Marko Feingold verstarb am 19. September 2019. Er war damals mit seinen 106 Lebensjahren der älteste österreichische Holocaust-Überlebende. Der in der Slowakei geborene, in der Wiener Leopoldstadt aufgewachsene Feingold überstand vier Konzentrationslager, strandete nach seiner Befreiung aus dem KZ Buchenwald in Salzburg, half von dort aus Tausenden Juden und Jüdinnen nach Palästina zu reisen, war Langzeitpräsident der Salzburger Israelitischen Kultusgemeinde und absolvierte unzählige Auftritte als Zeitzeuge – auch in einem der bemerkenswertesten Projekte der österreichischen Theatergeschichte, in „Die letzten Zeugen“ am Wiener Burgtheater.
Nun sollte Feingold auf Initiative der Salzburger Grünen und Neos anlässlich seines ersten Todestages mit der Benennung einer Straße in Salzburg gewürdigt werden – nämlich mit der bislang nach dem Antisemiten Franz Stelzhamer benannten „Stelzhamerstraße“, in deren direkter Nachbarschaft auch die Salzburger Synagoge beheimatet ist.
Das bei Straßenumbenennungen oft ins Treffen geführte Argument zu hoher Kosten für die Adressänderungen lässt Grüner-Musil [Grüner Kultursprecher Salzburg; Anmk. SdR] nicht gelten: In der Stelzhamerstraße gebe es zwölf Häuser – ‚das sollte uns die Erinnerung an Marko Feingold schon wert sein‘. (derstandard.at, 4.7.20)
Obwohl nur wenige Adressen durch die Umbenennung betroffen wären, gibt es Widerstand:
ÖVP, SPÖ und FPÖ signalisierten bei einem eiligst einberufenen Treffen der Kultursprecher aller Gemeinderatsfraktionen am Dienstag zwar ihre Bereitschaft, Marko Feingold mit einer Straßen- oder Platzbenennung zu ehren, eine Zustimmung zur Umbenennung der Stelzhamerstraße ist jedoch im Gemeinderat nicht mehrheitsfähig. (derstandard.at, 8.7.20)
Inzwischen wanken auch bereits Neos und schlagen ernsthaft vor, Feingolds Name auf die Karolinenbrücke zu verräumen. Die verbindet das Salzburger Landesgericht mit dem Unfallkrankenhaus. Und der Antisemit Stelzhammer könnte bei der Synagoge angesiedelt bleiben.
Mauthausen Komitee fordert klares Zeichen gegen Antisemitismus in Salzburg
Marko-Feingold-Straße statt StelzhamerstraßeDas Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ), das dem Vermächtnis der überlebenden Häftlinge des KZ Mauthausen und seiner Außenlager verpflichtet ist, vertritt in der Debatte um die Würdigung von Marko Feingold (1913–2019) durch die Stadt Salzburg einen eindeutigen Standpunkt.
„Marko Feingold war jahrzehntelang Vorstandsmitglied des Mauthausen Komitees”, sagt MKÖ-Vorsitzender Willi Mernyi. „Unermüdlich hat er sich für Demokratie und gegen Antisemitismus eingesetzt. Wenn die Stadt Salzburg Marko Feingolds Lebenswerk wirklich ehren will, muss sie die nach dem antisemitischen Hetzer Franz Stelzhamer benannte Straße auf ihn umbenennen.”
Das Mauthausen Komitee Österreich unterstützt mit Nachdruck den diesbezüglichen Wunsch von Hanna Feingold, der Witwe von Marko Feingold und Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg.
„Es wäre pietätlos, ja absurd, würde die Stadt irgendeinen Platz oder irgendeine Brücke Marko Feingold widmen, aber weiterhin in unmittelbarer Nähe der Synagoge die Stelzhamerstraße dulden”, betont Mernyi.
Franz Stelzhamer (1802–1874) war nicht nur Dichter der heutigen Landeshymne Oberösterreichs, sondern auch ein glühender Antisemit. Er bezeichnete Juden als Parasiten, die vernichtet werden müssten. Antisemitismus war unter Stelzhamers Zeitgenossen zwar weitverbreitet, nicht aber dieser fanatische Hass.
„Das Mauthausen Komitee fordert Bürgermeister Harald Preuner, Vizebürgermeister Bernhard Auinger und den Gemeinderat der Stadt Salzburg auf, die Stelzhamerstraße als klares Zeichen gegen Antisemitismus umzubenennen”, so der MKÖ-Vorsitzende.
Ins Treffen geführte Gegenargumente – die Stadt könne bei historisch belasteten Persönlichkeiten nicht „einzelfallbezogen” vorgehen und den Bewohnern der Stelzhamerstraße sei die Umbenennung nicht zuzumuten – widerlegt er.
„Erst im Dezember des Vorjahres hat die Stadt Salzburg das Ehrengrab des NS-Komponisten Hans Schmid um 25.000 Euro verlängert. Bei dieser Ehrung eines braunen Parteigängers war das einzelfallbezogene Vorgehen offenbar kein Problem”, stellt Mernyi fest. „Und natürlich muss die Stadt die Umbenennungskosten der Straßenbewohner übernehmen und sie bei Urkundenänderungen unterstützen. Als 1997 in Wels die Kernstockstraße auf Thomas-Mann-Straße umbenannt wurde, hat das ohne weiteres funktioniert. Warum sollte das in Salzburg anders sein?”