Mit dieser Strategie der Gegenfragen fahren Freiheitliche in Diskussionen recht gut. Denn in den Reihen der SPÖ kamen nicht gerade wenige ehemalige Nationalsozialisten unter, darunter auch viele Karrieristen. Sogar Spitzenpolitiker der SPÖ hatten eine Vergangenheit als Mitglieder nationalsozialistischer Organisationen. Theodor Kery, von 1966 bis 1987 Landeshauptmann des Burgenlandes, trat 1939 der SA und noch 1945 der NSDAP bei. Alfred Schachner-Blazizek, in den 1960er-Jahren SPÖ-Obmann der Steiermark, war als „förderndes Mitglied“ sowohl in der SS als auch in der NSDAP aktiv.
Fekete, die SPÖ und die FPÖ
Ein jüngeres Beispiel zeigt jedoch, wie die Freiheitlichen zu den ehemaligen „Nazis in der SPÖ“ stehen, jenseits von „Whataboutism”, treten sie schon mal als deren Schutzpatron auf.
Ende 2022 veröffentlichte der STANDARD-Watchblog (21.11.22) einen Artikel über die SS-Vergangenheit des Namensgebers des Fußballstadions in Kapfenberg. Das Stadion trug seit 2001 den Namen „Franz Fekete Stadion“, benannt nach dem langjährigen und populären SPÖ-Bürgermeister der steirischen Industriestadt. Fekete war Mitglied der Hitlerjugend und trat 1938 der SS („Totenkopf Division“) bei. Er wurde in Thüringen am Standort Weimar-Buchenwald stationiert, wo er auch Häftlinge des NS-Konzentrationslagers Buchenwald bewachte. In diesem Lager wurden auch Menschen aus Österreich nach dem sogenannten Anschluss im März 1938 ermordet.
Unmittelbar nach Veröffentlichung des Artikels reagierten die Bundesliga und der ÖFB. Sie erklärten, den Namen „Franz Fekete Stadion“ nicht mehr zu verwenden. Auch die in Kapfenberg regierende SPÖ reagierte und ließ die Vergangenheit Feketes von einer Historikerkommission untersuchen. Nachdem diese Ende des vergangenen Jahres eine klare Empfehlung abgegeben hatte, entschied sich die SPÖ für eine Namensänderung. Das Stadion heißt nun offiziell „Alpenstadion”; vor Kurzem wurde der Schriftzug „Franz Fekete Stadion“ über dem Eingang entfernt.
Die Kapfenberger FPÖ war die einzige im Gemeinderat vertretene Partei, die sich gegen die Umbenennung stellte. Zumindest auf Facebook war in einem Posting von einer „Hetzjagd“ gegen einen „beliebten und erfolgreichen Bürgermeister“ die Rede. Und sie forderte: „Es muss endlich ein Ende haben mit der Art und Weise, wie Menschen und Verstorbene durch linke Politik diffamiert werden.“ Feketes SS-Vergangenheit wurde in dem Beitrag mit keinem Wort erwähnt, dafür eben von „linker“ Politik geredet. Als im Kapfenberger Gemeinderat dann die Umbenennung an der Tagesordnung stand, stimmte die FPÖ nicht dagegen – es war nämlich niemand von der Partei anwesend.
Heinrich Gross, Friedrich Zawrel und die FPÖ
Auch bei einem der prominentesten „Nazis in der SPÖ“ bezogen Freiheitliche Stellung. Sie sträubten sich, eine Wiener Schule nach Friedrich Zawrel zu benennen. Zawrel war ein Opfer von Heinrich Gross, jenem Arzt, der während der NS-Herrschaft an der Wiener „Euthanasie-Klinik“ „Am Spiegelgrund“ (Baumgartner Höhe) tätig war, wo er behinderte Kinder für Forschungszwecke missbrauchte und an ihrer Ermordung beteiligt war. Nachdem 1951 ein Urteil gegen Gross aufgehoben und ein Verfahren eingestellt worden war, konnte der Arzt als unbescholtener Bürger Karriere machen. Gross trat dem „Bund Sozialistischer Akademiker“ (BSA) bei und schloss sich 1953 der SPÖ an. Er wurde in den Dienst der Stadt Wien gestellt und kehrte 1955 an die ehemalige Mordstätte „Am Spiegelgrund“ zurück. Bis 1997 war er als Gerichtsgutachter tätig.
1979 endete ein Verfahren gegen Gross ohne Verurteilung. Erst im Jahr 2000 wurde ein neues Verfahren eingeleitet, das jedoch aufgrund eines Gutachtens, das Demenz feststellte, ausgesetzt wurde. Gross war der letzte NS-Verbrecher, der in Österreich vor Gericht stand. Er starb im Jahr 2005.
Dass Gross wieder vor Gericht stand, dafür sorgte auch Friedrich Zawrel. Er war als Kind in der Nazizeit von Gross „begutachtet“ worden und 1975 erneut, als der inzwischen 46-Jährige wegen diverser Delikte vor ihm stand. Gross zog für das Gutachten sogar die Steinhof-Akten aus der NS-Zeit heran, und Zawrel wurde auf Basis dieses Gutachtens zu einer langen Haftstrafe verurteilt.
Mittels eines Kassibers schaffte es Zawrel 1978, sich an den „Kurier“ zu wenden. Die Zeitung veröffentlichte daraufhin eine Reihe von Artikeln über die Verbrechen von Gross. Sie und die Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft kritische Medizin trugen dazu bei, dass Zawrel aus dem Gefängnis entlassen wurde. Nach einer erneuten Untersuchung wurde er freigelassen. In den darauffolgenden Jahren trug Zawrel als Zeitzeuge wesentlich zur Aufarbeitung der Verbrechen der NS-Medizin „Am Spiegelgrund“ bei und wurde dafür mit dem Goldenen Verdienstzeichen der Stadt Wien und dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich geehrt.
Ein Jahr nach seinem Tod wurde 2016 die Neue Mittelschule in der Hörnesgasse nach Zawrel benannt, die er als Kind selbst besuchte. Gegen diese Würdigung trat die FPÖ auf. Zawrel sei nach dem Krieg wegen Einbrüchen und Diebstählen zu insgesamt 17,5 Jahren Haft verurteilt worden und daher „als Namensgeber für eine öffentliche Pflichtschule jedenfalls völlig ungeeignet“ (zit. nach derstandard.at, 15.6.16), hieß es aus der FPÖ-Landstraße.
Zwar wurden die Vorstrafen schon 2002 vom Bundespräsidenten Thomas Klestil getilgt, das spielte aber für die Freiheitlichen keine beachtenswerte Rolle. Zusätzlich führte die FPÖ ins Treffen, dass Zawrel „laut Lehreraussagen kein Interesse am Unterricht hatte”. Basis für diese Aussagen war der Bericht eines Klassenlehrers aus dem Jahr 1940, der auch im Spiegelgrund-Gutachten gegen Zawrel verwendet wurde. Die Schule wurde trotzdem umbenannt.
Markus Sulzbacher: langjähriger Journalist beim Standard; seit Beginn 2021 mit einem eigenen Standard-Watchblog: Recherchen und Analysen über Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus, Islamismus und Hass im Netz. Arbeit auch für das Online-Magazin „tag eins”.