Burschenschaftsehrung durch Burschenschafter-Präsidenten

Mar­tin Graf liefert einen starken Abgang. Gemeint ist damit nicht die Präsen­ta­tion seines Büch­leins „Abgerech­net wird zum Schluss“, das von seinem Ver­laut­barung­sor­gan „unzen­suri­ert“ schon seit Wochen als „brisant“ ange­priesen wird, son­dern die Ver­lei­hung der Ding­hofer-Medaille „für Ver­di­en­ste um die Demokratie“ – aus­gerech­net an die Deutsche Burschen­schaft. Das ist kein Scherz!

Am 18.10.wurde im Par­la­ment durch Mar­tin Graf, den drit­ten Präsi­den­ten des Nation­al­rats, tat­säch­lich der Dachver­band „Deutsche Burschen­schaft“ mit dieser Medaille geehrt. Wer wird das näch­ste Mal die Ding­hofer-Medaille erhal­ten? Die Roten Khmer posthum? Wladimir Putin oder Ram­san Kady­row, der Präsi­dent Tschetscheniens?

Der Dachver­band „Deutsche Burschen­schaft“ hat sich nach langem Schweigen jeden­falls zu ein­er Pressemit­teilung aufger­afft und jubelt über die „hohe Ausze­ich­nung“, die in dem Satz des Sprech­ers der Deutschen Burschen­schaft, Burkhard Mötz (Burschen­schaft Teu­to­nia Wien) ihre würdi­ge Krö­nung find­et: „Damit find­en unsere behar­rlichen Bemühun­gen um die Weit­er­en­twick­lung der demokratis­chen Kul­tur im deutschsprachi­gen Raum nun auch ihre offizielle Anerkennung.“

Das ist natür­lich eine ziem­lich starke Ansage zu einem Zeit­punkt, wo Dutzende Burschen­schaften den Dachver­band Deutsche Burschen­schaft wegen dessen deut­lich recht­sex­tremer Schlag­seite ver­lassen und der Stre­it um den ras­sis­tis­chen Ari­er­para­grafen ger­ade zwei Jahre zurückliegt.


Mar­tin Graf und Burkhard Mötz; Bildquelle: Mar­tin Juen, flickr

Dass die Ver­lei­hung der Ding­hofer-Medaille im Rah­men des Ding­hofer-Sym­po­siums vom Drit­ten Präsi­den­ten des Nation­al­rats und Burschen­schafter Mar­tin Graf vorgenom­men wurde, ist für die Rep­u­ta­tion nicht ger­ade hil­fre­ich. Prak­tis­cher­weise ist Mar­tin Graf näm­lich auch Präsi­dent des Franz Ding­hofer-Insti­tuts „für Forschung und Lehre zur nationalen sowie inter­na­tionalen Poli­tik“. Man kann die Ehrung daher auch so betra­cht­en: Ein deutsch­er Burschen­schafter (Graf) vergibt als Präsi­dent eines nach einem deutschen Burschen­schafter (Ding­hofer) benan­nten Insti­tuts eine Medaille an die Deutsche Burschen­schaft (der Entwurf der unschein­baren Medaille stammt übri­gens auch von einem Burschenschafter).

Franz Ding­hofer, der Namensge­ber für Insti­tut und Medaille, war ein deutschna­tionaler und anti­semi­tis­ch­er Poli­tik­er und eben auch Burschen­schafter – Ost­mark Graz hieß sein Vere­in damals. Was man jen­seits der kurzen Beschrei­bung sein­er Per­son auf Wikipedia noch kürz­er zu ihm sagen kön­nte, fassten die „Oberöster­re­ichis­chen Nachricht­en“ sehr wohlmeinend in dem Seufz­er zusam­men: Er war „eine kom­plexe Per­son“. Seine poli­tis­che Groß­tat durfte Ding­hofer 1918 feiern, als er gemein­sam mit dem Sozialdemokrat­en Karl Seitz als gle­ich­berechtigter Präsi­dent der pro­vi­sorischen Nation­alver­samm­lung am 12. Novem­ber die Repub­lik Deutschöster­re­ich verkündete.

Ding­hofers poli­tis­che Heimat war die Großdeutsche Volkspartei, die 1920 die Nach­folge der von Ding­hofer gegrün­de­ten Großdeutschen Vere­ini­gung antrat und mehrmals in Koali­tio­nen mit den Christlich-Sozialen war. 1933, ein Jahr vor dem Parteien­ver­bot durch den aus­tro­faschis­tis­chen Stän­destaat, schloss die Partei eine Kampfge­mein­schaft mit der NSDAP. Ding­hofer war zwar zu diesem Zeit­punkt als Präsi­dent des Ober­sten Gericht­shofes schon im poli­tis­chen Aus­gedinge, aber den Aus­tro­faschis­mus über­stand er auch in dieser Funk­tion. Erst 1938 wurde er im Alter von 65 Jahren von den Nation­al­sozial­is­ten pen­sion­iert und durch einen echt­en Nazi abgelöst. Ein Wider­stand­skämpfer gegen den Nation­al­sozial­is­mus wurde aus dem Anti­semiten und Deutschna­tionalen Ding­hofer jedoch nicht.

Das war aber auch nicht der Zweck der Ehrung. Die lag schon in der klaren Pro­voka­tion, dass in den Räu­men des Par­la­ments der schei­dende Dritte Präsi­dent aus­gerech­net der vor­sitzführen­den Burschen­schaft Teu­to­nia Wien für die Deutsche Burschen­schaft die Medaille „für Ver­di­en­ste um die Demokratie“ ver­liehen hat.