Am 6. März klebten sich Aktivist*innen der „Letzten Generation“ erstmals in der Imbergstraße in der Stadt Salzburg fest und brachten den Frühverkehr zum Erliegen. Der damalige FPÖ-Stadtparteichef (jetzt Landtagsabgeordneter) Dominic Maier nahm dies zum Anlass, um in einem via TikTok und Instagram verbreiteten Video folgende Diffamierung vom Stapel zu lassen: „Letzte Woche haben die Salzburger Stadtfreiheitlichen noch davor gewarnt! Heute ist es Realität geworden! Ökoterroristen, Barrikadenbauer und Autozündler sind nun auch in Salzburg angekommen.“ (Maier zit. nach Salzburger Nachrichten, 28.11.23, S. L8) Die Pressesprecherin der „Letzten Generation“ brachte diese infamen Anwürfe zur Anzeige – im Raum steht der Verdacht auf Verhetzung. Das entsprechende Video ist nach wie vor online auf Maiers Profilen abrufbar.
Die „Salzburger Nachrichten“ hatten am 28. November (S. L8) fälschlich berichtet, dass bereits ein Ermittlungsverfahren gegen Maier eingeleitet worden sei. Dies stimmt nicht, denn dazu müsste zuerst seine Immunität aufgehoben werden: „Die Staatsanwaltschaft kann im Moment nicht ermitteln, weil sie erst den Immunitätsausschuss im Landtag am 13. Dezember abwarten muss. Erst danach wird entschieden, ob gegen Maier ermittelt wird oder nicht.“ (orf.at, 28.11.23)
Danach werden Ermittlungen vermutlich eingeleitet, und das macht insofern Sinn, als Maier mit seinen Aussagen offensichtlich darauf abzielte, Hass gegen Klimaaktivist*innen zu schüren, indem er versuchte, sie gezielt in der öffentlichen Wahrnehmung verächtlich zu machen, was den Tatbestand der Verhetzung erfüllen würde. Dass dieser Hass bereits jetzt existiert und sich immer wieder in verbaler und physischer Gewalt gegen Protestierende entlädt, kann zahlreichen Medienberichten der letzten Monate entnommen werden (1).
Vor diesem Hintergrund ist es beachtlich, dass sich FPÖ-Generalsekretär Hafenecker in einer Presseaussendung (28.11.23) nicht nur hinter Maier stellt, sondern auch noch nachlegt, indem er selbst ganze drei Mal von „Öko-“ bzw. Klimaterroristen“ spricht und damit ausgerechnet die inhaltlich heftigste der drei Zuschreibungen in Maiers Beschimpfung – „Ökoterroristen, Barrikadenbauer und Autozündler“ – direkt übernimmt. Hafenecker vergisst dabei auch nicht darauf, die Verwendung des Terrorismus-Begriffs zu rechtfertigen: Die Bezeichnung sei „mehr als gerechtfertigt, denn schließlich terrorisieren sie [die Klimaaktivist*innen; Anm. SdR] mit ihren Aktionen die arbeitende Bevölkerung“. Den realen gewalttätigen Hass gegen Klimaaktivist*innen bagatellisiert Hafenecker ganz offen:
Und wenn der Vorwurf gegen unseren Salzburger Abgeordneten jener ist, dass er mit seinen Worten die Menschen zum Hass gegen die Klimakleber aufstachelt, dann sage ich auch ganz klar: Dafür braucht es keine Wortspenden von Politikern. Die Klimaterroristen schaffen das mit ihren Aktionen auch allein. (ots.at, 28.11.23)
Die Aussage impliziert ungeniert, dass friedliche Aktivist*innen selbst schuld seien, wenn ihnen Gewalt angetan wird. Damit überbietet Hafenecker die Hetze seines Kollegen inhaltlich noch um eine unappetitliche Umdrehung.
Umgekehrt ist er sich freilich nicht zu schade für jene weinerliche Larmoyanz, die sein ganzes Milieu als rhetorisches Allzweckmittel verwendet. So nennt er die mögliche Anklage seines Kameraden Maier „Anschlag auf die Meinungsfreiheit“ und halluziniert einen „Versuch, kritische Politiker mit dem Gewaltmonopol des Staates mundtot“ (ots.at) zu machen.
Hafenecker versucht dem möglichen Tatbestand der Verhetzung seines Kameraden vorauseilend zu widersprechen, wenn er verächtlich erklärt, ihm sei nicht bekannt, „dass Klimakleber, von denen es noch dazu nur sehr wenige gibt, eine schützenswerte Gruppe oder gar eine Religionsgemeinschaft sind“ (ebd.). Da könnte er sich irren: Seine Formulierung ist bereits irreführend, denn auch Verhetzung gegen weltanschauliche Gruppen – und nicht nur religiöse – ist in dem Gesetz erfasst.
Update 21.12.23: Maiers Immunität wurde aufgehoben, die Staatsanwaltschaft hat ein Eremittlungsverfahren eingeleitet. (Quelle: sn.at, 21.12.23)
Update 8.6.24: Laut Salzburger Nachrichten (8.6.24, S. L4) wurden die Ermittlungen eingestellt. Es sei „nicht erweislich, dass der Beschuldigte mit seinen Kommentaren bezwecken wollte, die Aktivisten verächtlich zu machen und gegen sie zu Hass oder Gewalt aufzustacheln” (SN), wird die Salzburger Staatsanwaltschaft zitiert.
Fußnote:
1 Hier nur einige Beispiele: Bereits im Mai berichtete der „Kurier“ (12.5.23) von zunehmender Gewalt gegen Klimaaktivist*innen; im August musste ein Mann, der gegen Protestierende gewalttätig geworden war, wegen Drohung, Nötigung und Körperverletzung am Hals vor Gericht, wie der „Standard“ (9.8.23) berichtete; Mitte November hielten Aktivist*innen der „Letzten Generation“ bei einer Blockadeaktion an der A2 selbst auf Video fest, mit welchen Aggressionen sie konfrontiert sind: Die stets passiv und gewaltfrei bleibenden Protestierenden wurden bedroht, getreten, mit Wasser und einer Spraydose besprüht und angefahren (puls24.at, 20.11.23).