Burschenschaftsehrung durch Burschenschafter-Präsidenten

Lesezeit: 3 Minuten

Mar­tin Graf lie­fert einen star­ken Abgang. Gemeint ist damit nicht die Prä­sen­ta­ti­on sei­nes Büch­leins „Abge­rech­net wird zum Schluss“, das von sei­nem Ver­laut­ba­rungs­or­gan „unzen­su­riert“ schon seit Wochen als „bri­sant“ ange­prie­sen wird, son­dern die Ver­lei­hung der Ding­ho­fer-Medail­le „für Ver­diens­te um die Demo­kra­tie“ – aus­ge­rech­net an die Deut­sche Bur­schen­schaft. Das ist kein Scherz!

Am 18.10.wurde im Par­la­ment durch Mar­tin Graf, den drit­ten Prä­si­den­ten des Natio­nal­rats, tat­säch­lich der Dach­ver­band „Deut­sche Bur­schen­schaft“ mit die­ser Medail­le geehrt. Wer wird das nächs­te Mal die Ding­ho­fer-Medail­le erhal­ten? Die Roten Khmer post­hum? Wla­di­mir Putin oder Ramsan Kady­row, der Prä­si­dent Tschetscheniens?

Der Dach­ver­band „Deut­sche Bur­schen­schaft“ hat sich nach lan­gem Schwei­gen jeden­falls zu einer Pres­se­mit­tei­lung auf­ge­rafft und jubelt über die „hohe Aus­zeich­nung“, die in dem Satz des Spre­chers der Deut­schen Bur­schen­schaft, Burk­hard Mötz (Bur­schen­schaft Teu­to­nia Wien) ihre wür­di­ge Krö­nung fin­det: „Damit fin­den unse­re beharr­li­chen Bemü­hun­gen um die Wei­ter­ent­wick­lung der demo­kra­ti­schen Kul­tur im deutsch­spra­chi­gen Raum nun auch ihre offi­zi­el­le Anerkennung.“

Das ist natür­lich eine ziem­lich star­ke Ansa­ge zu einem Zeit­punkt, wo Dut­zen­de Bur­schen­schaf­ten den Dach­ver­band Deut­sche Bur­schen­schaft wegen des­sen deut­lich rechts­extre­mer Schlag­sei­te ver­las­sen und der Streit um den ras­sis­ti­schen Arier­pa­ra­gra­fen gera­de zwei Jah­re zurückliegt.


Mar­tin Graf und Burk­hard Mötz; Bild­quel­le: Mar­tin Juen, flickr

Dass die Ver­lei­hung der Ding­ho­fer-Medail­le im Rah­men des Ding­ho­fer-Sym­po­si­ums vom Drit­ten Prä­si­den­ten des Natio­nal­rats und Bur­schen­schaf­ter Mar­tin Graf vor­ge­nom­men wur­de, ist für die Repu­ta­ti­on nicht gera­de hilf­reich. Prak­ti­scher­wei­se ist Mar­tin Graf näm­lich auch Prä­si­dent des Franz Ding­ho­fer-Insti­tuts „für For­schung und Leh­re zur natio­na­len sowie inter­na­tio­na­len Poli­tik“. Man kann die Ehrung daher auch so betrach­ten: Ein deut­scher Bur­schen­schaf­ter (Graf) ver­gibt als Prä­si­dent eines nach einem deut­schen Bur­schen­schaf­ter (Ding­ho­fer) benann­ten Insti­tuts eine Medail­le an die Deut­sche Bur­schen­schaft (der Ent­wurf der unschein­ba­ren Medail­le stammt übri­gens auch von einem Burschenschafter).

Franz Ding­ho­fer, der Namens­ge­ber für Insti­tut und Medail­le, war ein deutsch­na­tio­na­ler und anti­se­mi­ti­scher Poli­ti­ker und eben auch Bur­schen­schaf­ter – Ost­mark Graz hieß sein Ver­ein damals. Was man jen­seits der kur­zen Beschrei­bung sei­ner Per­son auf Wiki­pe­dia noch kür­zer zu ihm sagen könn­te, fass­ten die „Ober­ös­ter­rei­chi­schen Nach­rich­ten“ sehr wohl­mei­nend in dem Seuf­zer zusam­men: Er war „eine kom­ple­xe Per­son“. Sei­ne poli­ti­sche Groß­tat durf­te Ding­ho­fer 1918 fei­ern, als er gemein­sam mit dem Sozi­al­de­mo­kra­ten Karl Seitz als gleich­be­rech­tig­ter Prä­si­dent der pro­vi­so­ri­schen Natio­nal­ver­samm­lung am 12. Novem­ber die Repu­blik Deutsch­ös­ter­reich verkündete.

Ding­ho­fers poli­ti­sche Hei­mat war die Groß­deut­sche Volks­par­tei, die 1920 die Nach­fol­ge der von Ding­ho­fer gegrün­de­ten Groß­deut­schen Ver­ei­ni­gung antrat und mehr­mals in Koali­tio­nen mit den Christ­lich-Sozia­len war. 1933, ein Jahr vor dem Par­tei­en­ver­bot durch den aus­tro­fa­schis­ti­schen Stän­de­staat, schloss die Par­tei eine Kampf­ge­mein­schaft mit der NSDAP. Ding­ho­fer war zwar zu die­sem Zeit­punkt als Prä­si­dent des Obers­ten Gerichts­ho­fes schon im poli­ti­schen Aus­ge­din­ge, aber den Aus­tro­fa­schis­mus über­stand er auch in die­ser Funk­ti­on. Erst 1938 wur­de er im Alter von 65 Jah­ren von den Natio­nal­so­zia­lis­ten pen­sio­niert und durch einen ech­ten Nazi abge­löst. Ein Wider­stands­kämp­fer gegen den Natio­nal­so­zia­lis­mus wur­de aus dem Anti­se­mi­ten und Deutsch­na­tio­na­len Ding­ho­fer jedoch nicht.

Das war aber auch nicht der Zweck der Ehrung. Die lag schon in der kla­ren Pro­vo­ka­ti­on, dass in den Räu­men des Par­la­ments der schei­den­de Drit­te Prä­si­dent aus­ge­rech­net der vor­sitz­füh­ren­den Bur­schen­schaft Teu­to­nia Wien für die Deut­sche Bur­schen­schaft die Medail­le „für Ver­diens­te um die Demo­kra­tie“ ver­lie­hen hat.