Die zahlreichen schrägen Formulierungen und Schreibfehler in den Kommentaren unter dem Facebook-Posting von Rosenkranz sind nicht das eigentliche Problem, sie zeigen eher, wie sich die Volksseele, angestachelt durch ein Video von Rosenkranz, ungebremst entlädt. Rosenkranz erklärt in dem Video, dass er als Vorsitzender des „sogenannten Nationalfonds“ (die korrekte Bezeichnung „der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus“ lässt Rosenkranz weg) zur Seite treten und u.a. die Vorsitzführung im Kuratorium des Fonds an den Zweiten Präsidenten übertragen werde. Er wolle „unzensiert, direkt und nicht kommentiert“ sagen, „einfach das, was ich eben zu sagen habe“.
Nachdem er über die Medien jammerte – es gäbe dort „von der Halbwahrheit begonnen bis zur ganzen Unwahrheit immer Dinge“ –, habe er „jetzt dieses direkte Format“ gewählt, eben ein unzensiertes, wie sich Rosenkranz ausdrückt. Als einzigen Akteur erwähnt Rosenkranz in seinem Video die Israelitische Kultusgemeinde (IKG), die seinen Rücktritt als Vorsitzender des Nationalfonds gefordert hatte.
Das war nämlich einer der Hauptpunkte und Hauptforderungen, eigentlich die einzige, die zum Beispiel die Israelitische Kultusgemeinde an mich stellte. Sie hat in einem Beschluss gesagt, solange ich die Sitzungen als Vorsitzender leite, werde sie nicht an den Sitzungen teilnehmen.
Das hat gereicht. Wer die gesellschaftliche Situation in Österreich kennt, weiß: Schon die bloße Erwähnung der IKG genügt, um antisemitische Reflexe auszulösen – erst recht in dem Lager, das Rosenkranz anspricht. Bislang (Stand 5.5.25) wurden 340 Kommentare verfasst, der Beitrag wurde 422-mal geteilt – deutlich häufiger als jedes andere Posting auf Rosenkranz’ Facebook-Seite seit seiner Wahl zum Ersten Nationalratspräsidenten.
Richtiggehend ins Zeug gelegt hat sich ein (ehemaliger?) Mitarbeiter der FPÖ Niederösterreich, der Rosenkranz‘ Video mindestens zehnmal in diverse Gruppen teilte, versehen mit zahlreichen Emojis und dem Text: „Wenn der linke tiefe Staat Österreichs was/wen attackiert, liegt man immer richtig“
Rund 100 antisemitische Kommentare
„Stoppt die Rechten“ hat die Entwicklung der Kommentierungen von Beginn an verfolgt. Die antisemitischen Bemerkungen ließen nicht lange auf sich warten, sie konnten sich ungehindert und unwidersprochen entfalten. Um die 100 antisemitische Kommentare haben sich so angesammelt und sind bis heute sichtbar.
Vom „importierten Antisemitismus“, auf den die FPÖ so gerne verweist, ist auf Rosenkranz‘ Facebook-Seite nichts zu bemerken. Was sich dort Bahn gebrochen hat, entspricht einer österreichischen Hausmarke aus der rechten Ecke, fast so, als wolle man beweisen: Wir können das auch. Dargeboten wird Antisemitismus in all seinen Facetten: dass die Juden Jesus um 30 Silberlinge verkauft hätten („das ist heute genauso aktuell wie vor 2000 Jahren“), dass es ihnen nur ums Geld ginge, dass sie auswandern sollen, wenn sie sich in Österreich nicht anpassen oder es ihnen nicht passt.
Es geht um Israel und Gaza, als wäre die IKG für die israelische Politik verantwortlich. Manche sprechen Juden und Jüdinnen überhaupt gleich die Staatsbürgerschaft ab und reden von „Ausländern“, Diffamierungen wie „Kultussippe“, „Terroristen“, „Packlrass“, „hetzerisch“, „heuchlerisch“ prasseln ebenso herab wie der Ruf, dass endlich mit der Vergangenheit Schluss sein müsse, denn: „Nach soo langer Zeit muß doch endlich Ruhe sein mit Hass und Unfrieden.“
Manche geben sogar vor, sich für die österreichischen Juden schämen zu müssen, unzählige Male ist zu lesen, den Juden solle der Geldhahn abgedreht werden. Und da reiht sich auch noch der Gloggnitzer FPÖ-Gemeinderat Thomas Hardteck ein, der nicht zum ersten Mal mit purem Antisemitismus auffällt und halluziniert, dass die Juden hierzulande keine Steuern zahlen würden, „nur wissen es die wenigsten“.
Eine Moderation der Kommentare fand statt – verschwunden sind einige der typischen Spam-Kommentare, manches wurde gemutet, doch die antisemitischen Ergüsse blieben stehen, selbst solche, die mutmaßlich den Tatbestand der Verhetzung erfüllen.
Parlamentarische Anfrage
Der Grüne Nationalratsabgeordnete Lukas Hammer hat deshalb eine parlamentarische Anfrage an Walter Rosenkranz gerichtet. Er möchte nicht nur wissen, nach welchen Kriterien und von wem die Kommentare auf Rosenkranz’ Facebook-Seite moderiert werden und wie er gedenkt „künftig mit antisemitischen Kommentaren in der Art“ umzugehen, sondern auch, wer die Inhalte für die Facebook-Seite bereitstellt.
Als Medieninhaberin fungiert zwar die FPÖ, doch Hammer fragt auch, ob der beim Personal von Rosenkranz auf der Parlamentswebsite genannte „Social Media Referent“ „im Büro des Nationalratspräsidenten (…) oder bei der ‚Freiheitlichen Partei Österreichs‘“ angestellt ist. Sollte dieser Mitarbeiter im Büro des Nationalratspräsidenten beschäftigt sein, dürfte er die Partei-Facebook-Seite von Rosenkranz nicht betreuen. In diesem Fall würde sich die Frage stellen, womit er sich stattdessen befasst.
P.S.: Am 5. Mai postete Rosenkranz Fotos von der „Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus” im Parlament. Ein Foto, auf dem Rosenkranz neben Bundeskanzler Stocker und Außenministerin Meinl-Reisinger zu sehen ist, veranlasste User*innen sich über die Gedenkveranstaltung an sich, über die „Volksverräter” und „Verräter Regierung” herzuziehen und erneut auch über die IKG und deren Präsidenten.
Auswahl an Kommentaren
Update 9.5.25: Der „Standard” (9.5.25) fragte im Büro Rosenkranz nach. Von dort hieß es, die Kommentare seien „ ‚offensichtlich beim Screening der Seite durchgerutscht’. Es stecke „keine böse Absicht dahinter”. Man werde sie ‚zeitnah löschen’.” Fazit: Bis zum Abend, 8.5., wurde zwar gelöscht und gemutet, einige zum Teil wüst antisemitische Kommentare blieben dennoch stehen.