Markus Wilhelm hat in seinem Blog-Beitrag weder der Tiroler ÖVP noch der „Area 47“ im Ötztal, wo der Wahlkampfauftakt der Tiroler ÖVP am 6. April stattgefunden hat, NS-Wiederbetätigung vorgeworfen. Er kritisiert die Verquickung zwischen einer Subvention der Tiroler Landesregierung für die Eventhalle „Area 47“ und einem Inserat von „Area 47“ in der ÖVP-Mitgliederzeitung „Tiroler Weg“ und weist dann auf die Konzerte der Böhse Onkelz-Coverband Stainless Steel und Frei.Wild in der „Area 47“ im Jahr 2012 hin: „So gesehen hat Platter für seinen angestrebten Wahlkampfhöhepunkt den stimmigsten und zur Marke ÖVP passendsten Veranstaltungsort gefunden: symbolhaft für Vorgestrigkeit und tiefen politischen Morast. Besser hätte es die ÖVP nicht treffen können.“ (Quelle: dietiwag.org)
Der zentrale Vorwurf ist der der ÖVP-„Freunderlwirtschaft“, den Wilhelm über seinen Blog ja nicht zum ersten Mal erhebt: „Es riecht ziemlich scharf nach Filz, mit einem kräftigen Bouquet aus Freunderlwirtschaft und Klüngelei, das im Abgang an Korruption erinnert.“
Die ÖVP Tirol und „Area 47“ haben mit einer Klage auf Kreditschädigung und Unterlassung geantwortet, „zumal sie durch Anbringung des Hakenkreuzes auf der Homepage mit nationalsozialistischem Gedankengut in Verbindung gebracht werden. Dadurch entsteht insofern Schaden, als deren Kredit, der Erwerb und Fortkommen sowie deren wirtschaftlicher und politischer Ruf gefährdet werden“ (Kronen Zeitung, 6.4.13).
Für die Illustration des Beitrags „ÖVP-Parteitag am rechten Ort“ hat Wilhelm das Logo von „Area 47“ deutlich erkennbar überpinselt und zu einem Hakenkreuz umgeformt. Das Bezirksgericht Silz hat über eine einstweilige Verfügung laut „Krone“ genau das festgestellt: „Das Emblem bzw. das Logo wurde durch eigenmächtigen Eingriff bewusst derart verändert, dass dieses unzweifelhaft ein Hakenkreuz darstellt.“ (Kronen Zeitung, 6.4.13) In diesem Eingriff sieht das Bezirksgericht allerdings eine Verletzung des NS-Verbotsgesetzes – eine mehr als gewagte Interpretation! Das Verbotsgesetz handelt die Rechtfertigung, Verharmlosung und Leugnung von NS-Verbrechen sowie die klassische NS-Wiederbetätigung ab und stellt sie unter Strafandrohung, nicht aber den Einsatz gegen Neonazismus.
Die Darstellung eines Hakenkreuzes ohne die Absicht der NS-Wiederbetätigung wird im Abzeichengesetz geregelt, das zunächst die Verbreitung und Darstellung, auch das Tragen von Abzeichen, Uniformen, Symbolen und Emblemen „einer in Österreich verbotenen Organisation“ (damit sind im konkreten Fall die verschiedensten Gliederungen der NSDAP und andere NS-Organisationen gemeint) verbietet, im § 2 aber ausdrücklich eine Ausnahme vom Verbot vorsieht, „wenn nicht das Ideengut einer verbotenen Organisation gutgeheißen oder propagiert wird“. Aus den letzten Jahren sind keine Entscheidungen der Justiz bekannt, Aktionen oder Äußerungen zu kriminalisieren, die gegen Rechtsextremismus oder NS- Wiederbetätigung gerichtet waren und ihre Haltung durch die Verwendung von NS-Symbolen ausdrücken wollten.
Als der grüne Abgeordnete Andreas Wabl 1987 im Nationalrat eine Hakenkreuz-Fahne entrollte, um damit gegen den damaligen Bundespräsidenten Waldheim und dessen unsäglichen Spruch, er habe nur seine Pflicht als Soldat während der NS-Zeit erfüllt, zu protestieren, gab es zwar einen öffentlichen Aufschrei über den Tabu-Bruch (die Rechte warf Wabl in der gewohnten Täter-Opfer-Umkehr NS-Wiederbetätigung vor), aber keinen Versuch der Justiz, diese Demonstration zu kriminalisieren.
Die Begründung des Bezirksgerichts Silz, die derzeit nur aus der Darstellung der „Krone“ bekannt ist, ist ebenso wenig nachvollziehbar wie die Argumentation des Justizministeriums bei der antisemitischen Karikatur, die Strache auf seinem Facebook-Konto veröffentlicht hat.
Siehe auch: „Standard“: Tiroler ÖVP geht mittels NS-Verbotsgesetz gegen Aufdecker Wilhelm vor