Das Konzept der „Omas gegen Rechts“ wird weltweit herumgereicht und diskutiert. Das ist natürlich auch der Grund, warum sie von Rechts so angefeindet werden. Der Rechtsextremist, der sich am Burschiball der FPÖ grinsend mit Hofer ablichten ließ, hat über sie gepostet: „Wenn man länger lebt als man nützlich ist“ und der Tiroler FPÖ-Chef Abwerzger rechnet sie zum „extremistischen Lurch“. Die oberösterreichische Landesregierung rechnete sie bisher zum Linksextremismus. Ein Missverständnis? Die neue Einstufung ist noch ärger.
Was macht man mit „Lurch“? Man putzt oder saugt ihn weg. Das wird der Tiroler FPÖ-Chef doch sicher nicht gemeint haben, oder wie dürfen wir die nachträgliche Löschung dieses Tweets verstehen?
Der Identitäre, der sich in seiner Nazi-Phase „Frundsberg“ nannte, ist da schon klarer mit seinem an die NS-„Erbbiologie“ angelehnten Sprüchlein.
Was aber bringt die oberösterreichische Landespolitik und den dortigen Verfassungsschutz dazu, die „Omas gegen Rechts“ als linksextreme Gruppierung einzuschätzen und das dann nach Protest auf „linksliberal“ zu korrigieren, aber weiterhin im Kapitel „Linksradikalismus/-extremismus in OÖ“ im internen Bericht?
Weil sie an Donnerstags-Demos teilgenommen haben, die – so der analytisch-scharfe Blick der oö. Verfassungsschützer – ein „Phänomen bildeten“. Der oö. Verfassungsschutz mit seinem strengen Auge fürs Linksextreme sezierte dann auch dieses „sogenannten Donnerstagsdemos“ und ihre Teilnehmer, „… welche sich in erster Linie aus den eher linksliberalen Bereichen der Bevölkerung, aber auch aus kirchlichen Bereichen rekrutierten. Diese einmal im Monat stattfindenden Versammlungen wurden bis zur Auflösung der Regierungfortgesetzt. Es wird auf die Zusammensetzung der neuen Regierungankommen, ob es hin künftig zu weiteren derartigen Protestkundgebungen kommt.“ (kurier.at, 17.1.20)
Die „Omas gegen Rechts“ dürfen sich demnach aussuchen, ob sie lieber unter dem linksliberalen Bereich der Bevölkerung oder unter dem kirchlichen Bereich als „Linksextreme“ erfasst werden wollen? Da wird sogar der „Kurier“ rabiat: „Demonstrationen gegen eine Bundesregierungsofort in ein extremistisches Eck zu stellen, geht nicht. Und kann auch durch das Wort „linksliberal“ nicht entschärft werden.“
Im November 2017 haben sich die „Omas gegen Rechts“ zunächst auf Facebook als Gruppe konstituiert und dann ziemlich schnell den virtuellen Bereich durch die Teilnahme an einer Demo im Dezember 2017 gegen die Angelobung der türkis-blauen Bundesregierung verlassen. Seither sind die „Omas gegen Rechts“ bei faktisch allen Demos gegen Rechts aktiv und werden weltweit wahrgenommen: von der „New York Times“ und der „BBC“ bis nach Australien.

Facebook-Auftritt Omas gegen Rechts
In ihrem Tätigkeitsbericht für das erste Jahr 2017/18 finden sich auch Grundsatzbemerkungen, die durch das Dokument „Bündnisselbstverständnis“ komplettiert werden:
„Es geht um die Erhaltung der parlamentarischen Demokratie in einem gemeinsamen Europa, um den Einsatz für die gleichen Rechte aller in Österreich lebenden Frauen, Männer und Kinder, um die sozialen Standards, die von Eltern und Großeltern zum Teil bitter erkämpft wurden, um den Respekt und die Achtung gegenüber anderen Mitbürgerinnen und Mitbürgern unabhängig von ihrer Religion und ethnischer Zugehörigkeit u.v.m. Dabei müssen die bedrohlichen Entwicklungen wie Antisemitismus, Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Faschismus erkannt, benannt und im Konkreten auch der politische Widerstand und die Bewusstseinsbildung organisiert werden. … Wir tragen Verantwortung für die Jugend und das ist uns mehr bewusst als anderen. Dem drohenden Sozialabbau, der “Aushungerung” vieler älterer Frauen, der falschen Bildungspolitik, die große Gruppen der Jugend ausgrenzt, und vielem anderen soll widerstanden werden. Wir haben keine kleinen Kinder (mehr), wir müssen nicht mehr hart in Jobs arbeiten, wir haben mehr Zeit, uns politisch zu engagieren und gerade jetzt scheint es notwendig zu sein, einen Beitrag zu leisten. Es geht hier auch um Ermutigung, Vernetzung und sichtbar machen: ALT SEIN HEISST NICHT STUMM SEIN!“
Was gibt dem oö. Verfassungsschutz das Recht und den Anlass, diese Gruppe zu beobachten und unter linksliberalem Linksextremismus einzustufen? Die oberösterreichischen „Omas gegen Rechts“ haben deshalb schon im Vorjahr den Landeshauptmann (LH) Stelzer angeschrieben, der einer schwarzblauen Koalition vorsteht, und von ihm eine dermaßen ausweichende Antwort erhalten, dass sich die „Omas“ damit natürlich nicht zufrieden geben konnten.
In keiner Weise, so LH Stelzer, möchte die oö. Landesregierung Demonstrierende pauschal als „extrem“ darstellen, aber die Arbeit der Exekutive (er meint wohl den oö. Verfassungsschutz) sei so kompetent, da wolle man sich nicht einmischen. Wie kompetent die Arbeit der oö. Verfassungsschützer und der oö. Landesregierung von zahlreichen antifaschistischen Personen und Gruppierungen eingeschätzt wird, das legte dann im Jänner 2020 ein „Offener Brief gegen Rechtsextremismus“ an den LH offen. In ihm heißt es über die Aktivitäten der Landesregierung gegen Rechtsextremismus:
„Von einer wirksamen Bekämpfung der besonders vielen rechtsextremen Straftaten in Oberösterreich kann leider keine Rede sein. Gerade in jenem Bundesland, in dem sich die KZ-Gedenkstätte Mauthausen befindet, müsste die politische Führung reagieren und ihre demokratische Verantwortung wahrnehmen.
Am 19. November 2018 wurde in der Sitzung der OÖ. Landesregierung ein Antrag behandelt, der auf das massive Problem hinwies und dazu einen Runden Tisch aller wesentlichen Institutionen vorschlug. Diesen Antrag haben ÖVP und FPÖ nicht einmal dem Landessicherheitsrat, der Mitte Dezember tagte, zur Behandlung zugewiesen, sondern einfach niedergestimmt. Damit weigert sich die Mehrheit der von Ihnen geführten Landesregierung, den anhaltenden Rekord an rechtsextremer Hasskriminalität in Oberösterreich auch nur zur Kenntnis zu nehmen – von Gegenmaßnahmen ganz zu schweigen.“
In den „Oberösterreichischen Nachrichten“ vom 20.1.20 versuchte sich die oberösterreichische Landesregierung durch einen verbalen Eingriff in die Arbeit der Exekutive dann in Entschärfung: Die „Omas gegen Rechts“ werden nicht mehr unter linksliberal abgelegt, sondern unter „zivilgesellschaftliche Gruppen“. Bisher – so die OÖN – hat es im Handlungskonzept gegen Extremismus nur die Kategorien rechts- und linksextrem gegeben, „künftig wird es also als dritte Einstufung ‚zivilgesellschaftliche Gruppen’ geben.“
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die oö. Landesregierung schafft es mit ihrem verbalen Eingriff, zivilgesellschaftliche Gruppen wie die „Omas gegen Rechts“, aber eben auch alle anderen – und das sind viele –, unter „Extremismus“ einzureihen! Damit wäre mindestens halb Oberösterreich in extremistischen Gruppierungen, weil sie sich zivilgesellschaftlich organisiert haben. Der nächste Brief der oö „Omas gegen Rechts“ an den LH ist schon geschrieben, aber ob dem da noch eine Antwort einfällt, darf bezweifelt werden.