Strache bald gerichtlich anerkannter Antisemitismus-Experte?

Ver­mut­lich hat Stra­che bei seinem Inter­view für das Ö1-Mit­tagsjour­nal noch nicht daran gedacht, dass ihn seine Hal­tung zum Ver­het­zungspara­grafen im Strafrecht selb­st betr­e­f­fen kön­nte. Mit sein­er Bew­er­tung von strafrechtlichen Verurteilun­gen wegen Ver­het­zung als „Mei­n­ung­surteile“ hat der FPÖ-Parte­ichef neben den anderen Pro­voka­tio­nen des ver­gan­genen Woch­enen­des jeden­falls eine Pro­voka­tion der beson­deren Art gesetzt.

Die Staat­san­waltschaft Wien prüft derzeit, ob Ermit­tlun­gen wegen des Ver­dachts der Ver­het­zung wegen der anti­semi­tis­chen Karikatur ein­geleit­et wer­den, die auf dem Face­book-Kon­to „HC Stra­che“ veröf­fentlicht wurde. Stra­che und seine Gen­er­alsekretäre Vil­im­sky und Kickl bemühen sich seit Tagen ziem­lich ergeb­nis­los, den Vor­wurf des Anti­semitismus an alle diejeni­gen zurück­zus­pie­len, die den Vor­wurf gegen ihn erhoben haben. Ein bekan­ntes Spiel. Der Blog Bawekoll hat sich dadurch nicht irri­tieren lassen und dem von Stra­che auf FB präsen­tierten „Ent­las­tungs­be­weis“ den richti­gen Dreh gegeben. Der Recht­san­walt Dr. Zanger hat Anzeige wegen des Ver­dachts der Ver­het­zung bzw. NS-Wieder­betä­ti­gung eingebracht.


Strafanzeige gegen Hein­rich Strache

Stra­che hat am ver­gan­genen Woch­enende nicht nur mit seinen Sprüchen („Isst Du Schwein, darf­st Du rein!“) und dem anti­semi­tis­chen Bild­chen Pro­voka­tio­nen geset­zt, son­dern auch mit seinem Inter­view im Ö1-Mit­tagsjour­nal am 18. August, in dem er strafrechtliche Verurteilun­gen nach dem Ver­het­zungspara­grafen als „Mei­n­ung­surteile“ beze­ich­nete, die sein­er Ansicht nach auch nicht zum Ver­lust eines Man­dats führen solten.

Ste­fan Kap­pach­er, der das Inter­view führte, hat aus­drück­lich nur nach Urteilen wegen Ver­het­zung gefragt, aber aus der Antwort bzw. dem Vorschlag von Stra­che ergibt sich zweifel­los, dass für Stra­che auch die Verurteilung eines Man­datars wegen eines Ver­brechens nach dem NS-Ver­bots­ge­setz ein Mei­n­ung­surteil darstellen würde. Damit wäre etwa auch die Verurteilung des ehe­ma­li­gen FPÖ-Nation­al- und Bun­desrats John Gude­nus wegen NS-Wieder­betä­ti­gung im Jahr 2006 ein Mei­n­ung­surteil und Gude­nus damit – wenn man die Pro­voka­tion von Stra­che weit­er­spin­nt – ein „gerichtlich anerkan­nter Holocaust-Experte“.


Auszug aus dem Inter­view im Ö1-Mit­tagsjour­nal am 18. August

Das Beson­dere an der Umdeu­tung von Stra­che ist, dass er damit einen recht­sex­tremen Diskurs wieder aufn­immt, in dem auch die Leug­nung des Holo­caust und von NS-Ver­brechen als „Mei­n­un­gen“ beze­ich­net wer­den, die man –auch wenn man diese „Mei­n­un­gen“ für falsch oder ver­w­er­flich halte, im Inter­esse der Mei­n­ungs­frei­heit gel­ten lassen müsse. Die let­zte frei­heitliche Spitzen­funk­tionären, die zum NS-Ver­bots­ge­setz so argu­men­tierte, war Bar­bara Rosenkranz („Ist man für Mei­n­ungs­frei­heit, dann wird es nicht anders gehen, als dass man absurde, skur­rile, ver­w­er­fliche Mei­n­un­gen zulässt”).

Rosenkranz musste ihre rel­a­tivieren­den Posi­tio­nen zurück­nehmen und Stra­che sprach sich damals sehr deut­lich für das NS-Ver­bots­ge­setz aus: „Ich sehe das Ver­bots­ge­setz in sein­er Gesamtheit in der heuti­gen Zeit ins­beson­dere nicht nur als geset­zlich­es Instru­ment, son­dern auch als eine Art wichtiges poli­tisch-rechtlich­es Sym­bol für diese klare Dis­tanzierung und messer­scharfe Trennlin­ie zu den Ver­brechen und der ver­brecherischen Ide­olo­gie des Nation­al­sozial­is­mus.” (OTS, 5.3.2012)

Mit der Umdeu­tung und Rel­a­tivierung der Ver­het­zung und der süff­isan­ten Bemerkung zu Susanne Win­ter als „gerichtlich anerkan­nter Islamis­mus-Kri­tik­erin“ hat Stra­che ein deut­lich­es Zeichen an den braunen und ras­sis­tis­chen Sumpf gegeben. Sollte die Prü­fung der Staat­san­waltschaft Wien bei dem Banker-Car­toon zu einem Ver­fahren bzw. ein­er Verurteilung Stra­ches führen, dann wäre das nach Stra­ches Aus­führun­gen die Verurteilung ein­er Mei­n­ung und er damit so etwas wie ein gerichtlich anerkan­nter Antisemitismus-Experte!