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Heinrich in braunen Zeiten

Wie­der ein­mal ein Zeug­nis aus alten brau­nen Zei­ten, das – wie­der ein­mal – aus Küs­sels VAPO-Milieu stammt. Eine anti­se­mi­ti­sche Hetz­schrift, ver­se­hen mit einer anti­se­mi­ti­schen Wid­mung, von Hein­rich an ein Mit­glied aus Küs­sels Trup­pe.  Er wer­de, so Hein­richs Rechts­an­walt, „eine etwa­ige gleich­wohl erfol­gen­de Bericht­erstat­tung sorg­fäl­tig prü­fen und wei­sen bereits jetzt dar­auf hin, gegen die Rechts­ver­let­zun­gen zu […]

2. Jun 2020

Er wer­de, so Hein­richs Rechts­an­walt, „eine etwa­ige gleich­wohl erfol­gen­de Bericht­erstat­tung sorg­fäl­tig prü­fen und wei­sen bereits jetzt dar­auf hin, gegen die Rechts­ver­let­zun­gen zu Las­ten HC Stra­che ent­schie­den vor­zu­ge­hen“ (oe24.at, 1.6.20) Also gleich eine Dro­hung? Also aufgepasst!

Es war wahr­schein­lich um 1992, als der Van­da­le „Hein­rich der Glück­li­che“ das Buch eines wil­den Anti­se­mi­ten, das 1941 im berüch­tig­ten Stü­mer-Ver­lag erst­mals auf­ge­legt wur­de, einem Kame­ra­den zukom­men hat las­sen – wir ergän­zen: mut­maß­lich zukom­men hat las­sen. Mit einer Wid­mung, die es in sich hat. 

Sie ist, wie die Süd­deut­sche, die die­se Wid­mung ges­tern ver­öf­fent­lich­te, schreibt, eher als Gebrauchs­an­lei­tung zu verstehen.

Die­ses Buch soll Dir einen Ein­blick in die jüdisch ver­wor­re­ne und macht­lüs­ter­ne Gedan­ken­welt ver­mit­teln. Als poli­ti­sche Eli­te die­ses Lan­des müßen wir unse­re Geg­ner stu­die­ren, ihre wir­ren Ideen ent­lar­ven und die­sen entgegentreten.

Die „273 Sei­ten Hass“ (SZ), die der groß­zü­gi­ge Schen­ker zum Stu­di­um emp­foh­len hat, sind 1992 nach­ge­druckt wor­den, frü­her konn­te die­ses tief anti­se­mi­ti­sche Zeug­nis dem Emp­fän­ger also nicht erreicht haben.

1992, das war das Jahr als Kurt Wald­heim, der Meis­ter des „Ver­ges­sens“, die poli­ti­sche Büh­ne ver­las­sen hat­te. Heu­te, 28 Jah­re spä­ter, schreibt Hein­richs Rechts­an­walt: 

HC Stra­che kann­te Herrn XY [anony­mi­siert durch SdR]. Er kann sich aller­dings an das die­sem gegen­über angeb­li­che gemach­te Buch­ge­schenk vor rund 30 Jah­ren eben­so wenig erin­nern, wie an eine dar­in ver­fass­te Wid­mung oder Gedich­te und Zita­te. Unser Man­dant kennt auch den Inhalt des Buches nicht. (Stra­ches Rechts­an­walt, zit. nach oe24)

Also noch einer, der sich nicht erin­nern kann – nicht zum ers­ten Mal, wie wir wis­sen. Die Wid­mung, die mit Hein­richs Klar- und des­sen Ver­bin­dungs­na­men gezeich­net ist, stam­me, so die Süd­deut­sche, die einen Gut­ach­ter mit einem Schrift­ver­gleich beauf­trag­te, zu 99,9% von Hein­rich, damals bereits Bezirks­rat der FPÖ.

Etwa zwei Jah­re vor dem Nach­druck der anti­se­mi­ti­schen Hetz­schrift schick­te „Hein­rich der Glück­li­che“ 

eine Post­kar­te zum Andenken an den Nazi-Rit­ter­kreuz­trä­ger Robert Col­li nach Wien. (…) Nazi-Oberst Col­li „hat sei­ne Pflicht getan“, ist auf der Kar­te zu lesen. Die Post­kar­te stammt von der rechts­ra­di­ka­len Bur­schen­schaft Olym­pia, der Col­li angehörte.
Unter­zeich­net hat Stra­che mit „Deut­schen Heil­grü­ßen“ und „Heil Deutsch­land“, adres­siert wur­de sie nach „Deutsch-Öster­reich“, ein­deu­ti­ge Neo­na­zi-Codes. (falter.at, 4.6.19)

Als der Fal­ter ein Fak­si­mi­le der Post­kar­te und ein Foto, das Hein­rich vor einer groß­deut­schen Land­kar­te bei einer Men­sur zeigt, ver­öf­fent­licht und den damals frisch geschei­ter­ten Ex-Vize­kanz­ler um eine Stel­lung­nah­me gebe­ten hat­te, ant­wor­te­te der so: „Die Post­kar­te und das Foto hät­ten ‚nichts mit NS, son­dern mit der Deut­schen Bur­schen­schaft zu tun!‘, schreibt er.“ (Fal­ter)

Ah ja, auch die sich dar­auf fin­den­de Rune, die Unter­schrift von Nor­bert Bur­ger und D(eutsch)-Österreich als Adress­zu­satz haben „nur“ mit der Deut­schen Bur­schen­schaft zu tun? Der Schrift­ver­gleich von Post­kar­te und Wid­mung zeigt jeden­falls selbst für Lai­en unüber­seh­ba­re Ähnlichkeiten.

Postkarte Strache 1990 (Foto: Falter)
Post­kar­te Stra­che 1990 (Foto: Fal­ter)
Widmung mit Strache und verbindungsname gezeichnet (Foto Süddeutsche)
Wid­mung mit Stra­che und Ver­bin­dungs­na­me gezeich­net (Foto: Süd­deut­sche)

Und wer ist nun der Kame­rad, dem „Hein­rich der Glück­li­che“ Buch und Wid­mung mut­maß­lich zukom­men hat las­sen? Es ist Franz, eben­falls Bur­schen­schaf­ter (aber nicht bei Stra­ches Ver­bin­dung), eben­falls Mit­glied von Küs­sels VAPO-Trup­pe. Er muss­te sich zusam­men mit Küs­sel und fünf wei­te­ren Kame­ra­den 1991 – also min­des­tens ein Jahr vor dem Buch­ge­schenk – vor Gericht wegen des Ver­dachts auf einen ver­such­ten Brand­an­schlag auf das damals besetz­te Haus in der Aegi­di­gas­se 13 ver­ant­wor­ten. Franz wur­de, nach­dem er gestän­dig war, zu einem Monat bedingt ver­ur­teilt. (Ob die Staats­an­walt­schaft Beru­fung ein­ge­legt hat, ist uns nicht bekannt.)

Stra­che hat sich, wie wir wis­sen, oft vom Neo­na­zis­mus und Anti­se­mi­tis­mus distan­ziert. Ein wirk­li­ches Hin­der­nis für sei­ne poli­ti­sche Kar­rie­re bis zum Vize­kanz­ler war sei­ne Ver­gan­gen­heit jedoch ohne­hin nicht. Aber klar, jedem Men­schen sei­en per­sön­li­che Wand­lun­gen zuge­stan­den. Die Distan­zie­run­gen pas­sie­ren aller­dings immer nur dann, wenn gera­de wie­der etwas auf­ge­deckt wird, begin­nend von den Fotos aus VAPO-Zei­ten bis zu die­sem Buch­ge­schenk, was dem angeb­li­chen Gesin­nungs­wan­del viel, wenn nicht sogar alles an Glaub­wür­dig­keit nimmt. Aber auch das wird Stra­che bei sei­nem poli­ti­schen Come­back-Ver­such nicht scha­den. Und das ist das wirk­lich Betrüb­li­che an die­ser Causa.