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WKÖ-Funktionär vergleicht SPÖ-Kampagne mit NSDAP

Für eine rech­te Ent­glei­sung sorg­te Chris­ti­an Ebner, Funk­tio­när der Wirt­schafts­kam­mer Öster­reich (WKÖ), ehe­ma­li­ger ÖVP-Poli­­ti­ker und danach BZÖ-Gene­ral­­se­­k­re­­tär. Er behaup­te­te auf Twit­ter: „Fakt ist der Slo­gan #Hol­Dir­Was­Dir­Zu­steht hät­te auch für die #NSDAP gepasst.” Eben­falls behaup­te­te er, dass die „Natio­nal Sozia­lis­ti­sche Deut­sche Arbei­ter Par­tei eine sozia­lis­ti­sche Par­tei war”. Stimmt das? Die SPÖ for­der­te Kon­se­quen­zen von WKÖ-Prä­­si­­den­­ten Christoph […]

7. Aug 2017

Die SPÖ for­der­te Kon­se­quen­zen von WKÖ-Prä­si­den­ten Chris­toph Leitl, die bis jetzt aber aus­blie­ben. SPÖ-Bun­des­ge­schäfts­füh­rer Georg Nie­der­mühl­bich­ler kann das nicht nach­voll­zie­hen und for­dert die WKÖ-Spit­ze, „kon­kret WKÖ-Prä­si­dent Chris­toph Leitl, drin­gend zu einer Klar­stel­lung auf”.

Ebner ist nicht nur WKÖ-Funk­tio­när, er war auch ehe­ma­li­ges ÖVP-Par­tei­mit­glied und da in der „Nei­gungs­grup­pe Wirt­schaft” der „Per­spek­ti­ven­grup­pe” tätig. 2010 wur­de er von Josef Bucher als neu­er BZÖ-Gene­ral­se­kre­tär vor­ge­stellt. Die Pres­se berich­te­te damals über den Wech­sel Ebners von der ÖVP zum BZÖ: „Doch glück­lich wur­de Ebner in der Volks­par­tei nicht. „Die ÖVP ist kei­ne bür­ger­li­che Par­tei“, sagt er. „Sie ist eine Wischi­wa­schi-Zen­trums­par­tei, die für alles und nichts steht.“ Im Sep­tem­ber 2009 trat er dem BZÖ sei, Bucher und sein Kurs­wech­sel hät­ten ihn über­zeugt. Er selbst sei seit jeher ein Rechts­li­be­ra­ler, so Ebner.”

Die Ver­harm­lo­sung des Natio­nal­so­zia­lis­mus ist aber nicht die ein­zig pro­ble­ma­ti­sche Aus­sa­ge von Ebner. So behaup­tet er in meh­re­ren Twit­ter-Mel­dun­gen, die „Natio­nal Sozia­lis­ti­sche Deut­sche Arbei­ter­par­tei” sei „eine sozia­lis­ti­sche Par­tei” gewe­sen; oder „Kom­mu­nis­mus und Natio­nal­so­zia­lis­mus sind beson­ders extre­me Vari­an­ten des Sozia­lis­mus”.

Sozialismus

Alle drei gro­ßen Strö­mun­gen des Sozia­lis­mus — Sozi­al­de­mo­kra­tie, Kom­mu­nis­mus und Anar­chis­mus — beto­nen über­ein­stim­mend Gleich­heit, Gerech­tig­keit, Soli­da­ri­tät. Bei der genau­en Aus­le­gung, was nun „Sozia­lis­mus” sei, gibt es natur­ge­mäß Wider­sprü­che. Wiki­pe­dia nennt als „kleins­ten gemein­sa­men Nen­ner des Begriffs” fol­gen­de Defi­ni­tio­nen:
 
 

  • Die Zeit defi­niert „Sozia­lis­mus” in ihrem „Lexi­kon in 20 Bän­den” (Zeit­ver­lag, Ham­burg 2005) als ein „Gegen­mo­dell zum Kapi­ta­lis­mus ent­wi­ckel­te poli­ti­sche Leh­re, die bestehen­de gesell­schaft­li­che Ver­hält­nis­se mit dem Ziel sozia­ler Gleich­heit und Gerech­tig­keit ver­än­dern will, und eine nach die­sen Prin­zi­pi­en orga­ni­sier­te Gesell­schafts­ord­nung sowie eine poli­ti­sche Bewe­gung, die die­se Gesell­schafts­ord­nung anstrebt.”.
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  • Micha­el New­man in „Socia­lism – A Very Short Intro­duc­tion, Oxford Uni­ver­si­ty Press” (2005): „Sozia­lis­mus bezieht sich auf ein wei­tes Spek­trum öko­no­mi­scher Theo­rien sozia­ler Orga­ni­sa­ti­on, wel­che sich kol­lek­ti­ven Besitz und poli­ti­sche Admi­nis­tra­ti­on zum Ziel der Schaf­fung einer ega­li­tä­ren Gesell­schaft zum Ziel gesetzt haben.”
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  • Oder Gün­ter Rie­ger in „Sozia­lis­mus” (Lexi­kon der Poli­tik, Bd. 7, direct­me­dia, Ber­lin): „Sozia­lis­mus bezeich­net Ideo­lo­gien, wel­che die Über­win­dung des Kapi­ta­lis­mus und die Befrei­ung der Arbei­ter­klas­se aus Armut und Unter­drü­ckung (sozia­le Fra­ge) zuguns­ten einer an Gleich­heit, Soli­da­ri­tät und Eman­zi­pa­ti­on ori­en­tier­ten Gesell­schafts­ord­nung propagieren.”
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    Bestim­men­des Wesens­merk­mal aller sozia­lis­ti­schen Strö­mun­gen ist die ega­li­tä­re Gesell­schaft, in der alle Men­schen gleich an Rech­ten sind, in der der errun­ge­ne Wohl­stand der Gesell­schaft allen zu Gute kommt und nicht nur eini­gen weni­gen. Eben­so bestim­mend für sozia­lis­ti­sche Bewe­gun­gen ist Auf­zei­gen eines Inter­es­sens­ge­gen­satz zwi­schen Unter­neh­me­rIn­nen und Arbeit­neh­me­rIn­nen, so genann­ter Klassengegensätze.

    Nationalsozialismus

    Bestim­men­des Ele­ment des Natio­nal­so­zia­lis­mus und auch des Rechts­extre­mis­mus ist das Kon­zept der „Volks­ge­mein­schaft”. Der Natio­nal­so­zia­lis­mus defi­nier­te die Volks­ge­mein­schaft als „die auf blut­mä­ßi­ger Ver­bun­den­heit, auf gemein­sa­mem Schick­sal und auf gemein­sa­mem poli­ti­schen Glau­ben beru­hen­de Lebens­ge­mein­schaft eines Vol­kes, der Klas­sen- und Stan­des­ge­gen­sät­ze wesens­fremd sind. Die Volks­ge­mein­schaft ist Aus­gang und Ziel der Welt­an­schau­ung und Staats­ord­nung des Natio­nal­so­zia­lis­mus.“ (Der Volks­brock­haus A–Z, 10. Auf­la­ge, F. A. Brockhaus/Leipzig 1943, S. 741.) Die Zuge­hö­rig­keit zur ari­schen Ras­se war eine zwin­gend not­wen­di­ge Bedin­gung für die Zuge­hö­rig­keit zur Volksgemeinschaft.

    Im Gegen­satz zum Sozia­lis­mus negier­te der Natio­nal­so­zia­lis­mus die Inter­es­sens­ge­gen­sät­ze zwi­schen Kapi­ta­lis­tIn­nen („Kapi­tal”) und Arbei­te­rIn­nen („Arbeit”) und ver­sprach eine Gemein­schaft, die die Klas­sen­ge­sell­schaft über­win­det. Das völ­ki­sche Ide­al war eine kon­flikt­freie, har­mo­ni­sche Gesell­schaft, die den „Klas­sen­kampf” hin­ter sich lässt.

    Gewerk­schaf­ten und Betriebs­rä­te wur­den im Natio­nal­so­zia­lis­mus nicht nur ver­bo­ten, son­dern auch ver­folgt. Schon vor der Macht­über­nah­me des Natio­nal­so­zia­lis­mus wur­den von völ­ki­schen Grup­pen so genann­te „gel­be” „Werks­ge­mein­schaf­ten” ein­ge­rich­tet, die ein har­mo­ni­sches Mit­ein­an­der von Arbeit­ge­be­rIn­nen und Arbeit­neh­me­rIn­nen anstreb­ten. Am 2. Mai 1933, einen Tag nach dem von den Nazis umge­deu­te­ten „Tag der natio­na­len Arbeit”, wur­den Gewerk­schafts­ge­bäu­de besetzt, deren Ver­mö­gen beschlag­nahmt und Funk­tio­nä­re ver­haf­tet. Das Gesetz zur Ord­nung der natio­na­len Arbeit vom 20. Janu­ar 1934 führ­te zu einer Umdeu­tung der Arbeit­ge­ber in „Betriebs­füh­rer“ und der Arbeit­neh­mer in „Gefolg­schaft“. Am 10. Mai 1933 wur­de die „Deut­sche Arbeits­front” (DAF) gegrün­det, die for­mal zwi­schen Unter­neh­me­rIn­nen und Arbei­te­rIn­nen ver­mit­tel­te. Tat­säch­lich ori­en­tier­te sich die DAF an die maxi­ma­le Leis­tungs­stei­ge­rung und damit Aus­beu­tung der ArbeitnehmerInnen.

    So kann es nicht ver­wun­dern, dass zahl­rei­che Indus­tri­el­le über­zeug­te Anhän­ger der NSDAP waren und das NS-Regime finanz­kräf­tig unter­stütz­ten (im Bild der dama­li­ge Fir­men­chef der Oet­ker-Grup­pe, Richard Kase­low­sky, mit Hit­ler-Stell­ver­tre­ter Her­mann Göring). Krupp, Sie­mens, Gute­hoff­nungs­hüt­te und Rhein­me­tall grün­de­ten eine „Metall­ur­gi­sche For­schungs­ge­mein­schaft” (Mefo), die mit dem Grund­ka­pi­tal von einer Mil­li­on Reichs­mark aus­ge­stat­tet wur­de und mit der der Umfang der Auf­rüs­tung ver­schlei­ert wur­de. Und wie der Grü­ne Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te Harald Wal­ser in „Die Hin­ter­män­ner, Vor­arl­ber­ger Indus­tri­el­le und die NSDAP 1933–1934” aus­führt, ent­schlos­sen sich auch in Vor­arl­berg „die ein­fluß­reichs­ten Unter­neh­mer des Lan­des, beein­druckt vom Erfolg der „natio­na­len Eini­gung” im Reich, eine gemein­sa­me Kampf­front mit der NSDAP zu bilden.”

    Rechtsextremismus als Extremisierung bürgerlich-konservativer Wertvorstellungen

    Sozia­lis­mus und Natio­nal­so­zia­lis­mus unter­schei­den sich dia­me­tral. Wäh­rend der Sozia­lis­mus die Gleich­heit aller Men­schen ein­for­dert, muss­te sich im Natio­nal­so­zia­lis­mus alles einer kon­stru­ier­ten „Volks­ge­mein­schaft” unter­ord­nen. Gesell­schaft wird im Sozia­lis­mus als kul­tu­rel­le Errun­gen­schaft ver­stan­den, wäh­rend im Natio­nal­so­zia­lis­mus Gesell­schaft als ein natür­li­cher Orga­nis­mus und als eine natür­li­che Glie­de­rung der mensch­li­chen Gesell­schaft (neben der Fami­lie) ver­stan­den wird. Das Volk wird so nicht als ein Kon­strukt ver­stan­den, son­dern als leben­di­ges Wesen, das Attri­bu­te wie „gesund“, „stark“, „schwach“, „feig“ oder „mutig“ ein­neh­men kann. Wäh­rend sich die Wert­vor­stel­lun­gen von Men­schen und daher auch von Grup­pen im Lau­fe der Zeit ändern kön­nen, bleibt das „Volk“ oder zu min­des­tens das Ide­al in der Vor­stel­lung der über die Zei­ten kon­stant. Jedes Bestre­ben nach einem „Gleich­auf“, einer Eman­zi­pa­ti­on der Men­schen nicht nur inner­halb einer Grup­pe, son­dern auch zwi­schen ver­schie­de­ner Eth­ni­en und Natio­nen, wider­spricht der völ­ki­schen Defi­ni­ti­on von „Volk“. Sozia­lis­mus wird als „gemein­schafts­ge­fähr­den­de Natur­wid­rig­keit“ beschrieben.

    Damit ist der Natio­nal­so­zia­lis­mus wesens­ver­wandt mit dem Rechts­extre­mis­mus, der eine Extre­mi­sie­rung bür­ger­lich-kon­ser­va­ti­ver Wer­te dar­stellt. In der wis­sen­schaft­li­chen Lite­ra­tur zum The­ma Rechts­extre­mis­mus, z.B. vom Doku­men­ta­ti­ons­ar­chiv des öster­rei­chi­schen Wider­stan­des (DÖW), u.a., wird die Rechts­extre­mis­mus­theo­rie von Wil­li­bald Hol­zer ange­wen­det. Ent­ge­gen der weit ver­brei­te­ten Tota­li­ta­ris­mus-Theo­rie (ange­wen­det z.B. von den Ver­fas­sungs­schutz­ein­rich­tun­gen Deutsch­lands und Öster­reichs), die von einer bipo­la­ren Gesell­schaft aus­geht, in der es zwei Extre­me gibt (Links und Rechts) und eine “gute” Mit­te, die die­se bei­den Extre­me unter Kon­trol­le brin­gen und hal­ten muss, geht die Rechts­extre­mis­mus­theo­rie von Wil­li­bald Hol­zer einen ande­ren Weg. Einen weni­ger ideo­lo­gi­sier­ten und wis­sen­schaft­li­chen Weg.

    Dem­nach ent­steht Rechts­extre­mis­mus aus der Extre­mi­sie­rung bür­ger­lich-kon­ser­va­ti­ver Wert­vor­stel­lun­gen (s.a. „Reak­tio­nä­rer Back­lash”). Die­se Wert­vor­stel­lun­gen umfas­sen z.B. Fami­lie, Staat, Nati­on, Volk. Die­se Wer­te ins Extrem gedacht – bio­lo­gi­siert – mit einer natur­ge­woll­ten Ord­nung ver­se­hen, stellt den Nähr­bo­den für Rechts­extre­mis­mus dar.