Die bereits in Teil I dieses Beitrags erwähnte „Palästina Solidarität Österreich“ (PSÖ) tritt als Organisatorin von israel-feindlichen Kundgebungen in Wien auf, die seit dem 7. Oktober beinahe täglich stattfinden. Hinter ihr steht der Frontmann der „Antiimperialistischen Koordination“, Wilhelm Langthaler, der sich auch öffentlich aufseiten Putins positioniert und in Bezug auf die Covid19-Pandemie bereits Querfront-Position vertritt.
Gleichermaßen dauerpräsent und als Organisator aktiv bei den antisemitischen Aufmärschen der letzten Wochen ist „BDS-Austria“. BDS („Boycott, Divestment, Sanctions“) ist ein loser internationaler Zusammenschluss, an dessen Gründung im Jahr 2005 auch Mitglieder der antisemitischen Mörderbanden Hamas, Islamischer Dschihad und Volksfront zur Befreiung Palästinas beteiligt waren. In der BDS-Ideologie werden der jüdische Staat als ein Kolonial- bzw. Apartheidsregime dämonisiert und zudem eine israel-bezogene Abwandlung des Nazi-Spruchs „Kauf nicht bei Juden“ als politische Forderung reaktiviert, indem ein umfassender ökonomischer, kultureller und wissenschaftlicher Boykott von israelischen Produkten und Institutionen gefordert wird. Die BDS-Bewegung wird von zahlreichen Kritiker*innen seit Jahren als antisemitisch – und eben nicht bloß Israel-kritisch – eingestuft. Auch das österreichische Parlament hat die Bewegung 2020 in einem einstimmigen Entschließungsantrag verurteilt. Dies ändert bis dato nichts daran, dass namhafte Intellektuelle (etwa die US-amerikanische Ikone der Queer-Theorie Judith Butler) sich als Sprachrohr der Gruppe hergeben.
In einem Statement vom 12. Oktober (1) schafft es der österreichische BDS-Ableger den Auslöser des gegenwärtigen Krieges, also das Hamas-Massaker und die Entführungen von Israelis, nicht einmal zu erwähnen, sondern nur von „israelische[r] Aggression“, israelischen „Kriegsverbrechen“ und einem „Genozid“ in Gaza zu fabulieren. An diesem Spin einer Täter-Opfer-Umkehr, mit dem Vorsatz Israel zu dämonisieren, hält der antisemitische Verein weiterhin eisern fest: Bei einer Demonstration am 4. November – also nach detailliertem Bekanntwerden der von Hamas verübten Gräuel – wird der 7. Oktober in einem BDS-Redebeitrag lediglich als Auslöser für palästinensisches Leid erwähnt.
Am 4.11.2023 fand am Platz der Menschenrechte eine pro-palästinensische Kundgebung statt. Unter den ca. 500 Teilnehmenden waren auch jene antisemitische Gruppen, die seit Wochen das Bild der antiisraelischen Versammlungen in Wien prägen. #w0411 pic.twitter.com/RpgCUZaemV
— Presseservice Wien (@PresseWien) November 20, 2023
Ebenso bei sämtlichen Demos gegen Israel vertreten ist der Verein „Dar al Janub“. Diese in den frühen 2000er Jahren gegründete Organisation nennt sich selbst „Verein für antirassistische und friedenspolitische Initiative“ und ist die Nachfolgeorganisation der antisemitischen Gruppe „Sedunia“. Letztere hat im Jahr 2003 in einem offenen Brief das Dokumentationsarchiv des öst. Widerstandes (DÖW) als Vorfeldagentur des „US-Imperialismus“ und „Zionismus“ beschimpft und kurz darauf eine Kundgebung im Andenken an die Novemberpogrome gestört – für beides erhielt die Gruppe öffentlichen Beifall von Neonazis.
Dem DÖW-Mitarbeiter Andreas Peham zufolge handelt es sich bei „Dar al Janub“
nicht nur um eine Nachfolgeorganisation von Sedunia, sondern auch um den Versuch, Antisemitismus in ein antirassistisches und kulturalistisches (postkoloniales) Mäntelchen zu hüllen und ihn solcherart gerade im akademischen Milieu zu verankern. (…) Es geht um die Bildung antiisraelischer Allianzen, die von ehemals links außen über den Islamismus bis hin zum Rechtsextremismus reichen. (doew.at, 2015)
Seit dem 7. Oktober hetzt „Dar al Janub“ unaufhörlich gegen Israel, wobei eine verschwörungsphantastische Leugnung oder Relativierung der Hamas-Gräuel dauerpräsent ist. Die Medienberichterstattung über den Verein hat sich seit dem 3. Dezember verstärkt, nachdem die „Dokumentationsstelle politischer Islam“ einen Bericht veröffentlichte, in dem sie „Dar al Janub“ nicht nur Hamas-Propaganda, sondern auch Verbindungen zu der Terrororganisation nachweist.
Brisant vor diesem Hintergrund ist, dass der Verein sich in der Vergangenheit auch
als Kooperationspartner in der Entwicklungshilfe dargestellt haben [soll]. Mit dieser Strategie erhielt er umgerechnet 91.855 Euro vom OPEC Fund for International Development. Gelder flossen dann, ausgehend vom Verein unter anderem in die Palästinensische Humanitäre Vereinigung (PHV). Diese wiederum soll, so der israelische Geheimdienst, Teil eines Finanzierungsnetzwerkes der Hamas sein. (meinbezirk.at, 3.12.23)
Die oben erwähnte Demo am 4. November war ursprünglich von der PSÖ und der „Antiimperialistischen Koordination“ im Wiener Vogelweidpark angemeldet gewesen, dann aber polizeilich untersagt worden. Die Akteur*innen konnten allerdings mit einem anderen Demonstrationszug harmonisch fusionieren, der von dem Zusammenschluss „Global South Alliance“ organisiert wurde. Darunter befinden sich folgende Kleingruppen, die allesamt in unterschiedlichen Abstufungen einen mit AIK/PLÖ und BDS kompatiblen Antiimperialismus gegen Israel vertreten: „Revolution Austria“, „Migrantifa“, „Judeobolschewiener*innen“, „Alerta Feminista Austria“, „KJÖ“, „Young Struggle Wien“, „Free Palestine Collective“. Erwähnenswert ist die trotzkistische Sekte „Der Funke“, die ebenfalls bei zahlreichen Demos sichtbar ist. Einige der Aktivist*innen dieser Gruppe waren kürzlich noch führende Mitglieder der Sozialistischen Jugend (SJ) Alsergrund, wurden aber aufgrund ihrer antiisraelischen Agitation im November aus der SPÖ ausgeschlossen. Diese Agitation des „Funken“ ist meist weniger direkt und bemühter eingebettet in einen orthodox-marxistisch-trotzkistischen Jargon als etwa jene von AIK/PLÖ. Aber auch hier gibt es keine Berührungsängste mit Antisemitismus und offen reaktionären Kräften, die vorrangig aus dem islamistischen Spektrum kommen.
Um einzelne prominente Figuren aus eben diesem wird es im dritten Teil dieses Beitrags gehen; ebenso um einen abschließenden theoreitschen Blick auf die Frage, warum das Thema Israel bzw. Nahostkonflikt für Querfrontmobilisierung so zentral ist.
➡️ Antisemitische Querfront gegen Israel (I): die „Antiimperialistischen Koordination“ (AIK)
➡️ Antisemitische Querfront gegen Israel (III): Sprachrohre zwischen Antiimperialismus und Islamismus: von Schöndorfer zu Gowayed
Fußnoten
1 „Statement zur Mahnwache 11.10.2023 in Solidarität mit den Menschen in Gaza“, 12.10.2023, eingesehen auf der Website von BDS-Austria am 11.12.2023