Nachdem bei der „Querdenken“-Demo ein Mann im Schottenrock auf der Bühne die Regenbogenfahne geschwenkt hat, leitet „Moderator“ Martin Rutter die folgende Szene mit den Worten ein, es habe sich leider ein Fehler eingeschlichen. Jennifer Klauninger, die schon einige Corona-Demos organisiert hat, erklärte schreiend, „Diese Flagge kommt mir nicht auf die Bühne“, und gemeinsam mit dem seltsamen Satanismus-Experten Manuel Mittas und dem Schottenrock-Menschen wird die Regenbogenflagge, das Symbol der LGBTIQ-Bewegung, zerrissen, weil sie in der Mitte ein Herz enthält. Es ist zwar nur ein ebenfalls in Regenbogenfarben gehaltenes Herz, aber Klauninger („Ich kenn mich in Symbolik aus“) will ein Doppelherz und damit ein Pädophilen-Symbol erkannt haben: „Jeder, der so ein Symbol trägt, unterstützt Kinderschänder.“ Die übliche dreckige reaktionäre Gleichung: Homosexualität = Pädophilie!
Der Mann im Schottenrock stellt sich als Deutscher von den Stuttgarter „Querdenkern“ vor und darf Selbstkritik üben. Keine Ahnung habe er von dieser Symbolik gehabt und fügt hinzu: „Das sind keine Menschen.“ Dann ist der Satanismus-Experte Manuel Mittas dran, der seine Expertise in Sachen Pädophile gleich mit dem ungeheuerlichen Vorwurf garniert, er habe Hinweise, dass es in einem (von ihm namentlich genannten) Schlosshotel im Süden von Wien rituellen Kindesmissbrauch gäbe und dass er den Namen von einem in Österreich, der auch im Zusammenhang mit Pädophilie aufgearbeitet gehört, leider nicht sagen dürfe. Nur „Sputnik“-News sei für seine Recherchen offen.
Für den rechtsextremen und der FPÖ nahestehenden „Wochenblick“ ist Klauninger so etwas wie eine Heldin. Unter dem Titel, „Sie hat die Fahne zerrissen: Jetzt spricht die Aktivistin“, wird Klauninger am 7. September breiter Raum zur Selbstdarstellung eingeräumt. Auch das Herzerl-Symbol, das anscheinend aus einem ziemlich alten Leitfaden des FBI zur „Pädophilen-Erkennung“ stammt, präsentiert der „Wochenblick“.
Damit ist klar, dass das FBI-Pädophilen-Symbol weitaus mehr mit dem „Eskimo“-Herz gemeinsam hat als mit dem von der Regenbogenflagge: eigentlich deckungsgleich, nur seitenverkehrt. „Eskimo“-Werbung für Pädophilie? Alle „Eskimo“-Eisschlecker*innen – potenzielle Unterstützer? Grotesk! Aber Klauninger sagt: „Jeder, der so ein Symbol trägt, unterstützt Kinderschänder.“ (Und tatsächlich gibt es Poster, die glauben, dass Eskimo/Langnese nicht zufällig ein Doppelherz als Logo haben und zu dem Coup mit der Fahne auch deswegen gratulieren.)
Klauninger sieht sich trotz ihrer Hetze in erster Linie als Opfer. Sie habe auch Homosexuelle in ihrem Freundeskreis. Die würden zu ihr stehen, anders als das deutsche „Querdenken“-Bündnis, verrät sie dem „Wochenblick“: „Mit den Querdenkern möchte sie zukünftig daher nicht mehr zusammenarbeiten, verriet sie Wochenblick im exklusiven Gespräch.“ Was sich in diesem „Wochenblick“-Statement anbahnt, setzt sich im Verlauf des 7. September dann fort: der Bruch bei den „Querdenkern“.
Als Klauninger, Mittas und Schmidt am Abend bei der Protestkundgebung „Dem Hass keinen Platz“ auftauchen, werden sie damit konfrontiert, dass sich „Querdenken“ in einer öffentlichen Erklärung von den hetzerischen Aktionen distanziert und „für den skandalösen Vorfall“ entschuldigt hat. Der ersten Distanzierung folgt dann später noch eine ausführlichere, aktualisierte Variante, in der das Zerreißen der Flagge als Gewalttat charakterisiert und der Staatsanwaltschaft Kooperation bei der Aufklärung, auch bei der namentlichen Beschuldigung eines Hotels in Zusammenhang mit rituellem Kindesmissbrauch, angeboten wird. Die Erklärung ist gezeichnet von „Querdenken Österreich“ – die Exponent*innen der Wiener Abteilung „querdenken‑1.at“ waren da nicht mehr an Bord.
Am 9. September veranstaltet Harald Schmidt von der rechtsextremen „Corona-Querfront“ ein unterirdisches Pressegespräch mit Jennifer Klauninger, bei dem sie einerseits erklärt, „Ich habe genau richtig gehandelt“, andererseits darauf beharrt, dass sie nicht die LGBTIQ-Communities, sondern die Pädophilen mit dem Zerreißen der Flagge gemeint haben will. Dazu passt allerdings gar nicht, dass sie die „Communities von Homo- und Transsexuellen“ mehrmals auffordert, sich von den Pädophilen zu distanzieren. Die Widersprüchlichkeiten und Hetzereien von Klauninger sind das eine, das braune Geraune von Schmidt über die Verquickungen des kapitalistischen Staates in die Pädophilie das andere. QAnon lässt grüßen! Hochrangige Organe des Staates, darunter auch Richter und Staatsanwälte seien daran beteiligt: Untertags sprechen sie Recht, in der Nacht gehen sie in das Haus. In welches, ergibt sich aus dem Kontext.
Die Exponent*innen von „Querdenken‑1.at“ (also die Wiener Abteilung) haben mittlerweile den Bruch vollzogen. Nachdem Hannes Brejcha, der Sprecher der Wiener „Querdenker“ zunächst noch etwas gejammert hat, „bitte lasst uns weiterhin zusammenhalten“, verkündet er jetzt die Spaltung: „Um die Community zu retten musste Plan B her ! Wir lassen Uns nicht mehr spalten ! Zulange kämpfte ich mit meinen Freunden um den Zusammenschluss Aller Gruppen ! Wir sind stark, Wir haben Kraft, Wir werden Siegen.“
Die Gruppe um Brejcha, Klauninger, Mittas, Rutter und die offen Rechtsextremen von der „Corona-Querfront“ nennen sich jetzt „Fairdenken“ (statt „Querdenken“) und mobilisieren für die nächste Demo am 19.9., für die – wohl nicht zufällig – auch Inge Rauscher von der rechtsextremen Initiative Heimat & Umwelt als Rednerin angekündigt ist. Im Terminplan von „Querdenken Österreich“ fehlt dieser Termin.
Rauschers rechte Truppe ruft schon seit Monaten zu einer „bundesweiten Großdemonstration“ für Ende September auf, die wiederum von „Querdenken“ beworben wird und bei der – entgegen dem realen Trend – das „Ende der Plandemie“ verkündet werden soll. Da werden dann wohl trotz Spaltung alle Corona-Initiativen wieder dabei sein wollen: Rechtsextreme, Verschwörungsheinis, Impfgegner und die, die kein Problem haben mit solchen Verbündeten.