Europas Rechtsparteien (II): Identität, Tradition, Souveränität – ITS (15.1.–14.11.2007)

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„Iden­ti­tät, Tra­di­ti­on, Sou­ve­rä­ni­tät” (ITS) war der Name einer kurz­le­bi­gen Frak­ti­on im Euro­päi­schen Par­la­ment. Sie exis­tier­te nur zwi­schen Jän­ner und Novem­ber 2007 und galt als ein­deu­tig rechts­extre­me Frak­ti­on im EU-Parlament.

Um Frak­ti­ons­sta­tus im Euro­päi­schen Par­la­ment zu erlan­gen, müs­sen sich min­des­tens 20 Abge­ord­ne­te aus min­des­tens sechs Län­der zusam­men­schlie­ßen. Bestand zuerst nur ein loser Zusam­men­schluss von 14 Abge­ord­ne­ten aus Bel­gi­en, Frank­reich, Ita­li­en, Öster­reich und dem Ver­ei­nig­ten König­reich, kamen mit dem EU-Bei­tritt die not­wen­di­ge Anzahl von Abge­ord­ne­ten aus Bul­ga­ri­en und Rumä­ni­en hin­zu. Die Kon­si­tu­ie­rung der Frak­ti­on fand am 15. Jän­ner statt.

Bru­no Goll­nisch, stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der des Front Natio­nal, über­nahm den Vor­sitz der Frak­ti­on. Goll­nisch wur­de durch rechts­extre­mis­ti­sche und holo­caust­leug­nen­de Aus­fäl­le bekannt. 2004 behaup­te­te er: „Ich bestrei­te nicht die Exis­tenz der Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger, aber was die Anzahl der Toten betrifft, könn­ten His­to­ri­ker dar­über dis­ku­tie­ren. Was die Exis­tenz von Gas­kam­mern angeht, so müs­sen His­to­ri­ker dar­über ent­schei­den.“ Die Jus­tiz lei­te­te ein Straf­ver­fah­ren ein und Goll­nisch wur­de am 18. Jän­ner 2007 weni­ge Tage nach der Grün­dung der Frak­ti­on ITS im Euro­pa­par­la­ment, zu drei Mona­ten Frei­heits­stra­fe, aus­ge­setzt auf Bewäh­rung, und einer Geld­stra­fe von 5000 € sowie auf 55.000 € Scha­dens­er­satz ver­ur­teilt. Das Urteil wur­de am 23. Juni 2009 wie­der aufgehoben.

Bei den inter­nen Wah­len zur Nach­fol­ge im Front Natio­nal, wur­de Goll­nisch von anti­se­mi­ti­schen Krei­sen unter­stützt, denen Le Pen nicht radi­kal genug war. Mari­ne Le Pen, distan­zier­te sich mehr­fach von Goll­nischs Aus­sa­gen. Für den Frak­ti­ons­vor­sitz im EU-Par­la­ment reicht es aber.

Neben dem Front Natio­nal waren in der Frak­ti­on noch der „Vlaams Belang” (Bel­gi­en), „Koali­zi­ja Ata­ka” (Bul­ga­ri­en), Ash­ley Mote als unab­hän­gi­ger Ange­ord­ne­ter (Groß­bri­ta­ni­en), „Alter­na­ti­va Socia­le” (Ita­li­en), „Fiam­ma Tri­co­lo­re” (Ita­li­en), die FPÖ unter Andre­as Möl­zer, „Part­idul Doma­nia Mare” (Rumä­ni­en) und Dumit­ru Ghe­org­he Mir­cea Cosea als wei­te­rer unab­hän­gi­ger Kan­di­dat, orga­ni­siert. Die Frak­ti­on zer­brach, als die rumä­ni­sche „Part­idul Doma­nia Mare” (Groß-Rumä­ni­en-Par­tei) aus dem Bünd­nis aus­stieg, auf­grund der ras­sis­ti­schen Aus­sa­gen von Ales­san­dra Mus­so­li­nie („Alter­na­ti­va Socia­le”), gegen­über rumä­ni­schen Ein­wan­de­re­rIn­nen in Ita­li­en. Aber es gab auch Span­nun­gen zwi­schen der FPÖ und der „Alter­na­ti­va Socia­le” über die Südtirol-Frage.

Am 14. Novem­ber wur­de im EU-Par­la­ment die Frak­ti­on für aus­ge­löst erklärt, von den Abge­ord­ne­ten der ande­ren Frak­tio­nen gab es minu­ten­lan­gen Applaus und Jubelrufe.

Vlaams Belang

Der Vlaams Belang tritt mit ras­sis­ti­schen und rechts­extre­men Posi­tio­nen auf, warnt vor einer „dro­hen­den Isla­mi­sie­rung“. Mus­li­me wer­den in Kam­pan­gen als rück­stän­dig dar­ge­stellt. Gleich­zei­tig ver­tritt der Vlaams Belang aber eine typisch neo­li­be­ra­le Poli­tik, in dem sie eine Flat Tax und Pri­va­ti­sie­rung von Staats­be­trie­ben ver­lan­gen. Die sozia­len Ansät­ze, wie die Erhö­hung des Kin­der­gel­des, wer­den mit dem Wunsch nach höh­re­ren Gebur­ten­ra­ten begründet.

Koali­zi­ja Ataka

Die Koali­ti­on Ata­ka besteht haupt­säch­lich aus der Par­tei Ata­ka. Sie gilt als extrem frem­den­feind­lich bzw. Rechts­extrem. 2011 grif­fen Anhän­ger der Par­tei Moschee­be­su­cher an und lie­fer­ten sich mit der Poli­zei Straßenschlachten.

Front Natio­nal

Der Front Natio­nal wur­de 1972 gegrün­det und gilt als eine der größ­ten rechts­extre­men Par­tei­en. Auch wenn die Ergeb­nis­se bei der Natio­nal­ver­samm­lung meis­tens schwach sind, so erreicht die Par­tei bei Prä­si­dent­schafts­wah­len gute Ergeb­nis­se (an die 20 %).

Ähn­lich wie die FPÖ ver­sucht sie sich als sozia­le und natio­na­lis­ti­sche Par­tei zu prä­sen­tie­ren und for­dert zur Lösung von Klas­sen­wi­der­sprü­chen natio­nal-sozia­le Lösun­gen, was sich in der Losung „Sozi­al weil natio­nal“ zeigt. Wie die FPÖ ori­en­tiert sich aber der Front Natio­nal zwar vor­geb­lich an Arbei­ter und Arbei­te­rin­nen, tat­säch­lich zielt ihr Pro­gamm auf wirt­schafts­li­be­ra­le Maß­nah­men ab. Wie die FPÖ lehnt der FN Glo­ba­li­sie­rung ab und ver­steht Markt­wirt­schaft als natio­na­le Aufgabe.

Noch 1995 for­der­te Jean-Marie Le Pen die „Rück­füh­rung“ von drei Mil­lio­nen Nicht-Euro­päe­rIn­nen aus Frank­reich. Unter Mari­ne Le Pen ist die Par­tei zumin­des­tens ver­bal weni­ger deut­lich extre­mis­tisch gewor­den, sodass heu­te gesagt wer­den kann, dass die FPÖ deut­lich mehr rechts­extre­me Mus­ter auf­weist, als der Front National.

Bekann­tes­ter Abge­ord­ne­ter des Front Natio­nal im Euro­pa­par­la­ment ist Jean-Marie Le Pen.

Ash­ley Mote

Unab­hän­gi­ger Abge­ord­ne­ter im EU-Par­la­ment, zuvor bei der United King­dom Inde­pen­dence Par­ty (UKIP). Dort wur­de Mote aber aus­ge­schlos­sen, weil bri­ti­sche Behör­den wegen Sozi­al­be­trug gegen ihm ermit­tel­ten. Am 31. August 2007 wur­de Mote zu neun Mona­ten Haft ver­ur­teilt. Die­ses Urteil wur­de im dar­auf fol­gen­den Beru­fungs­ver­fah­ren im Wesent­li­chen bestä­tigt. Außer­dem muss­te er 67.000 Pfund an den bri­ti­schen Staat zurück­zah­len. Im Novem­ber 2007 wur­de er nach zehn Wochen Haft mit einer elek­tro­ni­schen Fuß­fes­sel entlassen.

Alter­na­ti­va Sociale

Die Alter­na­ti­va Socia­le war ein neo­fa­schis­ti­sches Bünd­nis, es bestand aus den rechts­extre­men Par­tei­en For­za Nuo­va, Azio­ne Socia­le und Fron­te Socia­le Nazio­na­le. Par­tei­vor­sit­zen­de war die Enke­lin Beni­to Mus­so­li­nis, Ales­san­dra Mus­so­li­ni. Mus­so­li­ni ori­en­tiert sich in ihrer Poli­tik deut­lich am Faschis­mus ihres Groß­va­ters. Einer ihrer Aus­sa­gen: „Bes­ser Faschis­tin als schwul.

Der Vor­sit­zen­de der For­za Nuo­va ist übri­gens Rober­to Fio­re, der in Ita­li­en wegen Ter­ro­ris­mus rechts­kräf­tig ver­ur­teilt wur­de und zehn Jah­re lang auf der Flucht war.

Fiam­ma Tricolora

Mit der Fiam­ma Tri­co­lo­ra befand sich eine wei­te­re neo­fa­schis­ti­sche Par­tei in der ITS-Frak­ti­on. Die Par­tei ist eine Abspal­tung der Movi­men­to Socia­le Ita­lia­no (MSI). Der ehe­ma­li­ge Vor­sit­zen­de Pino Rau­ti woll­te die Abkehr der MSI vom Faschis­mus nicht mit­ma­chen und grün­de­te daher die neue Partei.

Luca Roma­gno­li, ein EU-Abge­ord­ne­ter der Fiam­ma Tri­co­lo­ra, sag­te 2002 in einem Inter­view: „Man kann nicht wie Fini ein­fach behaup­ten, der Faschis­mus sei das abso­lu­te Übel gewe­sen.“ Auf eine Fra­ge nach der Exis­tenz der Gas­kam­mern in Ausch­witz hat­te er geant­wor­tet: „Ich habe nicht die Mit­tel, um das zu bestä­ti­gen oder zu negieren.“

Part­idul Doma­nia Mare

In Rumä­ni­en wird die Part­idul Doma­nia Mare als „links­extrem“ ein­ge­stuft, weil sie in ihrer Poli­tik auf eine gewis­se Kon­ti­nui­tät zur Ceau­ses­cu-Ära setzt. Nach wis­sen­schaft­li­chen Kri­te­ri­en gilt die Par­tei aber ein­deu­tig als rechts­extre­mis­tisch. Ziel der Part­idul Doma­nia Mare ist die Wie­der­her­stel­lung des Groß-Rumä­ni­schen Rei­ches. Erklär­te poli­ti­sche Vor­bil­der der Par­tei und ihres Vor­sit­zen­den sind die Dik­ta­to­ren Ion Anto­nes­cu und Nico­lae Ceaușes­cu. Die Par­tei gilt als rabi­at-anti­se­mi­tisch, frü­he­re Abge­or­den­te haben in regel­mäß­gen Abstän­den den Holo­caust geleugnet.

Teil III: Euro­pas Rechtsparteien