„Hatz auf die Männer“ – Sexismus und Antifeminismus
In einem (jenseitig ekelhaften) Text mit dem Titel „Das Virus, der Radikalfeminismus und die Medien“ (1) verbindet Unterberger das COVID-19-Thema mit seiner antifeministischen und sexistischen Pöbelei, über deren Charakter wir an anderer Stelle bereits ausführlich berichtet haben. Er höhnt über die Pressekonferenzen, in welchen mehrere Ministerinnen vor der Zunahme von Gewalt gegen Frauen im Kontext der Pandemie-Maßnahmen gewarnt hatten. Unterberger hat dafür nur Spott und Verachtung über; es fallen Begriffe wie „Hysterie“, „ideologische Kampftruppen“,„Sündenbocksuche“. Er behauptet, für eine solche „Anti-Männer-Panikmache“ seien gar keine Fakten vorgelegt worden (dass die autonomen Frauenhäuser bereits früh vor einer Zunahme von Gewalt warnten und von einer Häufung der Anfragen berichteten, reicht offenbar nicht als Begründung). Mehr noch: Unterberger unterstellt den Ministerinnen in der sexistischen Manier des vorletzten Jahrhunderts, dass es ihnen ohnehin um etwas Anderes gehe: Er fragt, ob die Ministerinnen „Zadic & Co eifersüchtig [seien], weil die wichtigen Pressekonferenzen halt immer von einer reinen Männerriege geprägt“ würden; oder ob sie„prinzipiell von Männerhass getrieben [seien], sodass sie diesen über jedes noch so fernliegende Thema drüberzustülpen versuchen?“.
Unterberger unterstellt den Ministerinnen vorsätzliche Panikmache: Sie hätten „völlig unbegründet und überflüssig Panik zu erzeugen versucht“. Die Ministerinnen seien weniger an den echten Problemen interessiert, als an „einer neuen Hatz auf die Männer“.
Dergestalt im sexistischen Eifern aufgewärmt, erzählt uns Unterberger im selben Text noch von einem „viel größeren Feminismus-Skandal“–nämlich in Spanien. Dort habe die „sozialistisch-kommunistische Regierung“ noch Anfang März zur Teilnahme an Aufmärschen „am sogenannten „Internationalen Frauentag“ aufgerufen. Unterberger hyperventiliert weiter: Das sei die „global zweifellos größte Sauerei dieser Krisenwochen“. Eingedenk der Tatsache, dass aus Tirol tausende Infizierte vom Schiurlaub das Virus in diverse Länder verschleppt haben oder dass etwa in Frankreich und Bayern noch Mitte März Kommunalwahlen stattfanden, lässt sich nur unschwer erkennen, dass es dem sexistischen Internettroll nicht um Virus-Prävention geht, sondern nur um seinen Hass gegen Feminismus, Linke und Liberale.
„Medien-Waterloo“ – wie immer Opfer
Unterberger erkennt in der Tatsache, dass sonst kaum jemand über diese Gegenstände seines Anstoßes schreibt, „Beispiele skandalöser Medien-Einseitigkeit“. Er halluziniert davon, dass in der Medienberichterstattung die Fehler von „Regierungen links regierter Länder (…) absolut tabu“ seien, während etwa „Großbritannien, die USA und Ungarn (…) täglich geprügelt“ würden.
Unterberger imaginiert sich und seine Positionen als durch einen angeblich linken Mainstream unterdrückt – ein rechter Klassiker. Er und die Seinen sind demnach so etwas wie kritische Geister und Revoluzzer, die gegen einen übermächtigen Feind ankämpfen. Diese alte Leier beherrscht Unterberg so gut wie andere Akteure der extremen Rechten – von Mölzers „Zur Zeit“ bis zu den Identitären. Inhaltlich unterscheidet er sich durch nichts von diesen Letztgenannten. Auch den rechten Kunstgriff, letztlich immer wieder auf das Thema Flüchtlinge zu sprechen zu kommen, beherrscht er:
Die Bürger sehen im Grund seit dem Höhepunkt der Massen-„Flucht” im Jahr 2015, dass aus der Informationsbranche eine Desinformationsbranche geworden ist, die mit einseitigem ideologischem Furor nach Belieben Panik und Hysterie schürt, die andererseits immer wieder Wichtiges einfach unter den Tisch kehrt.
Kurzum: Medienverschwörung, Hetze gegen Flüchtlinge und Antifeminismus – dies alles lässt sich unter der Themen-Folie Virus-Pandemie vereinen. (Vergessen wir an dieser Stelle nicht, dass bisher alle Zitate aus nur einem Artikel stammen!)
„Wie einst der Goebbels-Rundfunk“ – NS-Verharmlosung
Aber es geht noch ärger und wirrer. Unterberger vergleicht die Kritik an der autoritären Wende in Ungarn ganz offen mit der Hetzte des Nationalsozialismus: „Und wieder einmal betätigen sich österreichische Medien wie einst der Goebbels-Rundfunk als Hetzer gegen ein anderes Volk.“ (2)
Das ist nicht nur ein völlig hanebüchener Angriff auf kritische Berichterstattung bei gleichzeitigem Verständnis für den Abbau der ungarischen Demokratie durch Orbán und dessen Clique, sondern zudem noch eine grobe Verharmlosung des Nationalsozialismus.
Unterberger sieht in der Kritik am ungarischen Machthaber die Attacke einer „linken Hysteriemaschine“. Als einen weiteren solchen Angriff nennt er etwa die „Greta-Religion“ (wobei er die Existenz der Klimakrise offen leugnet (3)). Nicht nur Ungarn, sondern auch Polen, den zweiten EU-Staat, dessen rechts-nationale Regierung sich gerade vom liberalen Rechtstaat verabschiedet, hält Unterberger für ein „Opfer der linken Hetze“.
Am 8. April legt der Orbán-Fan noch einmal kräftig mit durchgeknallten NS-Vergleichen nach. In einem Artikel, der hauptsächlich aus solchen Analogien besteht, liest man etwa sowas:
Damals haben die Nationalsozialisten als eine der ersten Maßnahmen die Mieter dagegen geschützt, wegen Nichtzahlung der Mieten delogiert zu werden. Warum fällt mir das heute ein, wenn ein SPÖ-naher Funktionär sich über die „Willkür” der Vermieter erregt, weil diese am Bezahlen der Mieten interessiert sind? (4)
Oder sowas:
Der Nazi-Staat hat die freie Marktwirtschaft abgedreht und diese komplett an die Leine einer Mangel- und Kriegswirtschaft gelegt. Heute tut der Nicht-Nazi-Staat de facto dasselbe.
Oder sowas:
Nach dem Nazi-Einmarsch in Österreich sind damals binnen der ersten Stunden die Medien gleichgeschaltet worden. Heute wirken Zeitungen und Gebührenfernsehen immer öfter so, wie wenn sie auch heute gleichgeschaltet worden wären. Heute werden die Hinweise immer dichter, dass sich die Spitzen der Zeitungsredaktionen von der Regierung bei vertraulichen Hintergrundtreffen auf Linie bringen lassen.
Oder sowas:
Damals haben sich „Kulturschaffende” den Nazis angedient, um Staatsaufträge zu erhalten. Heute verlangen ebenfalls mit haargenau der gleichen seltsamen Bezeichnung „Kulturschaffende” Geld vom Staat“ (und haben dafür auf jede Kritik an Aushöhlung von Grundrechten und Marktwirtschaft verzichtet).
Oder sowas:
Damals ist die Gestapo willkürlich und ohne gesetzliche Basis auf der Jagd nach Juden, Regimegegnern und Dollfuß-Bildern in Wohnungen eingedrungen. Heute tut das die Polizei auf der Jagd nach Pizza-Essern und Menschen, die gegen ein (in keinem Gesetz stehendes) Besuchsverbot verstoßen haben.
Kurz: Alles wie bei den Nazis – im Sozialstaat, in der Wirtschaft, in den Medien, in der Kultur, bei der Polizei. Diese widerlichen Vergleiche kommen von jemandem, der die FPÖ-„Einzelfälle“ regelmäßig bagatellisiert, die Existenz von einem ernst zu nehmenden Rechtsextremismus immer wieder verleugnet und überall linke Machenschaften und Unterdrückung am Werk sieht.
Unterberger relativiert nach dem wirren Wortschwall auch wieder ein wenig: Vieles sei ja „auch ganz anders als damals“, gesteht er zu, z.B. keine Bomben und genug Klopapier. Aber selbst diese Abschwächungen kommen mitunter als NS-Verharmlosung daher, wenn er etwa schreibt: „Nun gewiss, ich hätte die Gegenwart auch mit der Realität der kommunistischen Diktaturen vergleichen können, bei denen vieles ja ganz wie bei den Nazis war.“
Fazit … eine Wiederholung
Unterberger war viele Jahre ein respektierter, konservativer Journalist. Er war Chefredakteur der „Presse“ und der „Wiener Zeitung“. Vor gut zehn Jahren wurde er Blogger, inzwischen ist er zu einem (weitgehend rechtsextremen) Online-Troll geworden.
In einem relativ aktuellen Artikel der Monats-Zeitschrift „Datum“ (September 2019) heißt es an einer Stelle, wo es um die Einschätzung von Unterberger durch Journalist*innen geht: „Fast kein Gespräch mit ehemaligen Kollegen, das für diesen Artikel geführt wurde, kam ohne das Wort der ›Selbstradikalisierung‹ aus.“ (5)
Die Rede von der „Selbstradikalisierung“ klingt ein wenig, als würde sich der „Opa gegen links“ (so der schöne Titel des „Datum“-Artikels) seiner ganz persönlichen politischen Umnachtung im stillen Kämmerchen hingeben. Das mag teilweise zutreffen: Unterberger dürfte sich unter seriösen Journalist*innen kaum mehr blicken lassen, mit der Medien-Szene nicht mehr verbunden sein. Die Bezeichnung „Selbstradikalisierung“ ist aber auch verharmlosend, denn er ist nicht allein, sondern vernetzt mit und eingebettet in eine extrem rechte Medien-Blase (er schreibt etwa Gastkommentare für „Zur Zeit“ oder „Eigentümlich frei“); zudem erreicht er als angeblich meistgelesener Blogger Österreichs viele Leser*innen und bietet anderen rechtsextremen Schreibern ein Forum.
Die Enthemmung des Andreas Unterberger ist krass: Seine Erzeugnisse zählen inzwischen zu dem Widerlichsten, was der rechte Mediensumpf hierzulande zu bieten hat.
Wir haben erst im Jänner ausführlich über Unterbergers Enthemmung berichtet:
➡️ Teil 1: Unterbergers Enthemmung – vom Presse-Chefredakteur zum rechten Online-Troll: Völkischer Antifeminismus
➡️ Teil 2: Unterbergers Enthemmung – vom Presse-Chefredakteur zum rechten Online-Troll: Ein Wut-Blog und seine Freunde
Fußnoten
1 Andreas Unterberger: „Das Virus, der Radikalfeminismus und die Medien“ (03.04.2020), erschienen auf Unterbergers Blog, zuletzt eingesehen: 13.04.2020
2 Ders.: „Nein, Ungarn ist keine Diktatur geworden“ (02.04.2020), erschienen auf Unterbergers Blog, zuletzt eingesehen: 13.04.2020
3 Ebd.: „Das ganze Jahr 2019 ist medial im Zeichen der Greta-Religion mit ihrer Weltuntergangsprophezeiung gestanden, die in Österreich den Grünen auch zu einem kleinen Wahlerfolg verholfen hat (Die wichtigsten Fakten, die diese Prophezeiungen widerlegen: Erdgeschichtliche Warmzeiten waren immer die besten Zeiten für die Menschheit; die allermeisten Wüsten schrumpfen; und der Grünanteil nimmt zu).“
4 Ders.: „Corona und die 80 Jahre alte Ente“ (08.04.2020), erschienen auf Unterbergers Blog, zuletzt eingesehen: 15.04.2020
5 Jonas Vogt: „Opa gegen links“, erschienen in „Datum“ (September 2019), online abrufbar hier(hinter Paywall), zuletzt eingesehen: 18.04.2020