Der Waffendealer der Neonazis – kein Neonazi?

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Der „Stan­dard“ berich­tet über die soeben fer­tig­ge­stell­te Ankla­ge­schrift gegen Peter Bin­der, den Waf­fen­dea­ler der Neo­na­zis. Als er im Dezem­ber 2020 auf­flog, sprach der dama­li­ge Innen­mi­nis­ter Neham­mer nicht nur von einem der größ­ten Waf­fen­fun­de bei Neo­na­zis in der Zwei­ten Repu­blik, son­dern auch von einem Netz­werk zwi­schen Rechts­extre­men und Orga­ni­sier­ter Kri­mi­na­li­tät. In der Ankla­ge fin­det sich nichts davon. Vor 20 Jah­ren lief das auch so – bei der „SS-Kampf­ge­mein­schaft Prinz Eugen“.

Seit rund 30 Jah­ren zieht Peter Bin­der sei­ne brau­nen Spu­ren – immer ver­bun­den mit Waf­fen, Spreng­stof­fen, Neo­na­zi-Grup­pen, Ver­ur­tei­lun­gen wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung und nach den Waf­fen­ge­set­zen. In den letz­ten Jah­ren ist noch der Han­del mit Sucht­gif­ten in gro­ßem Maß­stab dazu­ge­kom­men. Da müs­sen wir uns selbst kor­ri­gie­ren: Wir haben Bin­der näm­lich auch ver­däch­tigt, schon im Jahr 2010 unter ande­rem wegen des beacht­li­chen Besit­zes von 260 Gramm Koka­in auf­ge­flo­gen zu sein.

Die „Klei­ne Zei­tung“ (23.3.2010) schrieb damals:

Der Nie­der­ös­ter­rei­cher ist in der rech­ten Sze­ne kein Unbe­kann­ter. Er wur­de in den Neun­zi­ger-Jah­ren sogar mit der Brief­bom­ben­se­rie in Zusam­men­hang gebracht und — gemein­sam mit einem Stei­rer — wegen Wider­be­tä­ti­gung (sic!) ver­ur­teilt. Jetzt wur­den in sei­ner Woh­nung auch jede Men­ge Waf­fen und 1600 Schuss Muni­ti­on sichergestellt.

Das hät­te ziem­lich exakt auch für Bin­der gepasst, aber damals, in den 90er-Jah­ren, stand nicht nur der Nie­der­ös­ter­rei­cher Peter Bin­der gemein­sam mit dem Stei­rer Franz Radl vor Gericht, son­dern ein wei­te­rer Nie­der­ös­ter­rei­cher und Neo­na­zi, und der war der von der „Klei­nen Zei­tung“ Beschriebene.

Bei Bin­der blieb den­noch über die Jah­re hin­weg noch genug hän­gen. Das Wich­tigs­te haben wir in einer Chro­nik zusam­men­ge­tra­gen. Was hier noch fehlt, ist der Umfang der Waffen‑, Muni­ti­ons- und Spreng­stoff­fun­de, die seit sei­nem Auf­flie­gen als Sucht­gift­händ­ler im Dezem­ber sicher­ge­stellt wur­den, wobei da nicht klar ist, ob schon alle Waf­fen­de­pots gefun­den wurden.

Bei die­ser Gele­gen­heit müs­sen auch noch die beson­de­ren Umstän­de erwähnt wer­den, unter denen Bin­der 2020 „auf­ge­flo­gen“ ist. Er saß näm­lich gera­de sei­ne Haft­stra­fe wegen Wie­der­be­tä­ti­gung und Ver­ge­hen nach dem Waf­fen- und Sucht­mit­tel­ge­setz ab, die er 2018 in Wie­ner Neu­stadt kas­siert hat­te. Also eigent­lich saß er nicht, son­dern berei­te­te sich im Frei­gang auf sei­ne Rück­kehr in ein zivi­les Leben vor. Durch den Han­del mit Sucht­gift und Waf­fen in gro­ßem Stil. Irgend­wie kam das auch den Ermitt­lungs­be­hör­den zu Ohren, und sie schau­ten ihm anschei­nend eini­ge Wochen dabei zu, um ihn dann fest­zu­neh­men. Wobei das mit dem „Fest­neh­men“ eine unpas­sen­de For­mu­lie­rung ist, denn eigent­lich saß er ja schon ein.

Trotz der mehr­wö­chi­gen Beob­ach­tun­gen sei­ner Frei­gän­ger-Akti­vi­tä­ten, trotz der Fest­stel­lun­gen des dama­li­gen Innen­mi­nis­ters Neham­mer über das Netz­werk zwi­schen Rechts­extre­men und Orga­ni­sier­ter Kri­mi­na­li­tät, trotz der nach­fol­gen­den wei­te­ren Haus­durch­su­chun­gen, Waf­fen­fun­de und dem Auf­bau einer para­mi­li­tä­ri­schen Grup­pe namens „Miliz der Anstän­di­gen“, die eben­falls mit Bin­der in Ver­bin­dung gebracht wur­de, fin­det sich in der Ankla­ge nichts davon: kein Netz­werk, kei­ne Ver­bin­dun­gen zur orga­ni­sier­ten Kri­mi­na­li­tät, kei­ne „Miliz der Anstän­di­gen“, kei­ne Wie­der­be­tä­ti­gung. Die 18-sei­ti­ge Ankla­ge­schrift kommt ohne jeg­li­che Erwäh­nung eines poli­ti­schen Back­grounds aus.

NS-Devotionalien und Waffen im Neonazi-Netzwerk von Peter B. (Quelle: BM.I)

NS-Devo­tio­na­li­en und Waf­fen im Neo­na­zi-Netz­werk von Peter B. (Quel­le: BM.I)

Da fällt zunächst Bin­ders Anwalt, der Straf­ver­tei­di­ger Rudolf May­er, auf, des­sen aktu­el­le Ver­tei­di­gungs­li­nie dar­in besteht, Bin­der als „Waf­fen­nar­ren“ hin­zu­stel­len. Das war auch bereits 1995 so, als May­er den wegen Wie­der­be­tä­ti­gung ange­klag­ten Bin­der ver­tei­dig­te. Mit der neu­en Ankla­ge hat sich offen­sicht­lich die Ver­tei­di­gungs­li­nie May­ers durch­ge­setzt – alle brau­nen Spu­ren sind getilgt.

Da fällt uns aber auch noch die „SS-Kampf­ge­mein­schaft Prinz Eugen“ ein, eine Ban­de von Neo­na­zis, die 2002 auf­ge­flo­gen ist, vom dama­li­gen Innen­mi­nis­ter Ernst Stras­ser als „gefähr­li­che Grup­pe“ bezeich­net wur­de, bei der der größ­te Waf­fen­fund bei Neo­na­zis in der Zwei­ten Repu­blik sicher­ge­stellt wer­den konn­te. Die Mit­glie­der der „SS-Kampf­ge­mein­schaft Prinz Eugen“, die die NS-Wie­der­be­tä­ti­gung schon im Grup­pen­na­men tru­gen, wur­den nicht wegen der ihnen ursprüng­lich vor­ge­wor­fe­nen Delik­te, „wegen des Ver­dach­tes der NS-Wie­der­be­tä­ti­gung nach § 3g Ver­bots­ge­setz, wegen des Ver­dach­tes der Grün­dung einer staats­feind­li­chen Ver­bin­dung nach § 246 StGB, wegen Auf­stel­lung einer bewaff­ne­ten Ver­bin­dung (§ 279 StGB), wegen Ansam­meln von Kampf­mit­teln (§ 280 StGB)“ ange­klagt, son­dern nur wegen Ver­ge­hen nach dem Waf­fen­ge­setz von einem Bezirks­ge­richt zu Geld­stra­fen ver­ur­teilt. Wei­te­re Aus­künf­te über die Grün­de des völ­li­gen Schei­terns der Ermitt­lun­gen und der Straf­ver­fol­gung gegen die Nazi-Ban­de wur­den selbst Jah­re danach in einer par­la­men­ta­ri­schen Anfra­ge­be­ant­wor­tung verweigert.

➡️ SS-Kampf­ge­mein­schaft Prinz Eugen: Amtsgeheimnis!