Es begann mit dem Midgård-Leak
Das Leak vom Dezember 2023 jener Kunden, die beim schwedischen Neonazi-Versand Midgård eingekauft hatten, führte nun einen Steirer vor Gericht. Ein gut vorbereiteter Richter konfrontierte den Angeklagten mit allerlei braunen Sünden, die bis ins Jahr 2009 zurückreichen.
Achim K. (50) ist für „Stoppt die Rechten“ kein Unbekannter: Er scheint schon auf den ebenfalls geleakten Bestellerlisten des Odin- und Opos-Records-Versands auf und im SdR-Archiv mit einigen Screenshots von einschlägigen Postings – etwa eines mit einer „Schwarzen Sonne“, einem Lieblingsmotiv des Obersteirers.
Seine damaligen Einkäufe waren beim Prozess jedoch kein Thema. Dafür aber jene NS-Devotionalien, die bereits 2009 im Zuge einer Hausdurchsuchung bei ihm aufgestöbert wurden. Damals sei K. von der Polizei mitgeteilt worden, dass nichts Strafbares festgestellt werden konnte, argumentierte der Verteidiger gleich zu Verhandlungsbeginn. Hakenkreuzfahnen, ein Tattoo mit einer „Schwarzen Sonne“, eine Neonazi-Biografie von Hitler, einschlägige Musik – alles das habe ihm bloß gefallen, einen positiven Bezug zur dahinterstehenden Ideologie habe er darin nicht gesehen, erklärte K. dem mehrfach erstaunten bis ungehaltenen vorsitzenden Richter. Damit war auch die durchgehende Verteidigungslinie für die nunmehr angeklagten Delikte, die gegen Prozessende in vier Hauptfragen an die Geschworenen mündeten, festgelegt.
„Schwarze Sonne“, „Druck 18“, ein Modellauto und Postings
Ein bereits vor 15 Jahren festgestelltes Tattoo einer „Schwarzen Sonne“ am Unterschenkel habe er nie öffentlich hergezeigt. Ihm sei aber nicht bewusst gewesen, dass die „Schwarze Sonne“ verboten sei, das Motiv habe ihm gefallen. Außerdem habe ihm 2009 die Polizei mitgeteilt, dass es nicht strafbar sei. Dennoch habe er im Sommer immer Hosen getragen, die das Tattoo verdeckt hätten. Richter: „Das passt nicht zusammen, oder?“
Ähnlich verlief die Befragung zu dem Modellauto „Führer-Benz“, das K. in einer im Wohnzimmer aufgestellten Glasvitrine drapiert hatte – versteckt durch einen davorgestellten Sessel, wie er im Prozess betonte, wobei ihm der Widerspruch, er habe von der Strafbarkeit einer Zurschaustellung nichts gewusst, durch den Richter vor Augen geführt werden musste: „Also sie wussten nicht, dass sie es nicht herzeigen dürfen, haben es aber dennoch versteckt. Das passt nicht zusammen.“
Seine bei „Druck 18“ („18” als Code für „Adolf Hitler“), dem Versand des deutschen Neonazi Tommy Frenck, erworbene Jacke mit dem in den Farben der deutschen Reichflagge gehaltenen Aufdruck „Revolution“ und Aufnähern, die eine „Schwarze Sonne“ und das Frenck-Label „Druck 18“ zeigen, habe er erneut ganz unschuldig gekauft, weil er über eine Werbeanzeige auf Facebook auf Frencks Nazi-Laden aufmerksam geworden sei. Von der Bedeutung der Zahl 18 habe er nichts gewusst, denn mit dem Nationalsozialismus habe er ja nichts zu tun. Er habe eine Übergangsjacke gesucht und die habe ihm einfach gefallen. Richter: „Wieso hat man bei der Hausdurchsuchung 2009 zwei Hakenkreuzflaggen bei Ihnen sichergestellt, wenn sie nichts mit Nationalsozialismus zu tun haben?“ Dafür gab‘s keine Erklärung, sondern nur Schulterzucken.
Zusätzlich waren auch noch vier Postings auf vk.com und Facebook angeklagt – die hatte K. unter dem Pseudonym „Achim Freiheit“ veröffentlicht: ein Foto von seinem Tattoo und drei weitere Bilder mit einer „Schwarzen Sonne“, außerdem ein Like des Angeklagten bei einem Kommentar eines Users „Alles Gute zu deinem Wiegenfest! 88!“. Das Like beziehe sich lediglich auf die Glückwünsche zu seinem Geburtstag, die Bedeutung der Zahl „88“ (Code für „Heil Hitler“) sei ihm nicht bewusst gewesen. Richter: „Also wieder nur ein blöder Zufall? So wie die SS-Tellermütze, die bei der heurigen Hausdurchsuchung in der Lade ihres Nachtkastls gefunden wurde? War das auch nur ein Zufall?“
Gewollte Einsamkeit in der Kneipe?
Einen originellen Höhepunkt liefert K. auf die Frage: „Die Jacke, das T‑Shirt [mit der Aufschrift „Stahlgewitter“, mit dem er auf einem im Gerichtssaal präsentierten Foto zu sehen war], der Aufnäher, das alles deutet doch auf das Neonazimilieu hin, wieso tragen Sie so etwas, wenn Sie nicht als Rechtsradikaler gesehen werden wollen?“
Angeklagter: „Das hat alles nix mit Adolf Hitler oder mit den alten Zeiten zu tun. Wenn ich in einer Kneipe sitze bei einem Bier und diese Sachen trage, habe ich meine Ruhe, weil niemand zu mir kommt. Außerdem ist ein Skinhead nicht automatisch rechtsradikal.“ Richter: „Wie ist so ein Skinhead? Sind Sie der Meinung, dass der Standard-Skinhead demokratie- und grundrechtsverbunden ist?“ Angeklagter: „Ja.“ Der Richter verdreht die Augen und meint: „Ich bin es leid!“
Die einzige Zeugin, seine Lebensgefährtin, bestätigte in einem sehr kurz gehaltenen Auftritt bloß, alle angeklagten Gegenstände bei K. gesehen zu haben.
Einstimmiger Schuldspruch
Die Verhandlung endete nach zwei Stunden, das Urteil wurde nach etwa 50 Minuten verkündet: K. wurde in allen Punkten einstimmig schuldig gesprochen und zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt. Ein Verstoß gegen das Waffengesetz – bei der Hausdurchsuchung wurde auch ein Schlagring gefunden – wird separat verhandelt.