Călin Georgescu hat im ersten Wahlgang im November 2024 als Parteiloser 22.9 % der Stimmen erhalten. Die Zweitgereihte, Elena Lasconi von der neoliberalen Partei USR, brachte es auf 19,2 %, während der favorisierte Kandidat der Sozialdemokraten, Marcel Ciolacu, nur 19,1 % erhielt. Der Kandidat der rechtsextremen AUR, George Simion, stieg mit 13,9 % als Vierter aus.
Dieses Ergebnis hatte niemand erwartet – weder die Medien mit ihren Politbeobachtern noch die Meinungsforschung. Die hatte in der letzten Umfrage den Sozialdemokraten mit über 25 % vorne gesehen, den rechtsextremen AUR-Kandidaten Simion mit 14,2 % ex aequo mit Lasconi auf Platz 2 und Georgescu weit abgeschlagen mit 7,4 %.
Wer ist Călin Georgescu?
Über das berufliche Leben des Călin Georgescu, der am 26.März 65 Jahre alt wird, ist erstaunlich wenig bekannt. Von seiner Ausbildung her ist er Pedologe (Bodenkunde), der im rumänischen Umwelt- und Außenministerium gearbeitet hat und dann von 2011 bis 2021 in Niederösterreich, zunächst in Mödling, zuletzt in Günselsdorf mit seiner Familie gelebt hat.

Was er in Österreich gearbeitet hat, womit er hier sein Geld verdient hat, bleibt auch nach der ausführlichen Recherche von „profil“ (29.11.24) und der rumänischen Investigativ-Plattform „RISE“ weitgehend im Dunkeln. In einem Beitrag der „Kleinen Zeitung“ wird er in die Nähe der früheren Geheimpolizei Securitate gerückt. Auffällig sind Georgescus Immobilientransaktionen, die mit hohen Geldeinsätzen verbunden waren.
Ein Rechtsextremer
Als er 2021 nach Bukarest zurückzog und dort an der Polytechnischen Universität zu lehren begann, war er in der rechtsextremen Szene jedenfalls schon bekannt. Die taz (25.11.24) schreibt:
Damals wurde er zum Ehrenvorsitzenden der AUR-Partei ernannt und als zukünftiger Ministerpräsident in einer AUR-geführten Regierung vorgestellt. Doch Georgescu zog es vor, mit anderen Teilen der zersplitterten rechtsextremen Szene in Rumänien zusammenzuarbeiten, etwa mit der neofaschistischen Gruppierung „Vereinigung Gogu Puiu/Heiducken der Dobrudscha”. Die Gruppierung, geleitet von Eugen und Elena Sechila, organisierte in den letzten Jahren paramilitärische Wehrsportübungen, an denen zahlreiche Jugendliche teilnahmen.
Der militante Coronaskeptiker Georgescu kritisierte 2020 in einem Interview das rumänische Gesetz, das legionaristische und faschistische Propaganda sowie die Verherrlichung von Kriegsverbrechern unter Strafe stellt. Er bezeichnete den Faschistenführer Codreanus sowie den Hitlerverbündeten und früheren Staatsführer Ion Antonescu als vorbildliche Helden, die niemand aus der Geschichte Rumäniens tilgen könne. Antonescu war für die Vernichtung von etwa 300.000 Juden verantwortlich und wurde 1946 als Kriegsverbrecher hingerichtet.
Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass Georgescu während seiner zehnjährigen Österreich-Phase intensive Kontakte zur rechtsextremen Szene Rumäniens gepflegt hat. Hat er sich hier auch radikalisiert?
„profil“ schreibt dazu etwas flapsig: „2024 sagte er in einem Podcast, Covid würde nicht existieren, niemand habe das Virus je gesehen – und die ‚einzige wirkliche Wissenschaft‘ sei Jesus Christus. Österreich war offenbar eine gute Brutstätte für derartige Ansichten.“
Die TikTok-Wahl
In den meisten medialen Berichten über Georgescu wird seine deutlich rechtsextreme Gesinnung nur dezent erwähnt. Dieses massive Problem hat die Ignoranz gegenüber den erstarkenden rechtsextremen und nationalistischen Tendenzen in Rumänien zum Hintergrund. So hatte „das Landesinstitut ‚Elie Wiesel‘ für das Studium des Holocausts in Rumänien (…) bereits vor drei Jahren Georgescu wegen faschistischer Propaganda bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Die Anzeige blieb folgenlos.“ (taz.de, 28.2.25)
Auch das rumänische Verfassungsgericht fokussiert in seiner Begründung, warum Georgescu bei der Wiederholung der Präsidentschaftswahl am 4. Mai 25 nicht antreten darf, auf die Vorgänge auf TikTok und die russische Einflussnahme, die der noch amtierende konservative Präsident Johannis zuvor in einem Dokument veröffentlicht hatte:
Demnach seien 25 000 Accounts auf Tiktok, die sich als Unterstützer Georgescus im Wahlkampf gerierten, „zwei Wochen vor dem Wahltermin sehr aktiv“ geworden. 797 dieser Accounts hätten bis zum 11. November nur sehr geringe Aktivität gezeigt; von dem Tag an sei das „gesamte Netzwerk auf maximale Aktivität hochgefahren” worden. Mehrere Dutzend Tiktok-Accounts hätten zudem fälschlich Logos staatlicher Organisationen verwendet. Außerdem, so heißt es in dem Dokument, sei es zu mehr als 85 000 Cyberangriffen auf Websites der Wahlbehörde und anderer rumänischer Institutionen gekommen. Von Hackern erbeutete Zugangsdaten seien auf russischen Plattformen aufgetaucht.(sueddeutsche.de, 20.3.25)
Nicht zufällig wird Georgescu deshalb als der „russische Soldat“ bezeichnet.
Georgescu über Frauen und Feminismus: „Der Feminismus ist das absolute Elend, das der degenerierte Westen den Rumänen auferlegen will. Dabei ist klar, dass eine Frau unfähig ist, ein Land zu regieren.“
Zum rumänischen Faschismus: „Georgescu ist ein ausdrücklicher Verteidiger des rumänischen Faschismus, der für die Ermordung von mindestens 280 000 Juden und über 10 000 Roma während des Zweiten Weltkriegs verantwortlich ist. Zwischen 1938 und 1944 brachten mehrere faschistische Diktaturen Krieg, Gebietsverluste, staatlichen Antisemitismus, Pogrome und den Holocaust über das Land.“
Zum Ceaucescu-Regime und zu Putins Russland: „Georgescu ist auch ein Anhänger der Ideologie des untergegangenen kommunistischen Regimes. Viele Versatzstücke der nationalkommunistischen Propaganda durchziehen seine Aussagen: Autarkie, Blockfreiheit, die Ablehnung oder Rücknahme ausländischer Investitionen. (…) Entsprechend befürwortet auch Georgescu die Abkehr von Nato und EU («ein totes Pferd») und die Annäherung an die Brics-Staaten. Er behauptet, dass die Nato dem Land keine Sicherheit biete, sondern diese sogar gefährde: Das Bündnis befinde sich auf direktem Weg, den dritten Weltkrieg auszulösen. Rumänien müsse stattdessen neutral bleiben, dürfe aber keineswegs auf die «russische Weisheit» verzichten. Die Unterstützung für die Ukraine sei sofort einzustellen, denn es sei ein künstlicher und gescheiterter Staat.“
Über Georgescus Anhänger: „Wer sind die Mitglieder von Georgescus innerem Zirkel? Auf der einen Seite sind es eher junge, offen faschistische Anhänger der Eisernen Garde, die sich nicht scheuen, die Abzeichen dieser Bewegung zu tragen. Hinzu kommen Veteranen der französischen Fremdenlegion und ehemals in Afrika verpflichtete Söldner, die für seinen persönlichen Schutz verantwortlich sind. Eine zweite Gruppe besteht aus älteren, ehemaligen Offizieren der Securitate, der kommunistischen Geheimpolizei, aber auch aus Mitgliedern der postkommunistischen Geheimdienste. Was sie eint, ist die antiwestliche, ultranationalistische und chauvinistische Ideologie.“
Simion in Wien?
Nachdem Georgescu die Kandidatur verboten wurde, sprangen ursprünglich gleich zwei vom Rechtsaußenlager in die Bresche: George Simion (AUR) und Anamaria Gavrilă, Vorsitzende der Partei der Jungen (POT). Nachdem Simion zur Wahl zugelassen wurde, zog Gavrilă ihre Kandidatur zurück.
Letzten Freitag soll der Wahlkampf Simion sogar nach Wien geführt haben, berichtete zuerst die „Frankfurter Allgemeine” (20.3.25): Der rumänisch-österreichische Unternehmensberater Alex Todericiu, der auch als Rumänien-Erklärer bei „exxpress”, „Kurier” und „Presse” kommentieren darf, verbreitete via einer propagandistischen Presseaussendung (19.3.25) die frohe Kunde, dass Simion gemeinsam mit Walter Rosenkranz ein Konzert in Wien, und zwar im Ferdinandihof, besuchen würde. Die Einladung soll von Ronald F. Schwarzer gekommen sein. Der Ferdinandihof hat sich in der letzten Zeit unter seinem Besitzer Schwarzer zu einer der beliebtesten Veranstaltungslocations der rechtsextremen Szene entwickelt.
Die von Todericiu finanzierte Presseaussendung wurde in Rumänien jedoch als Meldung der APA verkauft.
Hier wird aus dem Geschäftsmodell OTS also flugs ein journalistisches Produkt. So soll der rumänischen Leserschaft suggeriert werden, Simeon sei derart wichtig und anerkannt, dass selbst ein privater Konzertbesuch den österreichischen Medien eine Berichterstattung wert ist. (faz.net)
Eines jedoch ist stimmig: Simion und Rosenkranz passen nicht nur zusammen, sondern auch zum Veranstaltungsort und dessen Besitzer.