro­le „Frei­heit für Gott­fried Küs­sel“. – Mög­li­cher­wei­se ergibt das ein wei­te­res Ver­fah­ren wegen NS- Wie­der­be­tä­ti­gung, doch zunächst wird Leon M. am 19. Jän­ner dem Schwur­ge­richt mit­hil­fe der Exe­ku­ti­ve vor­ge­führt. Nicht aus der U‑Haft, denn die wur­de zwi­schen­zeit­lich vom Gericht wie­der aufgehoben.

Dem Gericht ver­wei­gert Leon M. den­noch kon­se­quent die Aner­ken­nung. Für ihn ist es Teil des Sys­tems, gegen das er schon längst im natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Wider­stand ist. Wie schon zuvor bei der poli­zei­li­chen Ein­ver­nah­me gibt er fak­tisch kei­ne Ant­wor­ten (mit Aus­nah­me der Erklä­rung oben): “Das ergibt kei­nen Sinn, ohne Vor­be­rei­tung auf irgend­wel­che Fra­gen hal­be Ant­wor­ten zu geben“. Aber auch mit sei­ner Pflicht­ver­tei­di­gung spricht er nicht. Bei der Beei­di­gung der Geschwo­re­nen und der Urteils­ver­kün­dung bliebt er eben­falls sitzen.

Kei­ne Fra­ge, Leon M. ist ein hart­ge­sot­te­ner Neo­na­zi – des­halb ist das Urteil sehr deut­lich aus­ge­fal­len. Ver­mut­lich wird er sei­ne Haft­stra­fe wie eine Aus­zeich­nung tra­gen – inso­fern ist unse­re Annah­me in der Schlag­zei­le etwas zu opti­mis­tisch. Aber Leon M. hat kaum Unter­stüt­zer, „Kame­ra­den“ – er ist weit­ge­hend ein Ein­zel­kämp­fer, was die Pro­gno­se nicht bes­ser macht – im Gegen­teil! M. legt natür­lich Beru­fung und Nich­tig­keits­be­schwer­de ein gegen die zwei Jah­re teil­be­dingt. Die Staats­an­walt­schaft beruft, weil ihr die Stra­fe zu gering ist.

Berichte zu Leon M. alias Leon Reconquista

RFJ-Watch.
Stoppt­die­rech­ten, 6.7. 13 und 18.12.13.
Zum Pro­zess: Kurier, 20.1.2015.
Dagens (DK).
Dagens Nyhe­ter..