Bericht unseres Korrespondenten aus Linz.
Vergehen
Der Pensionist K. soll 2016 und 2017 mehrmals Briefe an Gemeinderät_innen und das Gemeindeamt in Mauthausen versendet haben. Auf Basis eines aus dem Zusammenhang gerissenen Zitats einer Historikerin soll der Angeklagte geschlossen haben, dass „im KZ Mauthausen keine Gaskammer war und niemand vergast wurde“, es also hier keine systematische Ermordung von Juden und Jüdinnen gegeben hätte. K. zufolge sei der Holocaust „eine Lüge von Zionisten, die uns schamlos ausnützen wollen.“ Nachdem die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufnahm, schickte K. noch einen weiteren Brief, dem er das 25 Punkte-Programm der NSDAP beilegte. Daraus hob er vor allem zwei Punkte hervor: Die Abschaffung der sog. „Zinsknechtschaft“, sowie einen Punkt zur Beschränkung der Religionsfreiheit, der u.a. zur Bekämpfung eines imaginierten „jüdisch-materialistischen Geistes“ aufforderte. Dass in der Realität daraus die Verfolgung und Ausweisung von nicht-christlich Menschen folgte, scheint den Angeklagten relativ wenig zu tangieren. Er hingegen soll in seinem Brief die Frage gestellt haben, was an diesem Programm aus damaliger Sicht so schlecht und verbrecherisch gewesen sei. Abschließend soll der Arzt im Ruhestand die sofortige Freilassung des ehemaligen FPÖ-Politikers und mehrfach verurteilten Kriminellen Wolfgang F. gefordert haben. Der rechtsextreme F. ist seit einem Jahrzehnt inhaftiert, weil er wiederholt die systematische Judenvernichtung im Nationalsozialismus leugnete.
Vorstrafen
Dabei ist der Mauthausner Angeklagte für Behörden kein Unbekannter: Er ist bereits zweimal vorbestraft, einmal davon einschlägig: 2015 wurde er wegen der Leugnung des Holocaust verurteilt. Damals bezeichnete K. die Massenvernichtung der Juden und Jüdinnen als eine „Lüge“, welche die „khasarisch, zionistische Banksterbande” in die Welt gesetzt hätte. Die Strafe wurde ihm damals aber zu einer bedingten ausgesetzt.
Gutachterin
Außergewöhnlich für ein Verbotsverfahren war die Einholung einer Expertise durch eine Gutachterin. Das Gericht berief die Zeithistorikerin Dr.in Brigitte Bailer, die frühere Leiterin des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) dazu, das von K. verschickte 25 Punkte-Parteiprogramm der NSDAP zu prüfen und in seinem historischen Kontext darzustellen. Ihr zufolge waren viele der ins Programm aufgenommenen Forderungen auch damals keine gänzlich neuen Ideen. Spätestens mit der Veröffentlichung von Hitlers „Mein Kampf“ 1933 war aber klar, in welche menschenverachtende und mörderische Richtung sich die nationalsozialistische Bewegung entwickeln würde.
Verteidigungsstrategie
Der wenig begeisterte Pflichtverteidiger des Angeklagten beteuerte, K. wäre ein „älterer Herr auf der Suche“. Verunsichert durch verschiedene Quellen hätte er nie den Massenmord, jedoch lediglich seine Methode in Frage stellen wollen. Die Historikerin Bailer erklärte dazu eindeutig, dass die Tötungsmethoden im KZ Mauthausen mittlerweile restlos aufgeklärt sind und dazu keine grundsätzlichen Fragen mehr offen seien.
K. hingegen bezog sich auf bei Holocaust-Leugner_innen übliche Verschwörungstheorien, auf aus dem Zusammenhang gerissene, sinnentstellte Passagen aus Studien und eine uminterpretierte Grafik eines israelischen Monatsmagazins. Er beteuerte, „alles andere als ein Nazi“ zu sein. Er habe jüdische Freunde und sich u.a. für das Bleiberecht der Familie Zogaj eingesetzt. Abschließend behauptete er auch: „Ich habe nie die Gaskammern geleugnet“, obgleich dies auch im direkten Widerspruch zu seinen kurz zuvor verlesenen Briefe an die oberösterreichischen Gemeinderät_innen stand. Außerdem wollte K. nie eine breitere Öffentlichkeit mit dem Thema erreichen, weswegen er seine wirren Überlegungen immer nur an ausgewählte Gemeinderatsmitglieder etc. verschickt hätte.
Urteil
Die dem ganzen Verfahren sehr aufmerksam folgenden Geschworenen konnten sich während K.s oft etwas manisch wirkenden Ausführungen auch nicht immer das Schmunzeln verkneifen. Sie entschieden am zweiten und letzten Prozesstag fast in allen Punkten einstimmig: K. wurde der Leugnung des Holocaust (§3h VerbotsG) und der nationalsozialistische Wiederbetätigung (§3g VerbotsG) für schuldig befunden. Die Geschworenen und der Richter_innensenat verhängten eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten, die bedingte Verurteilung bleibt aufrecht.
Der Angeklagte wolle „auf jeden Fall“ in Berufung gehen – damit ist das Urteil nicht rechtskräftig.