Über bestimmte Vorfälle beim WATV, wie etwa gerichtlich festgestellte „irreguläre, sittenwidrige und menschenrechtswidrige Beschlüsse“, haben wir im Vorjahr berichtet. Jetzt erreicht uns ein Protokoll des „Akademischen Turnbundes“ (ATB), Landesverband im Deutschen Turnerbund (DTB), in dem der WATV ein weiteres Mal negativ wegkommt: Antisemitismus und Rassismus!
Moment! Schnitt! Was hat der WATV mit dem deutschen ATB, der ein besonderer Landesverband des DTB ist, zu schaffen? Der ATB ist der Dachverband von nicht farbentragenden, nichtschlagenden akademischen Turnvereinen, von denen einige auch gemischt sind, also auch Frauen aufnehmen. Verglichen mit dem Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB) ist der ATB also eher liberal. Eine Reminiszenz an die nicht so liberale Vergangenheit ist der Umstand, dass der deutsche Dachverband auch eine österreichische Verbindung beheimatet: den WATV.
Dass sich der deutsche ATB, der aus über 30 Mitgliedsverbindungen besteht, ausgerechnet einen österreichischen Präsidenten leistet, macht die Sache nicht besser. Ganz im Gegenteil! Der österreichische Präsident des ATB ist uns schon mit seinem Couleurnamen „Gicht“ aus den Vorfällen rund um die irregulären Beschlüsse bekannt. Außerdem war „Gicht“ bis zur Wiener Gemeinderatswahl 2020 Bezirksrat der FPÖ. Auch das passt nicht zum ATB, der sich betont parteifern gibt. Noch etwas passt nicht: Die Aktiven des WATV präsentieren sich auf ihrer Website mit Tönnchen, Band (bezeichnenderweise Schwarzrotgold) und Glockenschläger (der für Mensuren genutzt wird). Also doch schlagend und farbentragend? Eine Ausnahme für den WATV im ATB? Schnitt!

Keine Namensnennung
Beim Verbandstag des ATB am 2. November 24 gab es ein anderes Problem mit dem WATV. Antisemitismus und Rassismus beim WATV – das passt schon gar nicht. Ausgerechnet Präsident „Gicht“ musste im Bericht des Präsidiums über einen Vorfall in seiner Verbindung WATV referieren.
Unehrenhaftes Verhalten eines Mitglieds: Ein Mitglied der Wiener ATV machte inakzeptable rassistische und antisemitische Äußerungen. Das Präsidium wurde eingeschaltet, die Angelegenheit wurde nach den Vorgaben der Satzung bearbeitet und bleibt auf Wunsch der Beteiligten ohne Namensnennung. (Protokoll ATB)
Es gab also rassistische und antisemitische Äußerungen eines WATV-Mitglieds, die sogar das Präsidium des Dachverbandes ATB beschäftigten. Wie das? Üblicherweise sind die einzelnen Verbindungen sehr bemüht, Konflikte intern zu regeln. War das in diesem Fall nicht möglich? Warum nicht? Und warum wird die üble Angelegenheit „auf Wunsch der Beteiligten“ ohne Namensnennung geregelt?
Das Protokoll des Verbandstages schweigt sich über die weitere Erörterung dieses Berichts von „Gicht“ vornehm aus: Schwamm drüber, Deckel drauf? Den Antisemitismus und Rassismus beim WATV totschweigen? „Keine Wortmeldungen“ verzeichnet das Protokoll zum Bericht von „Gicht“. War’s das?
Unter Punkt 9: Berichte Rechts- und Ehrenausschuss kommt der Vorfall dann doch noch einmal zur Sprache.
Felix M. (ATV Ditmarsia Kiel) berichtet, dass der rassistische Vorfall im Haus des Wiener ATV ein Mitglied der ATV Ditmarsia Kiel betraf. Bis heute hat die ATV Ditmarsia Kiel keine Antwort auf ihr diesbezügliches Schreiben erhalten. Er appelliert an die Bünde, sich dafür einzusetzen, dass in der Satzung des ATB Mechanismen geschaffen werden, die Durchgriffsrechte des ATB auf einzelne Mitglieder der Bünde ermöglichen. (Protokoll ATB)
Wenn wir das richtig interpretieren, bedeutet das, dass nichts geklärt ist und die Verbindung (Ditmarsia Kiel), deren Mitglied von einem Mitglied des WATV rassistisch und antisemitisch beleidigt wurde, nicht einmal eine Antwort des WATV erhalten hat. Das steht im Widerspruch zu dem beschwichtigenden Bericht von „Gicht“. Gab es Debatten zu dieser Wortmeldung? Das Protokoll schweigt sich darüber aus.
Unter dem nächsten Punkt der Tagesordnung („Verschiedenes“) gibt es noch eine Wortmeldung zu dem Vorfall durch einen Vertreter des ATV Darmstadt. Ein schriftlich vorbereitetes Statement der Darmstädter wird verlesen. Präsident „Gicht“ erklärt „im Namen des ATB“, dass „Antisemitismus, Rassismus und Feindlichkeit gegenüber anderen Kulturen keinen Platz im ATB“ haben würden. Dem Vernehmen nach soll es da richtig rund gegangen sein.
Kein Ausschluss vom WATV
Mit der allgemeinen Erklärung von „Gicht“ sind einige Verbindungen nicht zufrieden. Sie bohren weiter, fordern eine Nulltoleranzgrenze. Notfalls soll durch eine Satzungsänderung der Ausschluss von einzelnen Mitgliedern möglich werden. Offensichtlich eine sehr heftige Debatte!
Das Protokoll spart das weitgehend aus:
Der Wiener ATV bekommt Gelegenheit, sich zu den Geschehnissen zu äußern. Der Vertreter des Wiener ATV Kristian XXX äußert sich zu den Geschehnissen:
Der antisemitische Vorfall ereignete sich am 13. Oktober 2023 auf dem Haus des Wiener ATV.
Bereits am selben Tag fand ein klärendes Gespräch mit den Beteiligten und einem Mediator statt.
Es wurde ein Sonderkonvent abgehalten, bei dem Konsequenzen für die beteiligte Person ausgesprochen wurden.
Der Vertreter räumt ein, dass das erste Schreiben an die ATV Darmstadt unglücklich formuliert war und die Kommunikation in dieser Angelegenheit unzureichend war.
Auf die Frage, warum das Mitglied weiterhin Teil der Verbindung ist, erklärt der Vorsitzende, man sei der Überzeugung, dass Menschen eine Chance zur Besserung gegeben werden sollte.Abschließend sprechen sich mehrere Bünde für eine Nulltoleranzgrenze aus und fordern eine klare Positionierung des ATB. (Protokoll ATB)
Diese klare Positionierung gibt es aber nicht mehr am Verbandstag. Präsident „Gicht“ stellt fest, dass die Mittagspause schon zweimal nach hinten verschoben wurde und keine weiteren Wortmeldungen anstünden: Verbandstag beendet und Mittagspause!
Jetzt sind wir gespannt, ob da noch was nachkommt.