Codes wie „Schwarze Sonne” als Ersatzsymbole
Bei beiden Motiven handelt es sich um in der rechtsextremen Szene verwendete Ersatzsymbole: Da das Hakenkreuz schnell als problematisches und verbotenes Symbol erkennbar ist, weichen Neonazis gerne auf Zeichen aus, die für uninformierte Laien nicht sofort zuordenbar sind. In der braunen Szene stellen sie aber geläufige Codes dar, mit denen ihre Träger*innen die Zugehörigkeit und Geisteshaltung ausdrücken. Sind diese Tattoos für viele Menschen zugänglich, sprich sichtbar, so kann dies den Strafbestand der Wiederbetätigung erfüllen. Das war bei dem Angeklagten durch das Herumlaufen mit nacktem Oberkörper in der Öffentlichkeit und durch das auf Facebook gepostet Foto zwar gegeben, der wollte aber keinen Bezug zum NS erkennen.

Wie so oft, wenn Tätowierungen dieser Art im Zusammenhang mit dem Verbotsgesetz verhandelt werden, war die Verteidigungsstrategie abzustreiten, dass die Symbole mit irgendeiner politischen Gesinnung verbunden seien. Der Angeklagte habe „keine politische Gesinnung, gar keine“, behauptete der Verteidiger. Vielmehr sei der 39-Jährige ein etwas naiver, aber garantiert „unpolitischer“ Fan nordischer Mythologie.
Von der Verwendung im NS-Kontext will G. erst nach der Anzeige erfahren haben. „Man stolpert nicht einfach so im Internet darüber, der NS-Bezug ist immer der oberste Treffer bei Google“, monierte der Richter. Bei der Befragung, was er denn wann gewusst und erfahren habe und als ihm seine eigene Aussage vor der Polizei, dass er von der NS-Bedeutung gewusst habe, vorgehalten wurde, verwickelte sich der Angeklagte in Widersprüche. „Ich hab mir das Protokoll damals nicht durchgelesen, bevor ich es unterschrieben hab“, aber mittlerweile habe er sich die „Schwarze Sonne“ überstechen lassen, führte G. ins Treffen.
Bei ihren Schlussplädoyers blieben beide Seiten bei ihren Standpunkten: Die Staatsanwaltschaft forderte einen Schuldspruch, da die objektive und subjektive Tatseite der Wiederbetätigung erfüllt sei. Die Verteidigung kehrte die bisherige Unbescholtenheit ihres Mandanten hervor und meinte, dass bei „Dr. Google“ viel Blödsinn stehe und die Tattoos ohnehin überstochen würden.
Nach etwa 45 Minuten zog sich das Schwurgericht zur Beratung über die Schuldfragen zurück. Letzten Endes wurde der Angeklagte einstimmig in beiden Hauptfragen freigesprochen. Aufgrund des Rechtsmittelverzichts beider Seiten war das Urteil noch am selben Tag rechtskräftig.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!