Lange hat es gedauert, bis es zu diesen (noch nicht rechtskräftigen) Urteilen gekommen ist. Die Anklage stützte sich im Wesentlichen auf Ermittlungsergebnisse aus den Jahren 2008 bis 2010. Warum also erst Ende 2013 verhandelt wurde, konnte bisher nicht schlüssig erklärt werden. Weiterhin offen bleibt auch, ob es nach diesem Prozess wegen NS-Wiederbetätigung noch weitere Anklagen wegen Verstößen gegen das NS-Verbotsgesetz durch andere Objekt 21-Mitglieder geben wird. Die Justizministerin hat in ihrer parlamentarischen Anfragebeantwortung erwähnt, dass gegen drei weitere Personen noch ermittelt würde (Antwort zu Frage 6).
Die angeklagten Neonazis haben sich vor Gericht überwiegend dumm gestellt oder wurden von ihren Verteidigern mit dem exzessiven Alkoholkonsum entschuldigt: „Sie sehen den Drittangeklagten mit Hakenkreuz-Armbinde auf einem Foto – aber wie Sie sehen, war er durchaus angeschlagen, hatte glasige Augen — er wollte ganz bestimmt nichts untergraben.” (derstandard.at)
Dazwischen gab es aber auch immer wieder Versuche der Verteidigung, das NS-Verbotsgesetz selbst zu relativieren („Kriminalisierung Andersdenkender“) oder historische Fakten wie etwa die Beurteilung des Waffen-SS als verbrecherische Nazi-Organisation in Frage zu stellen: Die Waffen-SS, so Verteidiger Werner Tomanek, ein bekennender Burschenschafter von der „Olympia“, „war kein politischer Verband“, demnach könne auch die Verwendung ihrer Symbole kein Akt der Wiederbetätigung sein (zitiert nach derstandard.at).
Aufschlussreich war jedenfalls die von der Staatsanwaltschaft gegen Ende des Prozesses vorgelegte CD von „Reichstrunkenbold“. Mit diesem Spottnamen wurde während der Nazi-Zeit Robert Ley, der Leiter der Deutschen Arbeitsfront, wegen seiner Alkoholsucht bedacht. Ley, ein bedingungsloser HItlerist und Antisemit („Juda wird und muss fallen. Juda wird und muss vernichtet werden. Das ist unser heiliger Glaube“) entzog sich durch Selbstmord 1945 dem Nürnberger Prozess.
Jetzt verwendete Philip Tschentscher, der in Korneuburg auf seinen Prozess wegen NS-Wiederbetätigung wartet, das bezeichnende Pseudonym für seine Nazi-Alben. Die CD „Der Untergrund stirbt nie“, verziert mit Hakenkreuzen und dem Spruch „Kämpft für ein freies deutsches Österreich“ zeigt einen rotweißroten Adler mit Hakenkreuz und dazu die Inschrift „Kampfring der deutschen Österreicher im Reich“. Da fällt einem doch gleich der Kampfverband Oberdonau ein, für dessen Gründung Jürgen W., der Erstangeklagte, im Jahr 2008 vor Gericht stand. Mit Liebe zum Detail wurde das Cover von „Der Untergrund stirbt nie“ auch mit einem Logo der (österreichischen) Sicherheitsdirektion ausgestattet.
Neben dem „Reichstrunkenbold“ Philip Tschentscher warten noch zwei Objekt 21-Söldner aus Thüringen in österreichischen Gefängnissen auf ihre Anklage: Steffen M. und Andreas P., der im Welser Prozess als Belastungszeuge auftrat. Insgesamt waren aber noch mehr Personen aus Deutschland, vorwiegend aus Thüringen, in das kriminelle Neonazi-Netzwerk um Objekt 21 verwickelt. Dass diese nach wie vor aktiven Verbindungen und die weiteren Deutschland-Söldner im Welser Prozess kaum zur Sprache kamen, ist nicht dem Gericht anzulasten. Es ist allerdings beunruhigend.
Auch nach den Urteilen, die von sechs bzw. vier Jahren unbedingt für die beiden Hauptanklagten über teilbedingte Strafen bis hin zu 18 Monaten bedingt reichen, bleiben etliche Fragen offen; vor allem jene, ob es noch weitere Prozesse wegen NS-Wiederbetätigung gegen Objekt 21-Mitglieder geben wird. Immerhin waren rund 200 Personen Mitglieder von Objekt 21, und auch der harte Kern von Neonazis war wesentlich größer als die jetzt angeklagte Runde. Fix ist nur, dass sich eine ganze Reihe von Personen aus dem Umfeld von Objekt 21 in den nächsten Monaten vor Gericht verantworten wird müssen: wegen der diversen „sonstigen“ Verbrechen und Vergehen, die dem Netzwerk zugeordnet werden können und die von Einbruchsdiebstählen bis hin zu Brandstiftungen reichen.