Die Ehrenbürgerschaften des Herrn H.

Haben wir irgen­det­was falsch gedeutet oder überse­hen? Im „Kuri­er“ vom 21.6.2011 wird die FPÖ-Vize­bürg­er­meis­terin von Brau­nau, Brigitte Zeillinger, zu Adolf Hitlers Ehren­bürg­er­schaft in Brau­nau befragt und weiß dazu nur, dass Hitlers Ehren­bürg­er­schaft noch nicht auf der Tage­sor­d­nung ist: „Wenn es nicht auf der Tage­sor­d­nung ist, wieso soll ich eine Hal­tung dazu haben?”

Stun­den später kann die hal­tungslose Vize­bürg­er­meis­terin der APA aber schon erk­lären, dass Hitler im ganzen Bezirk Brau­nau nicht als Ehren­bürg­er geführt werde. Ihre Recherchen hät­ten das ergeben. Frei­heitliche Recherchen sind eben nicht die besten! Hitler war im Bezirk Brau­nau jeden­falls Ehren­bürg­er in Schalchen (das 1998 aberkan­nt hat), in Maria Schmolln und in Brau­nau. „Jet­zt gilt es, ser­iös zu recher­chieren statt hys­ter­isch zu reagieren”, erk­lärt der His­torik­er Flo­ri­an Schwan­ninger den OÖN (22.6.2011) In Maria Schmolln hat der Amt­sleit­er recher­chiert und ein Doku­ment vom 7. Sep­tem­ber 1945 gefun­den, mit dem der Gemein­der­at Hitler die Ehren­bürg­er­schaft aberkan­nt hat.

Zurück zur Brau­nauer FPÖ-Vize­bürg­er­meis­terin. Stun­den nach ihren Recherchen haben neue Recherchen offen­sichtlich so etwas wie eine Hal­tung ergeben, und sie ist für eine rasche Aberken­nung mit der Begrün­dung: „Öster­re­ich und ins­beson­dere die Stadt Brau­nau waren und sind stets vor­bild­haft in der Aufar­beitung der Geschichte.“ (APA-OTS, 22.6.2011) Lassen wir diesen gewichti­gen Satz aus dem Mund ein­er FPÖ-Man­datarin ein­fach ein­mal so ste­hen und nachwirken!

Es gibt näm­lich noch anderes zu bericht­en und zu recher­chieren, etwa die juris­tis­chen Aspek­te. Eine der bequem­sten Antworten zu den Ehren­bürg­er­schaften Hitlers in den let­zten Wochen war näm­lich: Hitler ist schon seit seinem Selb­st­mord vor 66 Jahren kein Ehren­bürg­er mehr. Die Gemein­de­ord­nun­gen wür­den ohne­hin vorse­hen, dass die Ehren­bürg­er­schaften mit dem Tod erlöschen. Dem ist nicht so! Der „Stan­dard“ zitiert Univ.Prof. Heinz May­er, und der zitiert wieder die aktuelle oö. Gemein­de­ord­nung als Beleg.

Oberöster­re­ich hat sich 2007 dafür entsch­ieden, eine mit dem Tod befris­tete Wirkung der Ehren­bürg­er­schaft in das Gesetz aufzunehmen. 2007 ist aber nicht 1938: Nach der Machtüber­nahme durch die Nazis in Öster­re­ich wurde am 13.3.1938 ver­fügt, dass die aus­tro­faschis­tis­che Gemein­de­ord­nung aus 1936 weit­er gelte.

Geän­dert wurde die Beze­ich­nung des Lan­des, das jet­zt als „Ober­donau“ beze­ich­net wer­den musste. Mit Okto­ber 1938 trat dann die deutsche Gemein­de­ord­nung 1935 in Kraft, die eben­falls keine Beschränkung der Ehren­bürg­er­schaft mit dem Tod vorsah.

Der Staat­srechtler Andreas Janko (Uni Linz) ist der Auf­fas­sung, dass es nach Kriegsende zu einem entschei­den­den Bruch in der Geset­zge­bung kam, durch die alle juris­tis­chen Nor­men mit direk­tem NS-Bezug außer Kraft geset­zt wur­den. (OÖN, 25.6.2011) Ein­mal abge­se­hen davon, dass manche NS-Geset­ze und Einzelbes­tim­mungen noch sehr lange in der öster­re­ichis­chen Recht­sor­d­nung nach­wirk­ten: Bei den im Früh­jahr 1938 gel­tenden Bes­tim­mungen über die Ehren­bürg­er­schaften han­delt es sich um solche aus dem Jahr 1936, die nicht vom Recht­süber­leitungs­ge­setz 1945 und den fol­gen­den Rechts­bere­ini­gun­gen wegen nation­al­sozial­is­tis­chen Gedankenguts erfasst waren.

Es ist daher bis auf Weit­eres davon auszuge­hen, dass die Ehren­bürg­er­schaften für Hitler und Co. in den ver­schiede­nen Gemein­den rechts­gültige Beschlüsse darstellen: Einen gewählten Gemein­der­at braucht­en die Bürg­er­meis­ter dazu auch nach der Gemein­de­ord­nung des Stän­destaates nicht, weil ihn die Gemein­de­ord­nung von 1936 nicht mehr vor­sah. Die Ver­fas­sungs- und Ver­wal­tungsjuris­ten sind sich jeden­falls darin einig, dass eine Aberken­nung der Ehren­bürg­er­schaft aus sym­bol­is­chen Grün­den jeden­falls anzu­rat­en sei.

In Maria Anzbach, ein­er Gemeinde des Bezirkes Neu­leng­bach, wo die Gemein­de­v­er­wal­ter im Jahr 1938 in ein­er „Amtlichen Ver­laut­barung“ die Ehren­bürg­er­schaft für Hitler in allen Gemein­den des Bezirkes bekan­nt­gaben, sieht die Mehrheit des Gemein­der­ates auch das anders.

In der Sitzung des Gemein­der­ates vom 20.6. wurde ein Dringlichkeit­santrag der Grü­nen auf Aberken­nung der Ehren­bürg­er­schaft durch die Mehrheit der ÖVP nicht in die Tage­sor­d­nung aufgenom­men. In Purk­ers­dorf, das nicht zum Bezirk Neu­leng­bach gehört, hat man in die Stadtarchive geblickt und dabei wilde Arisierun­gen, aber keine Ehren­bürg­er­schaft für Hitler gefun­den (NÖN, 16.6.2011).

Es wäre den Gemein­den jeden­falls drin­gend anzu­rat­en, ihre Archive (sofern vorhan­den) aufzuar­beit­en – nicht nur wegen der Ehren­bürg­er­schaften für Hitler.

Siehe auch: Die Ehren­bürg­er­schaften der Nazis; Teil I, II und III