Bleiburg/Pliberk: Ist das Verbot des Ustaša-Treffens schon sicher?

Der jährliche Auf­marsch in Bleiburg/Pliberk, wo Faschis­ten, Neon­azis und Recht­sex­treme, vor­wiegend aus Kroa­t­ien, die Ustaša abfeierten, war zeitweise die größte recht­sex­treme Demo europaweit. Nach jahre­lan­gen Protesten, Gegenkundge­bun­gen und Ver­bots­forderun­gen reagierte im Juli 2020 endlich der Nation­al­rat mit einem Antrag, in dem der Innen­min­is­ter aufge­fordert wurde, ein Ver­bot der faschis­tis­chen Feier anzu­peilen. Der set­zte eine Arbeits­gruppe ein, die jet­zt eine rel­a­tiv deut­liche Empfehlung für ein Ver­bot ablieferte. Oder doch nicht?

Die ersten Gedenken an ein Mas­sak­er, das so nie am Loibach­er Feld bei Bleiburg stattge­fun­den hat, fan­den in den 1950er-Jahren des ver­gan­genen Jahrhun­derts statt, Das alles und noch viel mehr ist in der aus­geze­ich­neten Broschüre „Mythos Bleiburg. Zur Geschichte und Aktu­al­ität des Ustaša-Tre­f­fens in Kärnten/Koroška“ des Arbeit­skreis­es (AK) Bleiburg/Pliberk nachzulesen.

Broschüre "Mythos Bleiburg", AK Pliberk/Bleiburg

Broschüre „Mythos Bleiburg”, AK Pliberk/Bleiburg

In den 2000er-Jahren entwick­elte sich das Ustaša-Tre­f­fen in Bleiburg unter der Patro­nanz der katholis­chen Kirche Kroa­t­iens und rechter Politiker*innen (auch aus Öster­re­ich) zeitweise zu einem der größten recht­sex­tremen Aufmärsche in Europa – mit bis zu 30.000 TeilnehmerInnen.

Bleiburg/Pliberk 2015: Katholischer Klerus vorne dabei

Bleiburg/Pliberk 2015: Katholis­ch­er Klerus vorne dabei

Dage­gen formierte sich in den let­zten Jahren auf sehr unter­schiedlichen Ebe­nen Wider­stand, der von Gegen­demon­stra­tio­nen vor Ort und Anzeigen nach dem Ver­bots­ge­setz über Arbeit­skreise (neben dem schon erwäh­n­ten AK Bleiburg/Pliberk hat auch das Mau­thausen-Komi­tee eine Arbeits­gruppe zu diesem The­ma ein­gerichtet) bis hin zu Aktiv­itäten auf par­la­men­tarisch­er Ebene (im öster­re­ichis­chen und im Europäis­chen Par­la­ment) reichte und schließlich auch zu dem gemein­samen Entschließungsantrag von vier Parteien (ÖVP, SPÖ, Grüne und Neos) führte.

Innen­min­is­ter Neham­mer set­zte dann eine Arbeits­gruppe ein, die sich mehrheitlich aus Vertreter*innen jen­er Insti­tu­tio­nen zusam­menset­zte, die sich in der Ver­gan­gen­heit nicht ger­ade durch Wach­samkeit aus­geze­ich­net haben. Der AK Bleiburg/Pliberk schreibt dazu in einem aktuellen Kom­men­tar:

Hier begin­nt das Prob­lem mit dieser Arbeits­gruppe. Ein­er­seits waren mit Bezirk­shaupt­mann Klösch und Lan­despolizei­di­rek­torin Kohlweiß zwei Schlüs­selfig­uren der bish­er beschwichti­gen­den Behör­den­poli­tik gegenüber dem Tre­f­fen vertreten (Artikel: Der Unwille der Behör­den), ander­er­seits kon­nten der kärnt­ner Lan­desamts­di­rek­tor-Stel­lvertreter Matschek und der Ordi­natskan­zler der Diözese Gurk Ibounig erk­lären, wieso sie bish­er alles richtig gemacht haben. Vor allem das Land Kärn­ten ermöglichte in der Ver­gan­gen­heit den Ankauf von immer neuen Grund­flächen am Loibach­er Feld / Libuško pol­je und damit den mas­siv­en Aus­bau der Gedenkstätte, und seg­nete Verkäufe, Wid­mungen und Bauw­erke ab. Eine kri­tis­che Betra­ch­tung dieses Aspek­ts durch externe Expert*innen wäre wün­schenswert gewesen.

Es ist also dur­chaus über­raschend (und ver­mut­lich ein Ver­di­enst der in der AG vertrete­nen His­torik­er), dass die Arbeits­gruppe zu dem Ergeb­nis kam, das Ustaša-Tre­f­fen sei in der bish­eri­gen Form zu unter­sagen und zweit­ens müsse auch der Gedenkstein ver­schwinden. Der Bericht enthält aber auch Empfehlun­gen bzw. Hin­weise, wie eine Feier gestal­tet wer­den kön­nte, damit sie erlaubt wird.

Gedenkstein Bleiburg/Pliberk muss weg (links die Šahovnica)

Gedenkstein Bleiburg/Pliberk muss weg (links die Šahovnica)

Der AK Bleiburg/Pliberk lis­tet in sein­er Ein­schätzung der Arbeits­gruppe des BMI detail­liert auf, was bei den Empfehlun­gen lück­en­haft ist, ver­ab­säumt bzw. durch die Aufla­gen des BMI aus­geschlossen wurde, kommt aber in sein­er Schlussfol­gerung zu ein­er vor­sichtig pos­i­tiv­en, aber auch kri­tis­chen Bewertung:

Der Expert*innenbericht ist defin­i­tiv ein Fortschritt, weil er Hand­lungsempfehlun­gen für die Zukun­ft gibt. Der Bericht ver­mei­det es das Behör­den­ver­sagen der Ver­gan­gen­heit aufzuar­beit­en, kommt aber nicht ganz umhin, die bish­eri­gen Entschei­dun­gen indi­rekt zu kri­tisieren. Für die öster­re­ichis­che Ver­wal­tung ist es ein Armut­szeug­nis, dass es einen Par­la­ments­beschluss und in Folge eine Arbeits­gruppe mit 10+ Beamt*innen auf Min­is­teri­um­sebene samt dreier Sektionschef*innen braucht, um die haarsträuben­den Entschei­dun­gen und das zweifel­hafte Ent­ge­genkom­men eines Bezirk­shaupt­manns endlich zu berichti­gen. Fehlerkul­tur? Fehlanzeige.

Der Bericht lässt sich als klares Ver­bot jed­er Ver­anstal­tung, der bei diesen Ver­anstal­tun­gen bes­tim­menden Sym­bol­en und des für die Ver­anstal­tung zen­tralen Gedenksteins lesen. Ob das jene Behörde schafft umzuset­zen, die bish­er schon Schwierigkeit­en hat­te, entsprechende Gutacht­en anzuwen­den, wird sich zeigen. Dafür, dass sich im Juli 2020 vier von fünf Par­la­mentsparteien klar für ein Ver­bot der Feier aus­ge­sprochen haben, ist das Ergeb­nis nicht zufrieden­stel­lend. Wed­er gibt es einen admin­is­tra­tiv-exeku­tiv­en noch einen leg­isla­tiv­en Akt, der der Ver­anstal­tung ein Ende bere­it­et, wieder liegt der Ball beim ober­sten Beamten eines Bezirks mit 40.000-Einwohner*innen. Bei ein­er 4/5‑Parlamentsmehrheit und 18 Monate Arbeit in der Arbeits­gruppe wäre mehr drin­nen als dieses Ver­bot mit Hintertür.

Die poli­tis­chen Reak­tio­nen auf die Empfehlun­gen der Arbeits­gruppe des BMI fie­len durch die Bank pos­i­tiv und erfreut, aber auch mit kri­tis­chen Anmerkun­gen aus. Einzig die FPÖ, die schon den gemein­samen Entschließungsantrag vom Juli 2020 nicht mit­tra­gen wollte, opponierte auch dies­mal. Ihr Kärnt­ner Lan­des­ob­mann und Nation­al­ratsab­ge­ord­neter Erwin Anger­er fand es „ bedauer­lich, dass das Recht auf ein würde­volles Totenge­denken in diesem Fall ignori­ert wird, weil eine poli­tis­che Instru­men­tal­isierung der Trauer­feiern stat­tfind­et“ (zit. nach derstandard.at, 24.11.21).

Vice Vuko­je­vić, der Vor­sitzende des Vere­ins „Bleiburg­er Ehren­zug“, der den faschis­tis­chen Auf­marsch bis­lang orchestri­ert hat, ist nicht so pes­simistisch wie der FPÖ-Lan­des­ob­mann Anger­er, son­dern äußert in kroat­is­chen Medi­en seine Überzeu­gung, dass man sich 2022, wenn die Pan­demie vor­bei ist, „sich­er wieder in Bleiburg ver­sam­meln“ werde und fügt hinzu: „Wer kön­nte schon eine Messe ver­bi­eten, die auf Pri­vat­grund abge­hal­ten wird?

Innen­min­is­ter Neham­mer, der die Empfehlun­gen der Arbeits­gruppe teilt, hat den Bericht und damit den Ball mit­tler­weile an den Nation­al­rat weit­erge­spielt. Es wer­den also weit­ere Monate verge­hen, bis klare Entschei­dun­gen getrof­fen wer­den. Das Ustaša-Tre­f­fen find­et üblicher­weise im Mai statt. Es darf aber nicht mehr stat­tfind­en! Wach­sam bleiben!

Gegenkundgebung 2019 (Foto © Günter Krammer)

Gegenkundge­bung 2019 (Foto © Gün­ter Krammer)

➡️ Stel­lung­nahme KZ-Ver­band/Ver­band der Antifaschistin­nen und Antifaschisten
➡️ Presseaussendung SPÖ-Schatz: „Herr Neham­mer, ver­hin­dern Sie das Bleiburg­er Ustaša-Tre­f­fen ein für alle Mal!”
➡️ Presseaussendung Blimlinger/Voglauer: Auf­nahme faschis­tis­ch­er Zeichen der Ustascha-Nach­fol­ge­or­gan­i­sa­tion „HOS“ in Sym­bole-Verord­nung erfreulich