Der Nimbus von Küssel in der Neonazi-Szene speist sich nicht nur aus seiner Verurteilung zu elf Jahren Haft im VAPO-Prozess (von denen er allerdings nur rund zwei Drittel absitzen musste) und seinen besten Beziehungen in fast alle rechten Ecken, sondern vor allem aus seiner Bekennerpose. Küssel hat sich in der Vergangenheit öffentlich dazu bekannt, Nationalsozialist bzw. auch Mitglied der NSDAP/AO zu sein. Ob er dies mit Michael Dohr als Anwalt vor dem Geschworenengericht wiederholen wird, darf bezweifelt werden.
Aber auch so scheinen die Karten für Küssel und die weiteren Angeklagten nicht günstig. Bei der Hausdurchsuchung im April 2011 brauchte die Polizei nur einzusammeln. Neben PC, Laptop, Handys und Waffen (darunter anscheinend eine Maschinenpistole) wurden auch, „NS-Fahnen, Liederbücher, CDs, Notizbücher“ (Österreich, 8.5.2011) sowie eine Klarsichtmappe mit spannendem Inhalt gefunden: alle Passwörter, die Küssel benutzte (Österreich, 8.5.2011). Auf einer CD fanden sich alle „Promi“-Kontakte aus Deutschland und Österreich.
Offenbar wurde noch mehr gefunden bzw. mittlerweile ausgewertet. Wie der „Kurier“ (4.1.2012) berichtet, habe Küssel Christian Anderle per Mail aufgefordert, die zwei Domains (für die Homepage bzw. das Forum von Alpen-Donau) zu reservieren: „Ermittler fanden auf seinem PC eine abgespeicherte Rechnung“. Ziemlich viel Ungeschick für „Führer“ Küssel, der außerdem gemeinsam mit Felix Budin einen Pseudo-Staatsvertrag verfasst haben soll, „der stellenweise an das NSDAP-Programm angelehnt war“ (Kurier).
Sin die Funde bei Küssel & Co nicht auch Indiz dafür, dass Küssel einfach nicht mit einer Hausdurchsuchung gerechnet hat? Warum eigentlich nicht? So dumm kann man ja gar nicht sein, oder? Die Moderatoren des ADI-Forums haben ihre User immer wieder sehr barsch darauf hingewiesen, die Regeln einer geheimen Kommunikation einzuhalten, haben ihre Kommunikationskanäle verschlüsselt – und dann liegen die Passwörter in einer Klarsichtmappe fein säuberlich geordnet!
Kein Geringerer als Heinz-Christian Strache selbst hat den Verfassungsschutz als Mastermind für Alpen-Donau ins Spiel gebracht (Kickl und Co. durften zur Ablenkung von freiheitlichen Connections zu Alpen-Donau die Grünen als Hintermänner von Alpen-Donau benennen). Am 3. Dezember 2010 antwortete Strache in einem Interview mit den „Salzburger Nachrichten“ auf eine Frage zu Alpen-Donau: „Sie glauben wirklich, dass das Innenministerium hier Leute einschleust?“ mit „Ich kann mir sogar vorstellen, dass Verfassungsschützer diese Seite gestalten.“ (SN, 3.12. 2010)
Das können wir uns zwar nicht vorstellen, aber die langandauernde Zögerlichkeit der Verfassungsschützer, gegen die Betreiber von Alpen-Donau vorzugehen, gibt uns zu denken.
Anti-EU-Demonstration 2008: Küssel (links im Bild mit Sonnenbrille) und u.a. Neonazis aus dem AfP-Umfeld; Quelle mit weiteren Bildern: no-racism.net
Dazu kommt noch etwas: Im März 2011 ging alpen-donau.info vom Netz, um als alpen-donau.net am 20. April wieder aufzutauchen und zwei Monate danach völlig abzusacken. Im Gegensatz zu den Behauptungen vor dem Abtauchen im März, die Seite werde besser und prächtiger bei einem neuen Provider erscheinen, war im April nichts neu und schon gar nichts prächtig. Einziger Unterschied: Der Verfassungsschutz sollte eigentlich aufgrund der Passwörter von Küssels Klarsichtmappe kein Problem gehabt haben, die neuen Login-Dateien aufzuspüren. Etwas spät dürfte das auch der steirischen Abteilung, den Alpen-Mur-Nazis gedämmert haben, denn erst dann war endgültig Schluss und die Seite wurde nicht mehr gefüttert. Ende 2011 war sie dann endgültig offline.
Warum aber liegt noch keine Anklage gegen die steirische Abteilung von Alpen-Donau vor? Warum müssen wir uns bei „Stolzundfrei“, den Nachfolgern und Gehilfen der Alpen-Donau-Nazis wieder die gleichen Ausreden („Server im Ausland“) anhören?
Seit Dezember 2011 liegt die Anklage der Staatsanwaltschaft Wien vor. Ob sie durch die Verteidigung beeinsprucht wurde, geht aus dem „Kurier“-Bericht nicht hervor. Das Strafverfahren gegen Küssel & Co. wird die Strukturen der Alpen-Donau-Nazis, ihre Beziehungen zum deutschnationalen Umfeld, zur FPÖ bzw. freiheitlichen Funktionären, deren sie sich selber immer wieder gerühmt haben, nicht oder nur unzureichend klären (können). Ähnliches gilt für das zögerliche Vorgehen des Verfassungsschutzes. Auf der Anklagebank werden drei Personen sitzen, die des Verdachts der NS-Wiederbetätigung beschuldigt werden. Der Strafrahmen umfasst bis zu 20 Jahre Haft. Es ist Küssels letzte Schlacht.
Siehe auch:
↳ diepresse.com — Neonazi-Prozess: Küssel bekennt sich „nicht schuldig“
↳ kurier.at — Küssel plante „völkischen Staat”