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Blaue Personalia: vorne raus, hinten rein

Hin­ter den Kulis­sen haben sich seit dem schmach­vol­len Ende der FPÖ als Regie­rungs­par­tei und den Ver­lus­ten bei der Natio­nal­rats­wahl inter­es­san­te per­so­nel­le Rocha­den erge­ben. Eini­ge muss­ten gehen, ande­re wech­sel­ten in neue Posi­tio­nen und tau­chen an unver­mu­te­ten Stel­len wie­der auf. In den ehe­ma­li­gen blau­en Minis­te­ri­en hat es bereits gerum­pelt, zahl­rei­che Mit­ar­bei­te­rIn­nen aus dem blau­en Stall muss­ten ihren Schreibtisch […]

30. Jan 2020

In den ehe­ma­li­gen blau­en Minis­te­ri­en hat es bereits gerum­pelt, zahl­rei­che Mit­ar­bei­te­rIn­nen aus dem blau­en Stall muss­ten ihren Schreib­tisch räu­men. Zwi­schen­durch-Minis­ter Andre­as Reich­hardt sie­del­te mit einem klei­nem Teil sei­ner ehe­ma­li­gen Sek­ti­on, der Grup­pe „Tele­kom und Post“, aus dem nun­mehr Grü­nen Ver­kehrs- ins tür­ki­se Land­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um. Wo sein ehe­ma­li­ger Vapo-Kol­le­ge Mar­cus Ull­mann – bis vor kur­zem im Ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um in der Stab­stel­le „Tech­no­lo­gie­trans­fer und Sicher­heits­for­schung” tätig – gelan­det ist, konn­ten wir nicht eruieren.

Bar­ba­ra Kap­pel war Wie­ner Land­tags­ab­ge­ord­ne­te und bis 2019 EU-Abge­ord­ne­te der FPÖ. Immer wie­der wur­de ven­ti­liert, dass Kap­pel in man­chen Fra­gen der Par­tei­li­nie wider­spro­chen und so die Gunst der Par­tei­füh­rung ver­lo­ren habe. 2015 rüg­te Her­bert Kickl die Par­tei­freun­din öffent­lich, weil sie „beim Frei­han­dels­ab­kom­men (TTIP) nicht voll­in­halt­lich die Par­tei­li­nie der FPÖ [ver­tre­te]. Sie sol­le sich daher ‚klar und unmiss­ver­ständ­lich’ von dem Abkom­men distan­zie­ren, for­der­te er am Don­ners­tag in einer Aus­sendung. Zumin­dest indi­rekt stell­te er einen Aus­schluss in den Raum.“ (diepresse.com, 26.3.15)

Für die Euro­pa-Wahl 2019 wur­de Kap­pel erst gar nicht mehr nomi­niert. „Die dekla­riert pro­eu­ro­päi­sche Kap­pel eck­te in ihrer Frak­ti­on regel­mä­ßig an und stimm­te in den ver­gan­ge­nen fünf Jah­ren bei kaum einem The­ma mit Dele­ga­ti­ons­lei­ter Vilims­ky über­ein.” (krone.at, 21.2.19)

Von Kap­pel was sonst nicht viel zu hören, bekann­ter gewor­den ist sie jedoch nach ihrem wohl unfrei­wil­li­gen Abgang aus Brüs­sel, und zwar auf angeb­li­che Anwei­sung von Stra­che als Geld­bo­tin für die FPÖ, was sie selbst bestä­tigt hat­te. Dem­nach über­brach­te Kap­pel in meh­re­ren Tran­chen ins­ge­samt 55.000 Euro von einem bul­ga­ri­schen Geschäfts­mann in den blau­en Par­la­ments­klub. „Das Geld hät­te Kap­pel an ‚einen Mit­tels­mann’ (der Name ist der Redak­ti­on bekannt) gege­ben: ‚Ja, ich habe die Par­tei­spen­de an den Par­tei­freund wei­ter­ge­ge­ben. Was der damit mach­te, weiß ich nicht.’ Zu die­sem erst vor 25 Tagen ver­stor­be­nen Ex-Natio­nal­rat hät­te Stra­che ein ganz beson­de­res Ver­trau­ens­ver­hält­nis gehabt”, berich­tet oe.24 im Dezem­ber 2019. Dem­nach müss­te der 2017 als Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ter offi­zi­ell aus gesund­heit­li­chen Grün­den, inof­fi­zi­ell auch des­halb, weil er wegen des Ver­dachts, eine Frau miss­han­delt zu haben, in den Medi­en auf­tauch­te, zurück­ge­tre­te­ne A. K. in den Par­la­ments­klub gekom­men sein, um das Geld heim­lich in Emp­fang zu neh­men. Eine Ver­si­on, die wenig plau­si­bel erscheint!

Nun wird es jedoch noch erstaun­li­cher: Die von der FPÖ offen­bar wenig geschätz­te Kap­pel wird seit Som­mer 2019 in einer Klub­lis­te als Mit­ar­bei­te­rin des frei­heit­li­chen Par­la­ments­klubs geführt, wie Recher­chen von „Stoppt die Rech­ten“ erge­ben haben. Wir fas­sen zusam­men: Kap­pel wird nicht mehr als EU-Abge­ord­ne­te nomi­niert, weil sie zu wenig Par­tei­dis­zi­plin an den Tag gelegt hat. Zwi­schen­durch fun­gier­te sie als Stra­ches Geld­bo­tin (was Stra­che hef­tig demen­tiert), über­gab das Geld angeb­lich an einen mitt­ler­wei­le Ver­stor­be­nen, der natur­ge­mäß nicht mehr befragt wer­den kann – und belas­tet damit Stra­che schwer. Und dann lesen wir Kap­pels Name im Ver­zeich­nis der blau­en KlubmitarbeiterInnen.

Dafür muss­ten zahl­rei­che ande­re Mit­ar­bei­te­rIn­nen ihren Hut neh­men, dar­un­ter der Bru­der des poli­tisch tief gefal­le­nen Joschi, Mar­kus Gude­nus, der aber noch als FPÖ-Bezirks­rat in Wien-Wie­den fun­giert. Klub­ob­mann ist dort Bru­der Cle­mens, als Bezirks­rat tätig ist eben­falls der ehe­ma­li­ge Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te Johan­nes Hüb­ner, der nach dem Bekannt­wer­den sei­ner anti­se­mi­ti­schen Aus­fäl­le bei einer Tagung der rechts­extre­men Gesell­schaft für freie Publi­zis­tik e.V. (GfP) auf eine erneu­te Kan­di­da­tur bei der Natio­nal­rats­wahl 2017 ver­zich­tet hat­te. Auf unte­rer poli­ti­scher Ebe­ne stel­len Hüb­ners Äuße­run­gen offen­bar kein Pro­blem dar.

FPÖ Wieden: 2x Gudenus, 1x Hübner
FPÖ Wie­den: 2x Gude­nus, 1x Hübner

Die Kar­rie­re von Ber­na­dette Con­rads im blau­en Par­la­menst­klub, der wir nicht nur wegen ihrer Nähe zu den Iden­ti­tä­ren meh­re­re Bei­trä­ge gewid­met haben, war von kur­zer Dau­er: Sie war von 2017 bis 2019 Mit­ar­bei­te­rin des Salz­bur­ger Abge­ord­ne­ten Chris­ti­an Pew­ny, der es nun nicht mehr in den Natio­nal­rat geschafft hat.

Noch eine bemer­kens­wer­te Per­so­nal­ro­cha­de: Phil­ip­pa Stra­che hat einen neu­en par­la­men­ta­ri­schen Mit­ar­bei­ter, näm­lich Chris­ti­an Röss­ner, der vor­her eben­falls im blau­en Par­la­ments­klub werk­te. Der Bur­schen­schaf­ter Röss­ner (Bru­na Sude­tia) scheint in einer in die­ser Woche publi­zier­ten Recher­che zur pen­na­len Bur­schen­schaft Nor­man­nia Win­ter­berg zu Pas­sau auf, über deren poli­ti­sche Ver­or­tung es dort heißt: Die Zusam­men­set­zung der etwa 10 Mit­glie­der umfas­sen­den Bur­schen­schaft Nor­man­nia Win­ter­berg liest sich wie das who-is-who lokal ange­sie­del­ter Neonazis.“

Und wei­ter: „Unter­stüt­zung aus dem Spek­trum rechts­extre­mer Par­tei­en und aka­de­mi­schen Bur­schen­schaf­ten bekommt die Nor­man­nia Win­ter­berg offen­bar auch aus Öster­reich. Der FPÖ-Poli­ti­ker Chris­ti­an Röss­ner (Bier­na­me Wie­land) ver­tritt die rech­te ‚frei­heit­li­che Par­tei’ in der Pas­sau­er Pen­na­lie. (…)Im Gäs­te­buch (sei­ner) Schü­ler­schaft Nor­man­nia Win­ter­berg kom­men­tier­te Röss­ner zuletzt am 13.10.2016: ‚Lie­be BbrBbr! [Anm.: Abkür­zung für „Bun­des­brü­der“] Ich freue mich immer wie­der in Eurem/unserem Krei­se fei­ern zu dür­fen. Poli­tisch waren und sind wir immer schon eine Vor­zei­ge­ver­bin­dung. Wei­ter so. Vivat crescat flo­re­at in aeter­nam, lie­be Nor­man­nia. Euer Wieland’.“

Frau Stra­che knüpft mit die­ser Per­so­nal­ent­schei­dung also dort an, wo ihr Gat­te beson­ders erfolg­reich war: bei der Rekru­tie­rung von Burschenschaftern.

Update: Der Stan­dard berich­tet von unse­ren Recher­chen und schreibt, es hand­le sich laut FPÖ um ein Ver­se­hen, dass Bar­ba­ra Kap­pels Name auf der Lis­te der Klub­mit­ar­bei­te­rIn­nen ange­führt ist.

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