Die ersten Gedenken an ein Massaker, das so nie am Loibacher Feld bei Bleiburg stattgefunden hat, fanden in den 1950er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts statt, Das alles und noch viel mehr ist in der ausgezeichneten Broschüre „Mythos Bleiburg. Zur Geschichte und Aktualität des Ustaša-Treffens in Kärnten/Koroška“ des Arbeitskreises (AK) Bleiburg/Pliberk nachzulesen.
In den 2000er-Jahren entwickelte sich das Ustaša-Treffen in Bleiburg unter der Patronanz der katholischen Kirche Kroatiens und rechter Politiker*innen (auch aus Österreich) zeitweise zu einem der größten rechtsextremen Aufmärsche in Europa – mit bis zu 30.000 TeilnehmerInnen.
Dagegen formierte sich in den letzten Jahren auf sehr unterschiedlichen Ebenen Widerstand, der von Gegendemonstrationen vor Ort und Anzeigen nach dem Verbotsgesetz über Arbeitskreise (neben dem schon erwähnten AK Bleiburg/Pliberk hat auch das Mauthausen-Komitee eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema eingerichtet) bis hin zu Aktivitäten auf parlamentarischer Ebene (im österreichischen und im Europäischen Parlament) reichte und schließlich auch zu dem gemeinsamen Entschließungsantrag von vier Parteien (ÖVP, SPÖ, Grüne und Neos) führte.
Innenminister Nehammer setzte dann eine Arbeitsgruppe ein, die sich mehrheitlich aus Vertreter*innen jener Institutionen zusammensetzte, die sich in der Vergangenheit nicht gerade durch Wachsamkeit ausgezeichnet haben. Der AK Bleiburg/Pliberk schreibt dazu in einem aktuellen Kommentar:
Hier beginnt das Problem mit dieser Arbeitsgruppe. Einerseits waren mit Bezirkshauptmann Klösch und Landespolizeidirektorin Kohlweiß zwei Schlüsselfiguren der bisher beschwichtigenden Behördenpolitik gegenüber dem Treffen vertreten (Artikel: Der Unwille der Behörden), andererseits konnten der kärntner Landesamtsdirektor-Stellvertreter Matschek und der Ordinatskanzler der Diözese Gurk Ibounig erklären, wieso sie bisher alles richtig gemacht haben. Vor allem das Land Kärnten ermöglichte in der Vergangenheit den Ankauf von immer neuen Grundflächen am Loibacher Feld / Libuško polje und damit den massiven Ausbau der Gedenkstätte, und segnete Verkäufe, Widmungen und Bauwerke ab. Eine kritische Betrachtung dieses Aspekts durch externe Expert*innen wäre wünschenswert gewesen.
Es ist also durchaus überraschend (und vermutlich ein Verdienst der in der AG vertretenen Historiker), dass die Arbeitsgruppe zu dem Ergebnis kam, das Ustaša-Treffen sei in der bisherigen Form zu untersagen und zweitens müsse auch der Gedenkstein verschwinden. Der Bericht enthält aber auch Empfehlungen bzw. Hinweise, wie eine Feier gestaltet werden könnte, damit sie erlaubt wird.
Der AK Bleiburg/Pliberk listet in seiner Einschätzung der Arbeitsgruppe des BMI detailliert auf, was bei den Empfehlungen lückenhaft ist, verabsäumt bzw. durch die Auflagen des BMI ausgeschlossen wurde, kommt aber in seiner Schlussfolgerung zu einer vorsichtig positiven, aber auch kritischen Bewertung:
Der Expert*innenbericht ist definitiv ein Fortschritt, weil er Handlungsempfehlungen für die Zukunft gibt. Der Bericht vermeidet es das Behördenversagen der Vergangenheit aufzuarbeiten, kommt aber nicht ganz umhin, die bisherigen Entscheidungen indirekt zu kritisieren. Für die österreichische Verwaltung ist es ein Armutszeugnis, dass es einen Parlamentsbeschluss und in Folge eine Arbeitsgruppe mit 10+ Beamt*innen auf Ministeriumsebene samt dreier Sektionschef*innen braucht, um die haarsträubenden Entscheidungen und das zweifelhafte Entgegenkommen eines Bezirkshauptmanns endlich zu berichtigen. Fehlerkultur? Fehlanzeige.
Der Bericht lässt sich als klares Verbot jeder Veranstaltung, der bei diesen Veranstaltungen bestimmenden Symbolen und des für die Veranstaltung zentralen Gedenksteins lesen. Ob das jene Behörde schafft umzusetzen, die bisher schon Schwierigkeiten hatte, entsprechende Gutachten anzuwenden, wird sich zeigen. Dafür, dass sich im Juli 2020 vier von fünf Parlamentsparteien klar für ein Verbot der Feier ausgesprochen haben, ist das Ergebnis nicht zufriedenstellend. Weder gibt es einen administrativ-exekutiven noch einen legislativen Akt, der der Veranstaltung ein Ende bereitet, wieder liegt der Ball beim obersten Beamten eines Bezirks mit 40.000-Einwohner*innen. Bei einer 4/5‑Parlamentsmehrheit und 18 Monate Arbeit in der Arbeitsgruppe wäre mehr drinnen als dieses Verbot mit Hintertür.
Die politischen Reaktionen auf die Empfehlungen der Arbeitsgruppe des BMI fielen durch die Bank positiv und erfreut, aber auch mit kritischen Anmerkungen aus. Einzig die FPÖ, die schon den gemeinsamen Entschließungsantrag vom Juli 2020 nicht mittragen wollte, opponierte auch diesmal. Ihr Kärntner Landesobmann und Nationalratsabgeordneter Erwin Angerer fand es „ bedauerlich, dass das Recht auf ein würdevolles Totengedenken in diesem Fall ignoriert wird, weil eine politische Instrumentalisierung der Trauerfeiern stattfindet“ (zit. nach derstandard.at, 24.11.21).
Vice Vukojević, der Vorsitzende des Vereins „Bleiburger Ehrenzug“, der den faschistischen Aufmarsch bislang orchestriert hat, ist nicht so pessimistisch wie der FPÖ-Landesobmann Angerer, sondern äußert in kroatischen Medien seine Überzeugung, dass man sich 2022, wenn die Pandemie vorbei ist, „sicher wieder in Bleiburg versammeln“ werde und fügt hinzu: „Wer könnte schon eine Messe verbieten, die auf Privatgrund abgehalten wird?“
Innenminister Nehammer, der die Empfehlungen der Arbeitsgruppe teilt, hat den Bericht und damit den Ball mittlerweile an den Nationalrat weitergespielt. Es werden also weitere Monate vergehen, bis klare Entscheidungen getroffen werden. Das Ustaša-Treffen findet üblicherweise im Mai statt. Es darf aber nicht mehr stattfinden! Wachsam bleiben!
➡️ Stellungnahme KZ-Verband/Verband der Antifaschistinnen und Antifaschisten
➡️ Presseaussendung SPÖ-Schatz: „Herr Nehammer, verhindern Sie das Bleiburger Ustaša-Treffen ein für alle Mal!”
➡️ Presseaussendung Blimlinger/Voglauer: Aufnahme faschistischer Zeichen der Ustascha-Nachfolgeorganisation „HOS“ in Symbole-Verordnung erfreulich