Muzicant kritisiert laschen Umgang mit Rechtsextremismus
Erneut Kritik an „Kellernazis” unter FPÖ-Funktionären — Lob für Innen‑, Kritik an Justizministerium
Wien (APA) — Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Ariel Muzicant, hat einmal mehr den für ihn zu laschen Umgang Österreichs mit dem Rechtsextremismus kritisiert. Vor allem die Aussagen mancher „Kellernazis” unter den FPÖ-Funktionären würden mittlerweile kaum jemanden aufregen, sagte er am Donnerstag in einer Pressekonferenz. Während Muzicant die Zusammenarbeit mit dem Innenministerium als mustergültig bezeichnete, sieht er Versäumnisse in der heimischen Justiz bei der Verfolgung Rechtsextremer.
„Die FPÖ und ihre Vertreter können tun und lassen, was sie wollen, es passiert nichts”, ärgert sich Muzicant. Als jüngstes Beispiel nannte er unter anderem eine Aussage des freiheitlichen Generalsekretärs Herbert Kickl, der im Nationalrat von „Davongelaufenen”, die nun „verhätschelt” würden, gesprochen hatte. Muzicant sieht darin eine klare antisemitische Aussage, auch wenn Kickl sich im Nachhinein auf „Scheinasylanten” bezogen hatte. „Jeder, der es verstehen wollte, hat es verstanden”, so der IKG-Präsident. Während solche Aussagen in Österreich hingenommen würden, hätte Kickl in Deutschland innerhalb weniger Sekunden zurücktreten müssen: „Der wäre im Müll der Geschichte gelandet.”
Auch wenn Muzicant die FPÖ nicht als solche kritisieren will, sieht er dennoch auf der einen Seite „einen Kern von Kellernazis”. Auf der anderen Seite wiederum stehe Parteichef Heinz-Christian Strache, „der sich ganz unschuldig vor die Kamera stellt und den Staatsmann spielt”. Da würde auch dessen Reise nach Israel nichts nützen: „Da glauben all diese Herrschaften, dass sie einen Persilschein kriegen und plötzlich keine Kellernazis mehr sind.” Und weiter: „Strache und Co. würden ohne diesen rechtsextremen Bodensatz nicht existieren.”
Mitschuld an den Zuständen sieht Muzicant nicht nur manche Medien, für die vieles schon hoffähig und normal sei: „Ich sehe sehr wohl eine Mitschuld der Regierungsparteien.” Diese würden sich eine Möglichkeit lassen, eventuell auch mit der FPÖ zu „fahren”. Dass die Freiheitlichen demokratisch gewählt sind, ist für Muzicant kein entlastender Grund. „Man vergisst, der Hitler ist zunächst auch demokratisch gewählt worden.” Einen dezidierten Vergleich Straches mit diesem will Muzicant allerdings nicht ziehen.
Beim Umgang Österreichs mit rechtsextremem Terror, mit dem etwa Deutschland zur Zeit zu kämpfen hat, sieht Muzicant schon weniger schwarz. „Wir haben nicht den ganzen Zirkus, weil wir ein ordentliches Verbotsgesetz haben.” Die Zusammenarbeit mit der Polizei klappe hervorragend, Kritik gab es allerdings an der Justiz. Eine Anzeige gegen die vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) als rechtsextrem eingestufte Zeitschrift „Aula” liege seit einem Jahr bei der Staatsanwaltschaft. Hier müsse es ein politisches Interesse geben, dass etwas passiert, ein Gespräch mit Justizministerin Beatrix Karl (V) strebt die IKG an.
Eine weitere, jüngere Anzeige der IKG richtet sich gegen eine Website mit dem Namen „stolz und frei”. Diese soll — wie die berüchtigte Neonazi-Seite alpen-donau.info — nationalsozialistische Inhalte transportieren.