Lesezeit: 3 Minuten

Strache bald gerichtlich anerkannter Antisemitismus-Experte?

Ver­mut­lich hat Stra­che bei sei­nem Inter­view für das Ö1-Mit­­tags­­­jour­nal noch nicht dar­an gedacht, dass ihn sei­ne Hal­tung zum Ver­het­zungs­pa­ra­gra­fen im Straf­recht selbst betref­fen könn­te. Mit sei­ner Bewer­tung von straf­recht­li­chen Ver­ur­tei­lun­gen wegen Ver­het­zung als „Mei­nungs­ur­tei­le“ hat der FPÖ-Par­­tei­­chef neben den ande­ren Pro­vo­ka­tio­nen des ver­gan­ge­nen Wochen­en­des jeden­falls eine Pro­vo­ka­ti­on der beson­de­ren Art gesetzt. Die Staats­an­walt­schaft Wien prüft […]

23. Aug 2012

Die Staats­an­walt­schaft Wien prüft der­zeit, ob Ermitt­lun­gen wegen des Ver­dachts der Ver­het­zung wegen der anti­se­mi­ti­schen Kari­ka­tur ein­ge­lei­tet wer­den, die auf dem Face­book-Kon­to „HC Stra­che“ ver­öf­fent­licht wur­de. Stra­che und sei­ne Gene­ral­se­kre­tä­re Vilims­ky und Kickl bemü­hen sich seit Tagen ziem­lich ergeb­nis­los, den Vor­wurf des Anti­se­mi­tis­mus an alle die­je­ni­gen zurück­zu­spie­len, die den Vor­wurf gegen ihn erho­ben haben. Ein bekann­tes Spiel. Der Blog Bawe­koll hat sich dadurch nicht irri­tie­ren las­sen und dem von Stra­che auf FB prä­sen­tier­ten „Ent­las­tungs­be­weis“ den rich­ti­gen Dreh gege­ben. Der Rechts­an­walt Dr. Zan­ger hat Anzei­ge wegen des Ver­dachts der Ver­het­zung bzw. NS-Wie­der­be­tä­ti­gung eingebracht.


Straf­an­zei­ge gegen Hein­rich Strache

Stra­che hat am ver­gan­ge­nen Wochen­en­de nicht nur mit sei­nen Sprü­chen („Isst Du Schwein, darfst Du rein!“) und dem anti­se­mi­ti­schen Bild­chen Pro­vo­ka­tio­nen gesetzt, son­dern auch mit sei­nem Inter­view im Ö1-Mit­tags­jour­nal am 18. August, in dem er straf­recht­li­che Ver­ur­tei­lun­gen nach dem Ver­het­zungs­pa­ra­gra­fen als „Mei­nungs­ur­tei­le“ bezeich­ne­te, die sei­ner Ansicht nach auch nicht zum Ver­lust eines Man­dats füh­ren solten.

Ste­fan Kapp­a­cher, der das Inter­view führ­te, hat aus­drück­lich nur nach Urtei­len wegen Ver­het­zung gefragt, aber aus der Ant­wort bzw. dem Vor­schlag von Stra­che ergibt sich zwei­fel­los, dass für Stra­che auch die Ver­ur­tei­lung eines Man­da­tars wegen eines Ver­bre­chens nach dem NS-Ver­bots­ge­setz ein Mei­nungs­ur­teil dar­stel­len wür­de. Damit wäre etwa auch die Ver­ur­tei­lung des ehe­ma­li­gen FPÖ-Natio­nal- und Bun­des­rats John Gude­nus wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung im Jahr 2006 ein Mei­nungs­ur­teil und Gude­nus damit – wenn man die Pro­vo­ka­ti­on von Stra­che wei­ter­spinnt – ein „gericht­lich aner­kann­ter Holocaust-Experte“.


Aus­zug aus dem Inter­view im Ö1-Mit­tags­jour­nal am 18. August

Das Beson­de­re an der Umdeu­tung von Stra­che ist, dass er damit einen rechts­extre­men Dis­kurs wie­der auf­nimmt, in dem auch die Leug­nung des Holo­caust und von NS-Ver­bre­chen als „Mei­nun­gen“ bezeich­net wer­den, die man –auch wenn man die­se „Mei­nun­gen“ für falsch oder ver­werf­lich hal­te, im Inter­es­se der Mei­nungs­frei­heit gel­ten las­sen müs­se. Die letz­te frei­heit­li­che Spit­zen­funk­tio­nä­ren, die zum NS-Ver­bots­ge­setz so argu­men­tier­te, war Bar­ba­ra Rosen­kranz („Ist man für Mei­nungs­frei­heit, dann wird es nicht anders gehen, als dass man absur­de, skur­ri­le, ver­werf­li­che Mei­nun­gen zulässt”).

Rosen­kranz muss­te ihre rela­ti­vie­ren­den Posi­tio­nen zurück­neh­men und Stra­che sprach sich damals sehr deut­lich für das NS-Ver­bots­ge­setz aus: „Ich sehe das Ver­bots­ge­setz in sei­ner Gesamt­heit in der heu­ti­gen Zeit ins­be­son­de­re nicht nur als gesetz­li­ches Instru­ment, son­dern auch als eine Art wich­ti­ges poli­tisch-recht­li­ches Sym­bol für die­se kla­re Distan­zie­rung und mes­ser­schar­fe Trenn­li­nie zu den Ver­bre­chen und der ver­bre­che­ri­schen Ideo­lo­gie des Natio­nal­so­zia­lis­mus.” (OTS, 5.3.2012)

Mit der Umdeu­tung und Rela­ti­vie­rung der Ver­het­zung und der süf­fi­san­ten Bemer­kung zu Susan­ne Win­ter als „gericht­lich aner­kann­ter Isla­mis­mus-Kri­ti­ke­rin“ hat Stra­che ein deut­li­ches Zei­chen an den brau­nen und ras­sis­ti­schen Sumpf gege­ben. Soll­te die Prü­fung der Staats­an­walt­schaft Wien bei dem Ban­ker-Car­toon zu einem Ver­fah­ren bzw. einer Ver­ur­tei­lung Stra­ches füh­ren, dann wäre das nach Stra­ches Aus­füh­run­gen die Ver­ur­tei­lung einer Mei­nung und er damit so etwas wie ein gericht­lich aner­kann­ter Antisemitismus-Experte!

Keine Beiträge mehr verpassen: Email-Benachrichtigung aktivieren
abgelegt unter: Dokumentation