Salzburger Schande: Auseinandersetzung um eine „Marko Feingold-Straße“

Dass man dem Holo­caust-Über­leben­den Marko Fein­gold eine Verkehrs­fläche in Salzburg wid­men will, darüber sind sich die Salzburg­er Parteien weit­ge­hend einig. Die Frage ist nur, welche. Die bis­lang nach dem wüsten Anti­semiten Stelzhamer benan­nte Straße soll es, wenn es nach ÖVP, SPÖ und FPÖ geht, jeden­falls nicht sein. 

Marko Fein­gold ver­starb am 19. Sep­tem­ber 2019. Er war damals mit seinen 106 Leben­s­jahren der älteste öster­re­ichis­che Holo­caust-Über­lebende. Der in der Slowakei geborene, in der Wiener Leopold­stadt aufgewach­sene Fein­gold über­stand vier Konzen­tra­tionslager, stran­dete nach sein­er Befreiung aus dem KZ Buchen­wald in Salzburg, half von dort aus Tausenden Juden und Jüdin­nen nach Palästi­na zu reisen, war Langzeit­präsi­dent der Salzburg­er Israelitis­chen Kul­tus­ge­meinde und absolvierte unzäh­lige Auftritte als Zeitzeuge – auch in einem der bemerkenswertesten Pro­jek­te der öster­re­ichis­chen The­atergeschichte, in „Die let­zten Zeu­gen“ am Wiener Burgtheater.

Marko Feingold in "Die letzten Zeugen" am Burgtheater (Screenshot YouTube)

Marko Fein­gold in „Die let­zten Zeu­gen” 2015 am Burgth­e­ater (Screen­shot YouTube)

Nun sollte Fein­gold auf Ini­tia­tive der Salzburg­er Grü­nen und Neos anlässlich seines ersten Todestages mit der Benen­nung ein­er Straße in Salzburg gewürdigt wer­den – näm­lich mit der bis­lang nach dem Anti­semiten Franz Stelzhamer benan­nten „Stelzhamer­straße“, in deren direk­ter Nach­barschaft auch die Salzburg­er Syn­a­goge behei­matet ist.

Das bei Straßenum­be­nen­nun­gen oft ins Tre­f­fen geführte Argu­ment zu hoher Kosten für die Adressän­derun­gen lässt Grün­er-Musil [Grün­er Kul­tur­sprech­er Salzburg; Anmk. SdR] nicht gel­ten: In der Stelzhamer­straße gebe es zwölf Häuser – ‚das sollte uns die Erin­nerung an Marko Fein­gold schon wert sein‘. (derstandard.at, 4.7.20)

Vorne die Stelzhamerstraße, direkt dahinter die Synagoge

Vorne die Stelzhamer­straße, direkt dahin­ter die Synagoge

Obwohl nur wenige Adressen durch die Umbe­nen­nung betrof­fen wären, gibt es Wider­stand: 

ÖVP, SPÖ und FPÖ sig­nal­isierten bei einem eiligst ein­berufe­nen Tre­f­fen der Kul­tur­sprech­er aller Gemein­der­ats­frak­tio­nen am Dien­stag zwar ihre Bere­itschaft, Marko Fein­gold mit ein­er Straßen- oder Platzbe­nen­nung zu ehren, eine Zus­tim­mung zur Umbe­nen­nung der Stelzhamer­straße ist jedoch im Gemein­der­at nicht mehrheits­fähig. (derstandard.at, 8.7.20)

Inzwis­chen wanken auch bere­its Neos und schla­gen ern­sthaft vor, Fein­golds Name auf die Karo­li­nen­brücke zu ver­räu­men. Die verbindet das Salzburg­er Lan­des­gericht mit dem Unfal­lkranken­haus. Und der Anti­semit Stelzham­mer kön­nte bei der Syn­a­goge ange­siedelt bleiben.

Mau­thausen Komi­tee fordert klares Zeichen gegen Anti­semitismus in Salzburg
Marko-Fein­gold-Straße statt Stelzhamerstraße

Das Mau­thausen Komi­tee Öster­re­ich (MKÖ), das dem Ver­mächt­nis der über­leben­den Häftlinge des KZ Mau­thausen und sein­er Außen­lager verpflichtet ist, ver­tritt in der Debat­te um die Würdi­gung von Marko Fein­gold (1913–2019) durch die Stadt Salzburg einen ein­deuti­gen Standpunkt.

„Marko Fein­gold war jahrzehn­te­lang Vor­standsmit­glied des Mau­thausen Komi­tees”, sagt MKÖ-Vor­sitzen­der Willi Mernyi. „Uner­müdlich hat er sich für Demokratie und gegen Anti­semitismus einge­set­zt. Wenn die Stadt Salzburg Marko Fein­golds Lebenswerk wirk­lich ehren will, muss sie die nach dem anti­semi­tis­chen Het­zer Franz Stelzhamer benan­nte Straße auf ihn umbenennen.”

Das Mau­thausen Komi­tee Öster­re­ich unter­stützt mit Nach­druck den dies­bezüglichen Wun­sch von Han­na Fein­gold, der Witwe von Marko Fein­gold und Präsi­dentin der Israelitis­chen Kul­tus­ge­meinde Salzburg.

„Es wäre pietät­los, ja absurd, würde die Stadt irgen­deinen Platz oder irgen­deine Brücke Marko Fein­gold wid­men, aber weit­er­hin in unmit­tel­bar­er Nähe der Syn­a­goge die Stelzhamer­straße dulden”, betont Mernyi.

Franz Stelzhamer (1802–1874) war nicht nur Dichter der heuti­gen Lan­deshymne Oberöster­re­ichs, son­dern auch ein glühen­der Anti­semit. Er beze­ich­nete Juden als Par­a­siten, die ver­nichtet wer­den müssten. Anti­semitismus war unter Stelzhamers Zeitgenossen zwar weitver­bre­it­et, nicht aber dieser fanatis­che Hass.

„Das Mau­thausen Komi­tee fordert Bürg­er­meis­ter Har­ald Pre­uner, Vize­bürg­er­meis­ter Bern­hard Auinger und den Gemein­der­at der Stadt Salzburg auf, die Stelzhamer­straße als klares Zeichen gegen Anti­semitismus umzube­nen­nen”, so der MKÖ-Vorsitzende.

Ins Tre­f­fen geführte Gege­nar­gu­mente – die Stadt könne bei his­torisch belasteten Per­sön­lichkeit­en nicht „einzelfall­be­zo­gen” vorge­hen und den Bewohn­ern der Stelzhamer­straße sei die Umbe­nen­nung nicht zuzu­muten – wider­legt er.

„Erst im Dezem­ber des Vor­jahres hat die Stadt Salzburg das Ehren­grab des NS-Kom­pon­is­ten Hans Schmid um 25.000 Euro ver­längert. Bei dieser Ehrung eines braunen Parteigängers war das einzelfall­be­zo­gene Vorge­hen offen­bar kein Prob­lem”, stellt Mernyi fest. „Und natür­lich muss die Stadt die Umbe­nen­nungskosten der Straßen­be­wohn­er übernehmen und sie bei Urkun­denän­derun­gen unter­stützen. Als 1997 in Wels die Kern­stock­straße auf Thomas-Mann-Straße umbe­nan­nt wurde, hat das ohne weit­eres funk­tion­iert. Warum sollte das in Salzburg anders sein?”