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Wochenschau KW 29

Von Straf­rechts­pro­zes­sen ist der­zeit wenig zu berich­ten – im Pro­zess gegen die Iden­ti­tä­ren dürf­te es in die­ser Woche zu einem Urteil kom­men –, dafür ist die Dis­kus­si­on um Anti­se­mi­tis­mus in Öster­reich voll ent­facht. Los­ge­tre­ten wur­de sie durch Gott­fried Wald­häusl, der jüdi­sche und mus­li­mi­sche Bür­ge­rIn­nen, die geschäch­te­tes Fleisch erwer­ben wol­len, regis­trie­ren will und nach einer Attacke […]

23. Jul 2018

Ried/Schärding: Schuld­spruch wegen „Heil Hit­ler“ und Hit­ler­gruß auf einem Kinderspielplatz

Es scheint ein Unbe­lehr­ba­rer zu sein, der sich am 11. Juli wegen Wie­der­be­tä­ti­gung einem Geschwo­re­nen­ge­richt in Ried zu stel­len hat­te. Ver­han­delt wur­de gegen den aus Bay­ern stam­men­den Beschul­dig­ten (33 Jah­re) ein Delikt, das sich bereits vor zwei Jah­ren auf einem Kin­der­spiel­platz in Schär­ding zuge­tra­gen hat­te. Dem­nach habe der Ange­klag­te, der die Tat nicht bestrit­ten hat­te, nach einem Streit mit sei­ner Freun­din in alko­ho­li­sier­tem Zustand geru­fen, er lie­ße sich das nicht gefal­len, denn er sei ein Nazi. Danach habe er die Hand zum Hit­ler­gruß geho­ben und ‚Heil Hit­ler’ und ‚Sieg Heil’ gebrüllt, berich­ten die Ober­ös­ter­rei­chi­schen Nach­rich­ten.

Der Ange­klag­te führ­te sein Ver­hal­ten auf den Alko­hol­kon­sum zurück, denn „erst kurz vor der Tat habe er in einer psych­ia­tri­schen Ein­rich­tung einen Film über die NS-Ver­bre­chen gese­hen. Erst seit­her wis­se er vom Hit­ler­gruß. ‚Vor­her habe ich mir dar­über nicht den Kopf zer­bro­chen.’” Der Beschul­dig­te ist bereits zuvor in Bay­ern mehr­fach straf­fäl­lig und ver­ur­teilt wor­den, u.a. auch wegen Wiederbetätigung.

Die Geschwo­re­nen befan­den den Ange­klag­ten ein­stim­mig für schul­dig, der Rich­ter ver­häng­te 18 Mona­te Haft, davon drei unbe­dingt. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

Wien-Leo­pold­stadt: Angriff auf min­des­tens eine jüdi­sche Person

Noch immer nicht geklärt sind Ablauf und Motiv­la­ge der Atta­cken, die ein Nie­der­ös­ter­rei­cher mit tür­ki­schen Wur­zeln am 19.7.18 auf meh­re­re Per­so­nen in der Wie­ner Leo­pold­stadt ver­übt hat: Wäh­rend die Poli­zei in einer ers­ten Mel­dung von nicht anti­se­mi­tisch moti­vier­ten Angrif­fen auf eine Frau in der Lass­alle Stra­ße und spä­ter auf einen Kip­pa-tra­gen­den Mann in der Tabor­stra­ße berich­te­te, danach aber einen mög­li­chen Anti­se­mi­tis­mus nicht mehr aus­schlie­ßen woll­te, spra­chen „heu­te“ und die IKG in einer Pres­se­aus­sendung von drei jüdi­schen Per­so­nen, die in der Tabor­stra­ße gezielt unter anti­se­mi­ti­schen Rufen atta­ckiert wor­den sei­en. ’Nach den Schil­de­run­gen besteht kein Zwei­fel über das anti­se­mi­ti­sche Motiv des Angrei­fers’, sagt der IKG-Prä­si­dent. Der mut­maß­lich 24-jäh­ri­ge Angrei­fer schlug zunächst im Bereich der Tabor­stra­ße auf zwei durch ihre Klei­dung als Juden erkenn­ba­re Män­ner, einer IKG-Mit­glied, der zwei­te ein Tou­rist aus Isra­el, ein. Wäh­rend­des­sen habe er sich abfäl­lig über Juden geäu­ßert. (…) Auf dem Weg in Rich­tung Schwe­den­platz ging der Ver­däch­ti­ge an meh­re­ren Pas­san­ten vor­bei, als er plötz­lich los­lief und einem jüdi­schen Stu­den­ten, der u.a. aber nicht aus­schließ­lich auf­grund sei­ner Kip­pa als Jude erkenn­bar war, in den Rücken sprang und die­sen dadurch zu Fall brachte.“

Inzwi­schen wird auch von einem Fall berich­tet, der sich bereits am Vor­tag ereig­net hat­te, wonach der­sel­be Täter eine Frau atta­ckiert habe: Tags dar­auf war offi­zi­ell nur noch von ‚wahl­lo­sen Atta­cken’ die Rede – etwa auf eine wei­te­re Frau. Sie hat tür­ki­schen Hin­ter­grund und trug nach pro­fil-Infor­ma­tio­nen Kopf­tuch.“ (pro­fil 30/2018, 23.07.2018, S. 10).

Klar scheint im Moment nur, dass der mut­maß­li­che Täter in U‑Haft genom­men wur­de. Stra­che und Gude­nus nütz­ten den Vor­fall, um sich inbrüns­tig gegen den Anti­se­mi­tis­mus aus­zu­spre­chen – natür­lich nur gegen den impor­tier­ten. Der IKG-Prä­si­dent Oskar Deutsch zeig­te sich aber in sei­ner Pres­se­aus­sendung wenig beein­druckt: Deutsch lehnt auch die Ver­ein­nah­mung der phy­si­schen Atta­cke durch Rechts­extre­me ab. ‚Vor den Gefah­ren des poli­ti­schen Islam haben wir schon gewarnt als Rechts­extre­me noch aus­schließ­lich gegen Juden hetz­ten. So wie Isla­mis­ten kei­ne Ver­bün­de­ten im Kampf gegen Rechts­extre­me sind, sind auch Rechts­extre­me kei­ne Part­ner im Kampf gegen Islamisten.’“

Gott­fried Wald­häusls dubio­ser Kampf gegen das Tierleid

Weit über die öster­rei­chi­schen Gren­zen hin­aus sorg­te der bis dato auf inter­na­tio­na­lem Ter­rain wohl gänz­lich unbe­kann­te nie­der­ös­ter­rei­chi­sche Inte­gra­ti­ons- und Tier­schutz-Lan­des­rat Gott­fried Wald­häusl (FPÖ) mit sei­ner For­de­rung nach Regis­trie­rung von Kon­su­men­tIn­nen von geschäch­te­tem Fleisch für Schlagzeilen.

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NY Times

Wald­häusl, der alles den Kampf ansagt, was sei­ner bio­ös­ter­rei­chi­schen Vor­stel­lung nicht ent­spricht und sich auch gegen fremd­län­di­sche Hun­de­wel­pen und für den Abschuss von Wöl­fen, die die natio­na­len Grenz­über­tritts­be­stim­mun­gen nicht beach­ten, stark macht, zudem für die Gat­ter­jagd ein­tritt, ist bis­lang mit wei­ter­rei­chen­den Tier­schutz­maß­nah­men noch nicht auf­fäl­lig gewor­den, obwohl er da in Nie­der­ös­ter­reich ein wei­tes Betä­ti­gungs­feld hät­te. Nun also sucht sich Wald­häusl just das Schäch­ten bzw. die jüdi­sche und mus­li­mi­sche Kund­schaft raus, um, wie er meint, „das Tier­leid mög­lichst gering zu hal­ten“. Wäh­rend Lan­des­haupt­frau Johan­na Mikl-Leit­ner die von Wäld­häusl ver­lang­te Regis­trie­rung der von einer sol­chen Rege­lung betrof­fe­nen jüdi­schen und mus­li­mi­schen Bevöl­ke­rung aus­schloss, beharr­te Wald­häusl auf sei­ner For­de­rung und leg­te mit der Behaup­tung nach, dass geschäch­te­te Tie­re nach dem ers­ten Schnitt einen minu­ten­lan­gen Todes­kampf zu ertra­gen hät­ten. SOS Mit­mensch pro­tes­tier­te gegen die­se „geziel­ten Falsch­mel­dun­gen“ und for­der­te Wald­häusls Rück­tritt. Ger­not Blü­mel mein­te namens der Bun­des­re­gie­rung, „[s]olange Sebas­ti­an Kurz Bun­des­kanz­ler die­ser Repu­blik ist, kön­nen unse­re jüdi­schen Mit­bür­ge­rin­nen und Mit­bür­ger sicher sein, dass die­se Frei­hei­ten und Grund­rech­te in keins­ter Wei­se beschränkt wer­den“. Die mus­li­mi­schen Mit­bür­ge­rIn­nen hat Blü­mel dabei wohl nur ver­ges­sen – oder auch „in keins­ter Weise“.

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