Martin Sellner, der sich gerne Leiter der Identitären Bewegung in Österreich nennen lässt, ist die politische Bühne in Österreich zu klein. Aber während er sich vor einigen Jahren noch den Hintern am Dresdner Hauptbahnhof abfrieren musste, um mit anderen Neonazis loszumarschieren, darf er jetzt schon als Redner bei Pegida in Dresden auftreten. Und mit der AfD in Magdeburg den Wahlerfolg mitfeiern. Als Wahlbeobachter von „EinProzent“.
„EinProzent“ nennt sich der Versuch, alles, was im rechtsextremen Spektrum Deutschlands beheimatet ist, von den Hooligans über Pegida und AfD bis hin zu den Neonazi- Gruppen in einer rechten Volksfront gegen Flüchtlinge zu versammeln und aktivieren. Die Formel „EinProzent“ stammt aus der Biker-Szene, die natürlich damit auch angesprochen werden soll, dort ironisch jenes angeblich nur eine Prozent benennt, das sich nicht an Gesetze halten will, also „Hells Angels“, „Bandidos“ und ähnliche Gruppen.
Website „einprozent”
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Die „Ein Prozent“-Bewegung in der deutschen Rechten operiert mit der Bezeichnung, um ein Prozent der deutschen Bevölkerung zu aktivieren – gegen Flüchtlinge bzw. das, was „Ein Prozent“ die „Asylkatastrophe“ nennt. 800.000 rechtsextreme AktivistInnen wären das. Wären! Denn aufgegangen ist das Konzept schon nicht bei der als Großdemo geplanten Versammlung der extremen Rechten in Berlin am 12. März, wo AfD und Pegida ausscherten.
Zu den Landtagswahlen in drei deutschen Bundesländern wollte „EinProzent“ so etwas wie eine Wahlbeobachtung organisieren. In der Vergangenheit sei es zu „zahlreichen Wahlfälschungen“ gekommen, die „Grund zur Sorge“ geben würden, so die Erzählung vor der Wahl:
„Aufgrund bekannter Unstimmigkeiten bei Auszählungen der Vergangenheit – zuletzt in Bremen – müssen wir eine Befürchtung ableiten: Die herrschende Klasse wird vor Betrug und Fälschung nicht zurückschrecken, um an der Macht zu bleiben“ (EinProzent).
Sellner und Waffeneinkauf; Quelle: recherchewien.nordost.mobi
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Über Videos wurde eine Wahbeobachtungszentrale simuliert, die aus dem Burschenschafter Philip Stein und dem Gastarbeiter Martin Sellner bestand und den Einsatz von angeblich tausenden „EinProzent“-Wahlbeobachtern koordinieren sollte. Potemkinsche Dörfer!
Tatsächlich beschränkte sich der Einsatz der „EinPozent“- Wahlbeobachterzentrale weitgehend auf gegenseitige Interviews der beiden eitlen Protagonisten Stein und Sellner. Nach der Wahl erklärten sie dann:
„Dank der Wahlbeobachter von „Ein Prozent“ konnte eine sichere und faire Wahl gewährleistet werden. Die Stimme des Volkes ist daher genau dort gelandet, wo sie vom Wähler platziert wurde“.

Was Wahlbeobachter Sellner tatsächlich so trieb, geht aus einem Facebook-Posting von Sebastian Striegel, Landtagsabgeordneter der Grünen in Sachsen-Anhalt hervor. In Halle/Saale mauerten die Identitären in der Nacht zum 11. März ein Probewahllokal für MigrantInnen zu und versperrten es zusätzlich mit Ketten. Martin Sellner setzte dazu „nach der aktion“ einen Tweet ab, auf dem man seine angebissene „Grilletta“ (und sein Mundschutz — oder war es doch sein Zahnspangenbehältnis) sieht.

„Sezession im Netz“, das ist eine „neurechte“ Internet-Zeitschrift des Instituts für Staatspolitik, wo Martin Sellner „derzeit und zukünftig immer wieder für einen Monat“ arbeitet, stellt Martin Sellner übrigens so vor: „In seiner Jugend war er als politischer Aktivist im nationalistischen Lager tätig, das er aus Überzeugung verlassen hat“. — Da mussten wir schon ein bisschen lachen!
Martin Sellner 2008 beim Gedenken für die Nazi-Ikone und ‑Flieger Walter Nowotny. Damals noch in den Reihen von Gottfried Küssel und Felix B., die Verantwortlichen der neonazistischen Website „Alpen-Donau.info”
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„Martin Sellner (links mit Hemd und Krawatte) und Wolfgang L. (rechts mit Outdoor-Jacke und beigem Hemd darunter) beim Nowotny-Gedenken 2009. Wien, 8. November 2009” Quelle: kuesselskameraden.blogsport.eu
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