Krems (NÖ) : Ein merkwürdiger ProzessLesezeit: 3 Minuten

Sechs Män­ner haben sich am Mitt­woch, 16.3., wegen des Ver­dachts der NS-Wie­­der­­be­­tä­­ti­­gung vor dem Lan­des­ge­richt Krems ver­ant­wor­ten müs­sen. Vor­ge­wor­fen wur­den ihnen Tat­hand­lun­gen, die schon lan­ge­zu­rück­lie­gen. 2012 hat der Erst­an­ge­klag­te (35) eine Fei­er zu Hit­lers Geburts­tag orga­ni­siert, zu der die ande­ren Ange­klag­ten ange­tanzt kamen. Aber war­um sind nicht alle, die damals ange­tanzt kamen, ange­klagt wor­den? Die […]

17. Mrz 2016

Die Fei­er zu Hit­lers Geburts­tag war so, wie man sich das kli­sche­emä­ßig vor­zu­stel­len hat. Im Haus des Erst­an­ge­klag­ten, der schon ein­schlä­gig vor­be­straft war, wur­den die gela­de­nen Gäs­te mit einer Haken­kreuz­fah­ne emp­fan­gen. Zur Fei­er des Tages gab es eine Haken­kreuz­tor­te, die der Erst­an­ge­klag­te und Haus­herr aber nicht besorgt haben will. Er mach­te Erin­ne­rungs­lü­cken gel­tend – nicht nur zu die­ser Frage.

Wer bei Hit­ler-Geburts­tags­fei­er „Heil Hit­ler“ und die ande­ren Nazi-Paro­len gebrüllt hat, dar­an will sich der Erst­an­ge­klag­te, der auch ger­ma­ni­sche Tarn­na­men wie ‚Odins Ber­ser­ker‘ ver­wen­de­te, nicht erinnern.


Hit­ler­grü­ßer 2011 wol­len Wiederholung
-

Ver­mut­lich hat ihn sein Erin­ne­rungs­ver­mö­gen auch im Stich gelas­sen bei den Gäs­ten. Es waren näm­lich auch noch ande­re Gäs­te anwe­send. J. H. aus OÖ schreibt am 20.4.2012 auf Facebook:

„so, haa­re ras­siert, frisch geduscht, schick gemacht und stie­fel poliert! jetzt kanns dann los gehen! ab nach krems geburts­tag fei­ern! freu mich auf euch……“ und dann fol­gen auch Namen derer , die als Ange­klag­te vor Gericht ste­hen. Und die Bezeich­nung der Kame­rad­schaft, die der Erst­an­ge­klag­te doch erst zu Hit­lers Geburts­tag initi­ie­ren wollte.


J.H. aus OÖ eilt zu Hit­lers Geburs­tags­fei­er NGK Krems im UT wie Datei
-

„Ich habe geplant, eine patrio­ti­sche Kame­rad­schaft auf­zu­zie­hen, und das soll­te das Ken­nen­ler­nen sein“, woll­te Odin, der Ber­ser­ker dem Gericht weis­ma­chen. Die Rich­te­rin blieb miss­trau­isch: „Wie­so kamen dann vier der Ange­klag­ten mit T‑Shirts mit rechts­extre­men Auf­schrif­ten zur Fei­er?“. — Ja, wieso?

Weil die Kame­rad­schaft zu Hit­lers Geburts­tag 2012 schon längst bestand! Seit 2010 war sie mit einer eige­nen Web­sei­te im Netz ver­tre­ten, ihre Mit­glie­der unter­leg­ten ihre Pro­fil­fo­tos auf Face­book ganz stolz mit Sym­bol und Inschrift der Kame­rad­schaft, die – wir kom­men noch dar­auf zurück! – nicht erst seit Hit­lers Geburts­tag 2012 eine NS-Kame­rad­schaft war.

Der Erst­an­ge­klag­te war – so wie eini­ge ande­re aus sei­ner Kame­rad­schaft – auch nach Hit­lers Geburts­tag 2012 aktiv. Auf dem rus­si­schen sozia­len Netz­werk. Vk.com unter­hielt er ein Kon­to mit Bil­dern von Adolf Hit­ler und der Inschrift „Love“ sowie von einem Haken­kreuz mit der Inschrift „My Star“. Wie blöd kann man eigent­lich sein? Offen­sicht­lich sehr sehr blöd, was Odin der Ber­ser­ker sogar zugibt.

2013 hat er näm­lich noch eine Play­list mit Links zu Lie­dern online gestellt, die die Juden­ver­nich­tung und die Wie­der­errich­tung eines Nazi-Reichs pro­pa­gier­ten- Öffent­lich ein­seh­bar. Und was sagt der Nazi-Geis­tes­rie­se aus Krems dazu: „Ich habe zu wenig auf­ge­passt. Das war Blöd­heit. Ich habe gedacht, nur ich kann die Play­list sehen“ (APA, 16.3.16).


NGK Krems — Vor­läu­fer der Neonazi-Kameradschaft
-

Vor Gericht gaben sich alle Ange­klag­ten gestän­dig, auch der Vier­t­an­ge­klag­te , der eben­falls schon ein­schlä­gig vor­be­straft ist. 2010 war er schon ein­mal ver­ur­teilt wor­den wegen Wie­der­be­tä­ti­gung, war 2012 bei der Hit­ler-Geburts­tags-Par­ty dabei — mit T‑Shirt „Divi­si­on 88“ — und hat dann zu sei­ner eige­nen Geburts­tags­fei­er im Juli drei Mit­an­ge­klag­te ein­ge­la­den. „Zu spä­te­rer Stun­de ist die Hand geho­ben und sind Paro­len geschrien wor­den“, erklär­te er dem Gericht laut APA.

Nicht nur zu spä­te­rer Stund! Auch schon frü­her im Jahr 2011! Zumin­dest deu­ten Fotos auf Face­book dar­auf hin, dass die­ser Ange­klag­te ein beson­ders flei­ßi­ger Hand­he­ber war.

Ver­ur­teilt wur­den fünf von den sechs Ange­klag­ten – zu Haft­stra­fen zwi­schen fünf Mona­ten bedingt bis zu 22 Mona­ten für den Erst­an­ge­klag­ten (davon 15 Mona­te bedingt). Die Urtei­le sind noch nicht rechts­kräf­tig, weil die Staats­an­walt­schaft kei­ne Erklä­rung abgab.

Jetzt bleibt bloß noch die Fra­ge offen, war­um die neo­na­zis­ti­sche Kame­rad­schaft, die der Ange­klag­te schon 2010 gemein­sam mit ande­ren gegrün­det hat, deren vir­tu­el­le Res­te noch immer im Netz sicht­bar sind, deren Zie­le in einer Anzei­ge von Uwe Sai­ler, dem Lin­zer Kri­mi­nal­po­li­zis­ten aus­rei­chend deut­lich beschrie­ben wur­den, nur in einer Rand­be­mer­kung erwähnt, aber nicht wei­ter ver­han­delt wur­de? Dar­über mehr morgen!

Verwandte Beiträge