Rumänien hat eine neue rechtsextreme Partei im Parlament

Mehr als 18 Mil­lio­nen Men­schen waren in Rumänien bei den Par­la­mentswahlen am 6. Dezem­ber wahlberechtigt, aber schmale sechs Mil­lio­nen gin­gen zu den Urnen, wo sie fast nur zwis­chen kon­ser­v­a­tiv­en, kor­rupten und nation­al­is­tis­chen Parteien und Poli­tik­ern wählen kon­nten. Bei einem der­art uner­freulichen Ange­bot war es dann keine Über­raschung mehr, dass rund neun Prozent die unap­peti­tlich­ste Vari­ante, die recht­sex­treme Gold-Partei (AUR), wählten.

Die Allianz für die Union der Rumä­nen (AUR) heißt abgekürzt so wie Gold auf Rumänisch, aber bei dieser Partei glänzt nichts. Gegrün­det wurde sie zwar erst vor einem Jahr, im Sep­tem­ber 2019, jedoch riecht die Partei pro­gram­ma­tisch und per­son­ell sehr streng nach Faschis­mus, Großrumänien-Phan­tasien, Anti­semitismus, Ras­sis­mus, Homo­pho­bie und Corona-Lügen.

George Simion, der mit Claudiu Târz­iu gemein­sam die Partei anführt, hat es 2019 bei den Wahlen zum Europäis­chen Par­la­ment mit ein­er Kan­di­datur als Unab­hängiger ver­sucht, ist damals aber mit 1.29 % noch ziem­lich ignori­ert wor­den. Auch bei den Kom­mu­nal­wahlen 2020 im Früh­jahr bewegte sich die AUR noch unter­halb jeglich­er Aufmerk­samkeits­gren­ze. Das hat sich mit den Par­la­mentswahlen jet­zt deut­lich geän­dert. Zwar kann sich – noch – nie­mand vorstellen, dass die recht­sex­treme Partei in irgen­dein­er Regierungskon­stel­la­tion eine Rolle spie­len kön­nte, aber ger­ade die unüber­sichtliche und sich rasch wieder verän­dernde Kon­stel­la­tion von Parteien und Per­so­n­en ist gün­stig für die Recht­sex­tremen. Von ganz weni­gen Aus­nah­men wie der „USR plus“ abge­se­hen, die sich aber eben­falls rechts der Mitte verortet, sind die wichtig­sten rumänis­chen Parteien kor­rupt, kon­ser­v­a­tiv und nation­al­is­tisch – egal, welch­er Rich­tung sie sich zuordnen.

Wahlergebnis Rumänien 2020

Wahlergeb­nis Rumänien 2020

Weil die Ergeb­nisse der Par­la­mentswahlen, abge­se­hen von der erschreck­end niedri­gen Wahlbeteili­gung, die auf einen mas­siv­en Ver­trauensver­lust gegenüber den kan­di­dieren­den Parteien hin­deutet, keine einiger­maßen sta­bilen Mehrheit­en ermöglichen, befind­en sich die Recht­sex­tremen in ein­er kom­fort­ablen Situation.

Wer sind nun diese, aus dem braunen Sumpf der Ver­gan­gen­heit aufer­stande­nen Rechtsextremen?

George Simion (34), der Parteigrün­der, ist ein seit vie­len Jahren umtriebiger Aktivist, der für die Vere­ini­gung mit der Repub­lik Moldau unter großrumänis­ch­er Flagge ein­tritt. 2015 wurde er aus der Repub­lik Moldau aus­gewiesen mit der Auflage eines 5‑jährigen Ein­rei­se­ver­bots. Pro­gram­ma­tisch bewegt sich Simion damit in der Tra­di­tion der Großrumänien­partei (Par­tidul Româ­nia Mare) von Cor­neliu Vadim Tudor, die es in den 90er-Jahren sog­ar zu ein­er kurzfristi­gen Regierungs­beteili­gung an der Seite von Sozialdemokrat­en gebracht hat und auf europäis­ch­er Ebene in der von Andreas Mölz­er und der FPÖ mit­geschmiede­ten recht­sex­tremen Frak­tion „Iden­tität, Tra­di­tion, Sou­veränität“ vertreten war. Seit 2008 war die Großrumänien­partei nicht mehr im Par­la­ment vertreten und ihre Nach­fol­gepartei Par­tidul Româ­nia Unită küm­merte nur als Sek­te vor sich hin, weil Ras­sis­mus, Nation­al­is­mus und Homo­pho­bie bei den anderen Parteien ohne­hin gut aufge­hoben waren.

Als 2019 die von der völ­lig von Kor­rup­tion zer­fresse­nen Sozialdemokratie und den Lib­eralen gebildete Regierung zer­brach, wurde der rumänis­che Orban, Ludovic Orban, von der nation­alkon­ser­v­a­tiv­en Partei (Par­tidul Națion­al Lib­er­al – PNL), mit ein­er Über­gangsregierung bis zu Neuwahlen beauf­tragt. Ent­ge­gen allen Erwartun­gen und Prog­nosen kon­nte sich der PNL bei den Wahlen aber nicht durch­set­zen und fiel sog­ar deut­lich hin­ter die geschwächt­en Sozialdemokrat­en zurück.

Während sich die alte poli­tis­che Klasse Rumäniens in unter­schiedlichen For­ma­tio­nen und Abspal­tun­gen immer wieder neu, aber weit­ge­hend erfol­g­los, zu erfind­en ver­sucht, was bei diesen Wahlen beispiel­sweise durch die gescheit­erte Kan­di­datur des zweimal (!) als Staat­spräsi­dent abge­set­zten Tra­ian Băs­es­cu mit der Partei Volks­be­we­gung (PMP) zum Aus­druck kommt, haben sich die Recht­sex­tremen mit den alten Rezep­turen neu erfun­den. Claudiu Târz­iu (47), der Co-Präsi­dent der AUR, bejubelt auf seinem Blog den Faschis­ten Cor­neliu Zelea Codreanu, den Kapo der Legion Erzen­gel Michael, die in der Zwis­chenkriegszeit bewaffnet und ter­ror­is­tisch gegen alles Lib­erale (für Codreanu Kom­mu­nis­ten und Juden) vorge­gan­gen war: „War er nicht charis­ma­tisch, unbestech­lich und ide­al­is­tisch (oder, wenn Sie so wollen, roman­tisch)? Wann und welche Beweise gibt es dafür, dass sich die Legions­be­we­gung auf den Massen­mord an Juden vor­bere­it­et hat?

Flagge der Legionärsbewegung von Codreanu

Flagge der Legionärs­be­we­gung von Codreanu

Ihren Auftrieb erhielt die AUR aber ver­mut­lich nicht durch Äußerun­gen wie diese, son­dern durch ihre Großrumänien­phan­tasien ein­er­seits und ihre Coro­na-Het­ze ander­er­seits. Die Großrumänien­phan­tasien sind natür­lich begleit­et von ras­sis­tis­ch­er Abgren­zung und Aus­gren­zung von Roma und Ungarn, die in Rumänien leben, haben aber der Partei einen weit über­pro­por­tionalen Stim­man­teil bei den 4 Mil­lio­nen wahlberechtigten Auslands-Rumän*innen beschert. Da erhiel­ten sie unge­fähr ein Vier­tel der Stimmen.

AUR Website

AUR Web­site

Die Coro­na-Het­ze der AUR bestand haupt­säch­lich aus Protes­tak­tio­nen – ohne Maske natür­lich – gegen das von den Behör­den verord­nete Tra­gen von Masken im öffentlichen Raum. Die Coro­na-Pan­demie ist in Rumänien auf ein völ­lig dev­astiertes, kor­ruptes und unter­fi­nanziertes Gesund­heitssys­tem gestoßen, dem die Men­schen nur wenig ver­trauen kön­nen. Es fehlt an Kapaz­itäten für Beat­mungs­geräte, Inten­sivs­ta­tio­nen und auch Tests. Die veröf­fentlicht­en Zahlen über Infizierte und Tote sind daher nur mit Vor­be­halt genießbar. Dieser fatal­en Sit­u­a­tion haben sich die Recht­sex­tremen reich­lich bedi­ent, und so ist es auch nur fol­gerichtig, dass George Simion in der Wahlbe­we­gung aufgerufen hat, aus dem Anti-Masken-Protest einen Anti-Sys­tem-Protest durch die Wahl der AUR zu machen.

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