„Ich bereue es nicht und ich werde auch im Strafhaus weitermachen!”

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Mit einer sol­chen Ver­tei­di­gungs­stra­te­gie war es wohl beson­ders schwie­rig, dem pen­sio­nier­ten Zahn­arzt Josef K. irgend­wel­che mil­dern­den Umstän­de anzu­rech­nen. Und das bekam der Ange­klag­te bei der Urteils­ver­kün­dung am Mon­tag, den 03.07.2017 am Lan­des­ge­richt Linz auch zu spü­ren. Dabei ist er mit zwei Jah­ren Haft­stra­fe (nicht rechts­kräf­tig) fast noch gut davon­ge­kom­men. Immer­hin wur­de ihm die Leug­nung des Holo­causts (§3h Ver­botsG) und natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Wie­der­be­tä­ti­gung (§3g Ver­botsG) vor­ge­wor­fen, Delik­te, für die ein Straf­rah­men bis zu 10 Jah­re Haft mög­lich ist.

Bericht unse­res Kor­re­spon­den­ten aus Linz.

Ver­ge­hen
Der Pen­sio­nist K. soll 2016 und 2017 mehr­mals Brie­fe an Gemeinderät_innen und das Gemein­de­amt in Maut­hau­sen ver­sen­det haben. Auf Basis eines aus dem Zusam­men­hang geris­se­nen Zitats einer His­to­ri­ke­rin soll der Ange­klag­te geschlos­sen haben, dass „im KZ Maut­hau­sen kei­ne Gas­kam­mer war und nie­mand ver­gast wur­de“, es also hier kei­ne sys­te­ma­ti­sche Ermor­dung von Juden und Jüdin­nen gege­ben hät­te. K. zufol­ge sei der Holo­caust „eine Lüge von Zio­nis­ten, die uns scham­los aus­nüt­zen wol­len.“ Nach­dem die Staats­an­walt­schaft die Ermitt­lun­gen auf­nahm, schick­te K. noch einen wei­te­ren Brief, dem er das 25 Punk­te-Pro­gramm der NSDAP bei­leg­te. Dar­aus hob er vor allem zwei Punk­te her­vor: Die Abschaf­fung der sog. „Zins­knecht­schaft“, sowie einen Punkt zur Beschrän­kung der Reli­gi­ons­frei­heit, der u.a. zur Bekämp­fung eines ima­gi­nier­ten „jüdisch-mate­ria­lis­ti­schen Geis­tes“ auf­for­der­te. Dass in der Rea­li­tät dar­aus die Ver­fol­gung und Aus­wei­sung von nicht-christ­lich Men­schen folg­te, scheint den Ange­klag­ten rela­tiv wenig zu tan­gie­ren. Er hin­ge­gen soll in sei­nem Brief die Fra­ge gestellt haben, was an die­sem Pro­gramm aus dama­li­ger Sicht so schlecht und ver­bre­che­risch gewe­sen sei. Abschlie­ßend soll der Arzt im Ruhe­stand die sofor­ti­ge Frei­las­sung des ehe­ma­li­gen FPÖ-Poli­ti­kers und mehr­fach ver­ur­teil­ten Kri­mi­nel­len Wolf­gang F. gefor­dert haben. Der rechts­extre­me F. ist seit einem Jahr­zehnt inhaf­tiert, weil er wie­der­holt die sys­te­ma­ti­sche Juden­ver­nich­tung im Natio­nal­so­zia­lis­mus leugnete.

Verfahren nach dem Verbotsgesetz vor dem Landesgericht für Strafsachen Linz

Ver­fah­ren nach dem Ver­bots­ge­setz vor dem Lan­des­ge­richt für Straf­sa­chen Linz

Vor­stra­fen
Dabei ist der Maut­haus­ner Ange­klag­te für Behör­den kein Unbe­kann­ter: Er ist bereits zwei­mal vor­be­straft, ein­mal davon ein­schlä­gig: 2015 wur­de er wegen der Leug­nung des Holo­caust ver­ur­teilt. Damals bezeich­ne­te K. die Mas­sen­ver­nich­tung der Juden und Jüdin­nen als eine „Lüge“, wel­che die „kha­sa­risch, zio­nis­ti­sche Banks­ter­ban­de” in die Welt gesetzt hät­te. Die Stra­fe wur­de ihm damals aber zu einer beding­ten ausgesetzt.

Gut­ach­te­rin
Außer­ge­wöhn­lich für ein Ver­bots­ver­fah­ren war die Ein­ho­lung einer Exper­ti­se durch eine Gut­ach­te­rin. Das Gericht berief die Zeit­his­to­ri­ke­rin Dr.in Bri­git­te Bai­ler, die frü­he­re Lei­te­rin des Doku­men­ta­ti­ons­ar­chiv des öster­rei­chi­schen Wider­stan­des (DÖW) dazu, das von K. ver­schick­te 25 Punk­te-Par­tei­pro­gramm der NSDAP zu prü­fen und in sei­nem his­to­ri­schen Kon­text dar­zu­stel­len. Ihr zufol­ge waren vie­le der ins Pro­gramm auf­ge­nom­me­nen For­de­run­gen auch damals kei­ne gänz­lich neu­en Ideen. Spä­tes­tens mit der Ver­öf­fent­li­chung von Hit­lers „Mein Kampf“ 1933 war aber klar, in wel­che men­schen­ver­ach­ten­de und mör­de­ri­sche Rich­tung sich die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Bewe­gung ent­wi­ckeln würde.

Ver­tei­di­gungs­stra­te­gie
Der wenig begeis­ter­te Pflicht­ver­tei­di­ger des Ange­klag­ten beteu­er­te, K. wäre ein „älte­rer Herr auf der Suche“. Ver­un­si­chert durch ver­schie­de­ne Quel­len hät­te er nie den Mas­sen­mord, jedoch ledig­lich sei­ne Metho­de in Fra­ge stel­len wol­len. Die His­to­ri­ke­rin Bai­ler erklär­te dazu ein­deu­tig, dass die Tötungs­me­tho­den im KZ Maut­hau­sen mitt­ler­wei­le rest­los auf­ge­klärt sind und dazu kei­ne grund­sätz­li­chen Fra­gen mehr offen seien.

K. hin­ge­gen bezog sich auf bei Holo­caust-Leug­ner_in­nen übli­che Ver­schwö­rungs­theo­rien, auf aus dem Zusam­men­hang geris­se­ne, sinn­ent­stell­te Pas­sa­gen aus Stu­di­en und eine umin­ter­pre­tier­te Gra­fik eines israe­li­schen Monats­ma­ga­zins. Er beteu­er­te, „alles ande­re als ein Nazi“ zu sein. Er habe jüdi­sche Freun­de und sich u.a. für das Blei­be­recht der Fami­lie Zogaj ein­ge­setzt. Abschlie­ßend behaup­te­te er auch: „Ich habe nie die Gas­kam­mern geleug­net“, obgleich dies auch im direk­ten Wider­spruch zu sei­nen kurz zuvor ver­le­se­nen Brie­fe an die ober­ös­ter­rei­chi­schen Gemeinderät_innen stand. Außer­dem woll­te K. nie eine brei­te­re Öffent­lich­keit mit dem The­ma errei­chen, wes­we­gen er sei­ne wir­ren Über­le­gun­gen immer nur an aus­ge­wähl­te Gemein­de­rats­mit­glie­der etc. ver­schickt hätte.

Die Geschworenen befanden den Angeklagten in allen Punkten für schuldig - Schwurgerichtssaal des Landesgericht für Strafsachen Linz

Die Geschwo­re­nen befan­den den Ange­klag­ten in allen Punk­ten für schul­dig — Schwur­ge­richts­saal des Lan­des­ge­richt für Straf­sa­chen Linz

Urteil
Die dem gan­zen Ver­fah­ren sehr auf­merk­sam fol­gen­den Geschwo­re­nen konn­ten sich wäh­rend K.s oft etwas manisch wir­ken­den Aus­füh­run­gen auch nicht immer das Schmun­zeln ver­knei­fen. Sie ent­schie­den am zwei­ten und letz­ten Pro­zess­tag fast in allen Punk­ten ein­stim­mig: K. wur­de der Leug­nung des Holo­caust (§3h Ver­botsG) und der natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Wie­der­be­tä­ti­gung (§3g Ver­botsG) für schul­dig befun­den. Die Geschwo­re­nen und der Richter_innensenat ver­häng­ten eine Frei­heits­stra­fe von 24 Mona­ten, die beding­te Ver­ur­tei­lung bleibt aufrecht.

Der Ange­klag­te wol­le „auf jeden Fall“ in Beru­fung gehen – damit ist das Urteil nicht rechtskräftig.