© Dirk Ingo Franke, CC BY 3.0
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Der „Kurier“ nimmt seine eigene Bewertung vor. Unter der Schlagzeile „Rechte Gewalt. Staatsschutz sieht inneren Frieden in Gefahr“ heißt es: „Einen derart dramatischen Bericht hat es in der Geschichte des Verfassungsschutzes noch nicht gegeben. Immer mehr Menschen driften ins rechtsradikale Spektrum ab.“ – Das stimmt zwar, nur findet es sich nicht in dieser Deutlichkeit im Verfassungsschutzbericht.
Dort werden im drastisch gekürzten (!) Kapitel über Rechtsextremismus zwar die deutlichen Zahlen zum Anstieg gegenüber 2014 bei rechtsextremen Tathandlungen ( + 54,1 %) und Anzeigen (+ 40,8 %) präsentiert – das war’s dann aber auch fast schon. Man hätte gerne mehr gewusst. Waren es im Bericht für das Jahr 2014 noch 14 Seiten, die dem Rechtsextremismus gewidmet waren, so sind es heuer knapp 4. Vier Seiten!
Wir wollen nicht ungerecht sein. Eine Tabelle, die die Anzeigen detailliert, findet sich heuer im Anhang – das ist eine Seite. Und dann gibt es noch die sogenannten Fachbeiträge, die im Vorjahr völlig fehlten. Warum eigentlich? Heuer gibt es Fachbeiträge zu „Hasskriminalität im Internet“ und zum Thema „Xenophobe Phänomene: Asylfeindlichkeit als Ausdrucksform fremdenfeindlicher Polarisierung“.
In beiden Beiträgen zeigt sich das politische Problem eines Verfassungsschutzes, der unter der ideologischen Fuchtel der ÖVP steht. Da muss alles nach einem bestimmten Raster interpretiert werden. Wenn da einerseits die Entwicklung der Hasskriminalität beschrieben und ein Anstieg von Gewalttaten prognostiziert wird (p.38), dann darf andererseits nicht der Hinweis auf „entsprechende Gegenreaktionen“ aus der Zivilgesellschaft und von linksstehenden AktivistInnen fehlen. Noch eindeutiger die Schlussfolgerung:
„Pro und contra Asyl bzw. Migration gerichtete Positionen sowie die Aggression gegenüber den für die aktuelle Lage verantwortlich gemachten nationalen und internationalen Autoritäten sind ein nicht unbeträchtliches Gefahrenpotenzial für den inneren Frieden“ (p.38).
Diese politische Anmaßung, die Täter von Hasskriminalität und Fremdenfeindlichkeit mit jenen gleichzustellen, die sich dagegen wehren, ist leider kein Zufall, nicht unabsichtlich. Auch der Beitrag über „Xenophobe Phänomene“, der – so wie der andere Beitrag- viele dieser Phänomene richtig beschreibt, endet mit der ÖVP-Interpretation:
„Die merkbare Steigerung der Provokationsfreude und Aggression von fremden- und asylfeindlichen Bewegungen bei öffentlichen Zusammentreffen mit linken bzw. Pro-Asyl-Aktivisten lässt für die Zukunft den Einsatz physischer Gewalt als realistisches Szenario erwarten“ (p.45).
Da haben wir dann wieder beide als potenziell der Gewalt Verdächtige im Visier des Verfassungssschutzes: die Rechts- und die Linksextremisten, wobei letztere in der Verfassungsschutz-Version bereits mit den „Pro-Asyl-Aktivisten“ verschmolzen werden! Das ist eigentlich schon unfassbar genug, aber noch lange nicht alles. Da passt es wunderbar dazu, dass – kleine Abweichung – die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Kapitel „Islamistischer Extremismus /Terrorismus“ angeführt wird.
Hallo aber auch! Das ist in etwa die Weltsicht des Pegida-Gründers Bachmann, der gegen die Islamisierung des Abendlandes kämpfen will, indem er gegen die PKK und ihren syrischen Ableger Position bezieht. Aber der Verfassungsschutz hat in seinem Bericht noch mehr zu bieten!