Es war keine Kleinigkeit, die da in der Vorwoche durch ein Geschworenengericht in Graz verhandelt wurde. Schließlich ging es um den Vorwurf, dass sich der Schweizer Multimillionär Daniel Model führend in einer staatsfeindlichen Verbindung gegen die Republik Österreich betätigt hat (§ 246 StGB). Die staatsfeindliche Verbindung war der ICCJV (International Common Law Court of Vienna), eine Spezialsekte der Staatsverweigerer bzw. Reichsbürger. Das öffentliche Interesse am Prozess war gering – wir versuchen uns in Kompensation.
Der ICCJV ist nicht zu verwechseln mit dem International Common Law Court (ICLCJ) oder dem Global Common Law Court (GCLC), Fantasieinstitutionen, die wie die Schwammerl aus der vor einigen Jahren noch sehr fruchtbaren Erde der rechten Reichsbürger bzw. Staatsverweigerer gesprossen sind. Mit dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag haben alle diese Hirngespinste nichts gemeinsam.
Von den anderen Scheingerichten ist der ICCJV dadurch leicht unterscheidbar, dass im Juni 2014 zwei BZÖ-Funktionäre als Gründer beteiligt waren (sie wurden deswegen aus dem sterbenden BZÖ ausgeschlossen). Dabei war laut Anklage des Grazer Landesgerichts eben auch der Schweizer Unternehmer und Multimillionär, der den ICCJV als „Friedensrichter“ durch eine großzügige Spende (150.000 Euro!) und als Quartiergeber unterstützt haben soll.
Der ICCJV ist zum ersten Mal öffentlich bemerkt worden, als er zusammen mit Anhängern des One People’s Public Trust (OPPT) und anderen Reichssektenfans wie den Freemen in Hollenbach (Ortsteil von Waidhofen/Thaya) ein „Volkstribunal“ gegen eine Rechtsanwältin durchführen wollte, die damals als Sachwalterin eines OPPT-Mitglieds fungiert hatte. Mit massivem Polizeieinsatz wurde das „Volkstribunal“ des ICCJV damals aufgelöst, was diesen nicht daran hinderte, „Haftbefehle“ gegen alle Landeshauptleute auszustellen, die über die „Sheriffs“ der „International Sheriff Association“ vollstreckt werden sollten. Über mehrere Prozesse (zuletzt 2020 in Steyr) und mit harten Haftstrafen wurde gegen Aktivisten des ICCJV und anderer Phantasiegerichte in der Folge vorgegangen.

Das fiktive Gericht ICCJV („International Common Law Court of Justice Vienna”) suchte fiktive Sheriffs
Jetzt also der vorläufig letzte Akt: die Anklage gegen den Schweizer Unternehmer Model. Wie kommt eigentlich der dazu? Der ICCJV, der seinen ersten Sitz in einer Wohnung in einem Wiener Gemeindebau angab, sich aber für Deutschland, Österreich und die Schweiz (D‑A-CH) zuständig fühlte, versuchte zunächst vergeblich, durch die Beschlagnahme von österreichischen Landesgerichten Räumlichkeiten für sich zu requirieren. 2016 erfolgte dann die Registrierung des Vereins „International Intelligence Agency“, „Nachrichtendienst“ und Vorfeldorganisation des ICCJV, im Handelsregister des Schweizer Kantons Thurgau. Adresse war der „Modelhof“ in Müllheim, der dem gleichnamigen Unternehmer Daniel Model seit 2012 als Veranstaltungszentrum und Sitz seines Ministaates „Avalon“ dient.
Avalon: what?
Schon 2006 hat Model seinen eigenen Ministaat „Avalon“ (ein mythischer Ort aus dem Sagenkreis um König Arthur) gegründet, den er seit 2012 mit dem Modelhof als „Regierungssitz“ zu materialisieren versucht. Die Ideologie von „Avalon“ – sofern man das überhaupt so benennen kann – ist nicht bloß antistaatlich, sondern zutiefst antihumanistisch, elitär und vor allem gegen den „Sozialstaat“ gerichtet. Der „Wilde“, „der es nicht schafft, seine Naturkräfte zu bändigen, geschweige denn umzuformen“, sondern sich vom „Sozialstaat“ einlullen lässt, ist nicht der Adressat von „Avalon“:
Avalon zieht Menschen an, die auf ihrem Lebensweg voranschreitend, links und rechts die barbarischen und wilden Abgründe erkennen. (…) Avalon steht unter dem Schutz des Freisten (sic!) und wird sich eines Tages als etwas manifestieren können, was wir heute ‚Staat‘ nennen und sich dann, wenn er es zur Anschauung für die Menschen gebracht hat, in einer andersartigen Gleichheit zeigt. (aus „Avalon Quintessenz“)
Alles klar? Das libertär geprägte Geschwurbel von „Avalon“ passt ganz gut zu dem, was der ICCJV an Antistaatlichkeit und Ablehnung des demokratischen Rechtsstaats anzubieten hat. Als 2017 die ersten großen Strafverfolgungshandlungen gegen Aktivisten des ICCJV und verwandter Organisationen begannen, war dann auch der Zenith des ICCJV überschritten. Im Oktober 2017 entzog Model dem Pseudogerichtshof offiziell die Legitimation, die Adresse des Modelhofs als „Sitz“ zu verwenden; einige Nebenorganisationen blieben anscheinend aber noch Jahre unter dieser Adresse gemeldet.

Der Niederösterreicher Ricardo Leppe 2021 am Modelhof (Screenshot Modelhof)
Zum Prozess gegen Model in Graz gibt es einen sehr unterhaltsamen und detaillierten, allerdings (noch) unvollständigen Bericht einer Schweizer Prozessbeobachterin, die sich „Hel Vetia“ nennt. Da sich der Bericht noch nicht bis zum Urteil vorgearbeitet hat, dürfen wir aus anderen Schweizer Medien den (vorläufigen) Abschluss vorwegnehmen: Der Thurgauer Unternehmer, der seinen privaten und steuerlichen Wohnsitz seit 2014 in Liechtenstein einnimmt und damit den Regierungssitz seines Avalon-Imperiums verlassen hat, wurde in Graz von den Geschworenen schuldig gesprochen und vom Senat zu einer Haftstrafe von sieben Monaten bedingt und einer Geldstrafe von 1,8 Millionen Euro verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
➡️ SdR zu ICCJV und Hollenbach
➡️ Sonnenstaatland und Helvetia zum Prozess