Rechtsextreme Allianzen

Mit dem kür­zlich im Fal­ter Ver­lag erschiene­nen Buch „Putins rechte Fre­unde“ wid­men sich der Europa-Abge­ord­nete Michel Rei­mon und die Jour­nal­istin Eva Zele­chows­ki einem längst über­fäl­li­gen The­ma: den Allianzen unter­schiedlich­er recht­sex­tremer Parteien in Europa mit dem rus­sis­chen Präsi­den­ten Wladimir Putin.

Als „fün­fte Kolonne“ wer­den die auf dem Buch­cov­er im Schat­ten Putins abge­bilde­ten Unterstützer_innen Putins, Marine Le Pen, Heinz-Chris­t­ian Stra­che, Vik­tor Orbán und Frauke Petry, bere­its im zweit­en Abschnitt des Buchs beze­ich­net. Dieser Meta­pher fol­gend ver­suchen die bei­den Autor_innen in ihrer Analyse ein­er­seits offen zu leg­en, worum es in dieser (geheimen) Mis­sion eigentlich geht und ander­er­seits her­auszuar­beit­en, auf welche Art und Weise rechte und recht­sex­treme Parteien in Europa (aber auch den USA) von Rus­s­lands Präsi­den­ten unter­stützt wer­den. Dazu zählen neben großzügi­gen Ein­ladun­gen und Ver­net­zung untere­inan­der, vor allem auch Finanzierun­gen sowie (medi­ale) Propaganda.

Ide­ol­o­gisch kompatibel?!
Obgle­ich sich bere­its bei der ober­fläch­lichen Betra­ch­tung der unter­schiedlichen Akteur_innen offen­sichtliche ide­ol­o­gis­che Gemein­samkeit­en (wie etwa der Kampf gegen die ‚Massen­zuwan­derung‘, die Ablehnung der ‚Schwu­len­lob­by‘ oder der Hass für den ‚dekaden­ten Lib­er­al­is­mus‘) zwis­chen Putin und seinen Freund_innen fest­machen lassen, wer­den diese in der vor­liegen­den Analyse in den Hin­ter­grund gerückt. Als zen­trales Anliegen Putins arbeit­en Rei­mon und Zele­chows­ki vielmehr die Desta­bil­isierung und damit Schwächung der EU her­aus, die zur Aufw­er­tung Rus­s­lands als geopoli­tis­ch­er Macht führen könnte/würde und damit zur Ausweitung des rus­sis­chen Ein­fluss­bere­ichs. In diesem Unter­fan­gen trifft sich die von recht­sex­tremen Parteien betriebene Anti-EU-Poli­tik samt ihrer Wün­sche nach Rena­tion­al­isierung und Aufw­er­tung der Nation­al­staat­en her­vor­ra­gend mit Putins Inter­essen. Denn auch sie ver­suchen, so die ernüchternde Erken­nt­nis, die Europäis­che Union von Innen her­aus zu desta­bil­isieren. Seit der Grün­dung der Frak­tion „Europa der Natio­nen und Frei­heit­en“ lässt sich zudem eine stärkere Ver­ankerung dieser Parteien in der EU sowie eine verbesserte Koor­di­na­tion der Vorge­hensweise in der Rus­s­land­frage verze­ich­nen. Nichts­destotrotz scheinen sich die prorus­sis­chen Posi­tio­nen europäis­ch­er recht­sex­tremer Parteien nicht immer aus poli­tis­ch­er Überzeu­gung allein zu speisen, son­dern eben­so finanziellen Inter­essen geschuldet zu sein.

Putins rechte Freunde. Wie Europas Populisten ihre Nationen verkaufen. Von Michel Reimon, Eva Zelechowski. (Falter Verlag)

Putins rechte Fre­unde. Wie Europas Pop­ulis­ten ihre Natio­nen verkaufen. Von Michel Rei­mon, Eva Zele­chows­ki. (Fal­ter Verlag)

Der Rubel rollt
Bere­its der Unter­ti­tel des Buchs, „Wie Europas Pop­ulis­ten ihre Natio­nen verkaufen“, ver­rät, dass es dabei zumeist auch um Geld geht. In diesem Zusam­men­hang sticht vor allem der Front Nation­al her­vor, da zumin­d­est Marine Le Pen – eben­so wie der ungarischen Job­bik — nachgewiesen wer­den kon­nte, dass sie Kred­ite von rus­sis­chen Banken, die unter Putins Ein­fluss­bere­ich ste­hen, erhal­ten habe. Ähn­liche Zuwen­dun­gen wer­den zwar u.a. auch bei der FPÖ sowie der AfD ver­mutet, kön­nen jedoch aktuell nicht belegt wer­den. Am Beispiel Ungar­ns ver­härtete sich außer­dem der Ver­dacht, dass „der Kreml mil­i­tarisierte Bewe­gun­gen aus recht­sex­tremen und neo­faschis­tis­chen Kreisen finanzierte“.

Den Autor_innen zufolge spiegle sich die „Gegen­leis­tung“ für die ver­muteten Geld­flüsse v.a. in der Stärkung prorus­sis­ch­er Poli­tiken (z.B. Forderung nach Aufhe­bung der Sank­tio­nen gegen Rus­s­land durch die EU) und Posi­tion­ierun­gen (z.B. im Ukraine-Kon­flikt oder Putins mil­itärischen Ein­sätzen zur Unter­stützung des syrischen Dik­ta­tors Bashar al-Assad) wider. Die Parteien, von denen schw­er­punk­t­mäßig vor allem Job­bik, FPÖ, Front Nation­al und die AfD, weniger jedoch andere osteu­ropäis­che Äquiv­a­lente behan­delt wer­den, ließen sich damit zum „Sprachrohr für Aktio­nen und die Pro­pa­gan­da Moskaus“ instru­men­tal­isieren. Die FPÖ scheint in diesem Zusam­men­hang Muster­schü­lerin zu sein, da sie sog­ar über einen eige­nen Ver­trag für die Zusam­me­nar­beit mit Putins Partei „Einiges Rus­s­land“ ver­fügt, der im Buch auch in voller Länger abge­druckt nachge­le­sen wer­den kann und nicht zulet­zt die skep­tis­che Frage unter­mauert, was denn die FPÖ dafür wohl erhal­ten habe.

Gestreute Zweifel
Der zweite große Bere­ich rus­sis­ch­er Ein­flussnahme stellt, wie die bei­den Autor_innen ein­drück­lich nach­weisen, der Ein­fluss auf Medi­en und Pro­pa­gan­da dar. Weil vie­len der Parteien in den Herkun­ft­slän­dern „unab­hängige Medi­en“ gegenüber­stün­den, liefert Putin ihnen auch medi­ale Unter­stützung sowie eine Pro­pa­gan­da- und Desin­for­ma­tion­sstrate­gie, im Zuge der­er es zur Diskred­i­tierung klas­sis­ch­er Medi­en (u.a. unter dem Schlag­wort (rus­so­phobe) „Lügen­presse“) bei gle­ichzeit­igem Auf­bau eigen­er Medi­enkanäle kommt. Über Kanäle wie Sput­nik News oder Rus­sia Today wer­den Zweifel gestreut und durch Über­be­to­nung oder Verz­er­run­gen bes­timmter Fak­ten Wahrheit­en ins Wanken gebracht. Ähn­liche Strate­gien lassen sich in Öster­re­ich in Hin­blick auf das prorus­sis­che Mag­a­zin Info-Direkt fest­machen. In Rus­s­land selb­st erzeu­gen zudem so genan­nte „Troll­far­men“ oder „Troll­fab­riken“ „die Illu­sion ein­er Armee von Unterstützer[_inne]n“ in den sozialen Medi­en und ver­bre­it­en diese Desin­for­ma­tion­skam­pag­nen weit­er. Die große Her­aus­forderung, medi­al sowie auch poli­tisch darauf zu reagieren, beschreiben Rei­mon und Zele­chows­ki fol­gen­der­maßen: „Die Folge ist, dass die öffentliche Diskus­sion zwei sinnlose Ziele ver­fol­gt: Offen­sichtlich­es zu beweisen und Unbe­weis­bares zu analysieren.

Verk­lärtes Europa?
Die Stärke des Buchs, an dem Rei­mon und Zele­chows­ki bere­its seit 2013 gear­beit­et haben, liegt zweifel­los in der Behar­rlichkeit, mit der sie auf die bedeu­tende The­matik aufmerk­sam machen sowie in der Beschrei­bung der oben genan­nten Meth­o­d­en Putins zur poli­tis­chen Ein­flussnahme. Beein­druck­ende 100 Quellen, die von wis­senschaftlichen Stu­di­en bis hin zu jour­nal­is­tis­chen Tex­ten reichen, führen sie dafür im Anhang ihres Buch­es an. Obgle­ich auch die These, wonach es Putin vor allem um poli­tis­che Desta­bil­isierung der EU gin­ge, überzeu­gend argu­men­tiert wird, hin­ter­lässt sie doch den Beigeschmack ein­er starken Ver­nach­läs­si­gung der ide­ol­o­gis­chen Gemein­samkeit­en dieser Parteien. Ger­ade durch das gemein­same Vorge­hen ebendieser, ihrer finanziellen Absicherung und den neuen Ver­bre­itungsmöglichkeit­en ihrer Pro­pa­gan­da spitzen sich von ihnen aus­ge­hende Bedro­hun­gen noch weit­er zu – allerd­ings vor allem für jene Men­schen, die im Pro­jekt EU ohne­hin keinen Platz haben, an den Gren­zen der Fes­tung Europa fer­nge­hal­ten oder in ange­blich „sichere“ Herkun­ft­slän­der zurück geschickt wer­den. Insofern scheint auch die Beru­fung auf das als „gut“ verk­lärte Europa und sein­er Vertei­di­gung gegen sowie Abgren­zung von äußeren „bösen Mächt­en“, verkör­pert durch Rus­s­land und USA, durch­wegs reflex­ions- und kri­tik­würdig. Hinzu kommt, dass die Autor_innen trotz des war­nen­den Alarmis­mus, mit dem sowohl auf die Wahlen in Frankre­ich und in Deutsch­land (sowie in Öster­re­ich) ver­wiesen wird, konkrete Hand­lung­sop­tio­nen und ‑strate­gien eben­so wie poli­tis­che Forderun­gen schuldig bleiben. Auch begrif­fliche Schärfe bei der poli­tis­chen Einord­nung der einzel­nen Parteien sowie umfassendere Erk­lärun­gen, was sich beispiel­sweise hin­ter der „eura­sis­chen Ide­olo­gie“ des „Kreml-The­o­retik­ers“ Alexan­der Dug­in ver­birgt, wären wün­schenswert gewe­sen. Wirk­lich ärg­er­lich ist jedoch der Umstand, dass das Buch nicht in geschlecht­sneu­traler Schreib­weise ver­fasst ist – umso ärg­er­lich­er, da es sich bei bei zwei der vier vor­rangig analysierten Akteur_innen um Frauen – Marine Le Pen und Frauke Petry – handelt.

Michel Rei­mon, Eva Zele­chows­ki: Putins rechte Fre­unde – Wie Europas Pop­ulis­ten ihre Natio­nen verkaufen”, Fal­ter Ver­lag 2017, 128 Seit­en, ISBN 978–85439-592–9, 16,90 Euro, als E‑Book 9,99 Euro. Link zum Verlag.