Höbart (FPÖ): “Gutmenschen“ sind geisteskrank

In der ehe­ma­li­gen Sow­je­tu­nion wur­den dis­si­dente Per­so­n­en von ein­er willfähri­gen Psy­chi­a­trie als Geis­teskranke befun­det und in geschlosse­nen Anstal­ten wegges­per­rt. Für Chris­t­ian Höbart ist eine weitaus größere Gruppe geis­teskrank: die von ihm so beze­ich­neten „Gut­men­schen“. Was er mit ihnen anstellen würde, das ver­rät er nicht auf sein­er Face­book-Seite. Einen Psy­chi­ater schiebt er jeden­falls vor für seinen Befund.

Das Post­ing, mit dem sich Chris­t­ian Höbart, Nation­al­ratsab­ge­ord­neter der FPÖ, über Flüchtlinge lustig gemacht hat, die auf klap­pri­gen Booten über das Mit­telmeer nach Europa über­set­zen und dabei auch ertrinken („Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön…”), hat er mit­tler­weile gelöscht, das Post­ing über die geis­teskranken Gut­men­schen allerd­ings nicht.

Der Ein­trag von Höbart auf sein­er Face­book-Seite am 25. Okto­ber lautet:

Psy­chi­ater: „Gut­men­schen sind klin­isch geisteskrank!
Ein Gut­men­sch ist jemand, der sich eine ide­ale Welt erträumt in der er sich einre­det zu leben oder leben zu kön­nen. Gut­men­schen ver­hal­ten sich dabei schiz­o­phren, indem sie jeden, der nicht ihre Ansicht­en teilt, zum Bösen in Men­schengestalt erk­lären. Gut­men­schen ver­hal­ten sich dabei wie die Gefol­gsleute von Führern wie Hitler oder Stal­in, nur daß sie nicht ein­er einzi­gen Per­son hin­ter­her­laufen, son­dern ein­er fix­en Idee, die sie selb­st im Angesicht von ein­deuti­gen Beweisen und Argu­menten nicht wil­lens sind aufzugeben”
!

Welch­er Psy­chi­ater sich zu dieser Äußerung hat hin­reißen lassen, das ver­schweigt Höbart – aus gutem Grund: Der Psy­chi­ater heißt Lyle Rossiter, ist ein foren­sis­ch­er Psy­chi­ater in den USA und hat um 2006 das Buch „The Lib­er­al Mind. The Pscho­log­i­cal Caus­es of Polit­i­cal Mad­ness“ ver­fasst. In der wis­senschaftlichen Szene wurde das Büch­lein als das betra­chtet, was es auch tat­säch­lich ist: die wilde Kampf­schrift eines Tea-Par­ty-Expo­nen­ten gegen alles „Lib­erale“. Immer­hin hat es Rossiter zu einem Ein­trag in die Enzyk­lopädie der amerikanis­chen Spin­ner ver­holfen. Rossiters Pam­phlet richtet sich nicht gegen „Gut­men­schen“, son­dern gegen alles Lib­erale in den USA: von Präsi­dent Oba­ma abwärts bis zu denen, die für eine öffentliche Kranken­ver­sicherung sind. Für den Gericht­spsy­chi­ater sind alle „Lib­eralen” geisteskrank.

Wie kommt es nun zur Umdeu­tung von den für Rossiter geis­teskranken Befür­wortern ein­er öffentlichen Kranken­ver­sicherung, von Umweltschutz und Schutz von Min­der­heit­en usw. zu den „Gut­men­schen“? Anders als in den USA ist es in Europa nicht oppor­tun, für irgen­deine poli­tis­che Partei, die Befür­worter ein­er öffentlichen Kranken­ver­sicherung als „Geis­teskranke“ darzustellen. Im deutschen Sprachraum find­et sich der erste Hin­weis auf Lyle Rossiter und seine Befun­dung der „Lib­eralen” als Geis­teskranke 2008 auf dem ein­deutig recht­sex­tremen Blog „Der Nonkon­formist“. Unter­ti­tel: „Frei­heitlich, unab­hängig, revolutionär”

Immer­hin hat­ten die recht­sex­tremen Ver­schwörungs­men­schen noch den Anstand, auf den Autor und auf den Umstand hinzuweisen, dass Rossiter das Wort „Lib­erale“ benutzte. Vom „Nonkon­formis­ten“ wan­derte die Erk­lärung und Neude­f­i­n­i­tion der Geis­teskranken als „Gut­men­schen” über die Jahre wirk­lich durch so ziem­lich jeden recht­en Blog bzw. Web­seite, bis sie über eine ziem­lich lange Leitung den Chris­t­ian Höbart erre­ichte. Wohlge­merkt, bei dem was Höbart als Zitat des Psy­chi­aters Rossiter ausweist, han­delt es sich nicht um ein Zitat aus dessen Schrift, son­dern um einen Erk­lärungsver­such der recht­sex­tremen Seite „Der Nonkon­formist“ für den Begriff „Gut­men­sch“.

Als Bemerkung voraus möcht­en wir darauf hin­weisen, daß Dr. Lyle Rossiter in seinen Schriften das Wort “Lib­er­al” (Lib­eraler) benutzt. Die genauere Bedeu­tung ließe sich aber mit dem über­set­zen, was man in der Bun­desre­pub­lik oft als “Gut­men­sch” beze­ich­net, was sich aber eben­so auf die Poli­tik­er aller poli­tis­chen Rich­tun­gen in der heuti­gen Bun­desre­pub­lik anwen­den läßt. Beson­ders stark ist dieses Gut­men­schen­tum etwa bei den Grü­nen und der Linken aus­geprägt, aber auch CDU, FDP und SPD glänzen damit. (Der Nonkonformist)

Ein Poli­tik­er der FPÖ, der schein­bar keine Ahnung hat, welchen Brei er da löf­felt, erk­lärt „Gut­men­schen“, also die Mehrheit der Wäh­ler­schaft, für geis­teskrank. Er fol­gt damit psy­chi­a­trischen Schulen, die sich schon in der Ver­gan­gen­heit sehr willfährig für den Nation­al­sozial­is­mus und später dann für den Stal­in­is­mus einspan­nen haben lassen. Es ist auch kein Zufall, dass aus­gerech­net der Nazi-Euthanasie-Arzt Hein­rich Gross und der ehe­ma­lige SS-Mann Ger­hart Har­rer, bei­de renom­mierte Psy­chi­ater in der Zweit­en Repub­lik (der eine als Gericht­spy­chi­ater und Kol­lege von Rossiter, der andere in Forschung und Lehre tätig [1]) 1977 in die Sow­je­tu­nion reis­ten und der sow­jetis­chen Psy­chi­a­trie, die Dis­si­den­ten für geis­teskrank erk­lärt und in Kliniken fest­ge­hal­ten hat­te, einen Per­silschein ausstellten.

Ein Wiener Psy­chi­ater zer­legt in einem Beitrag auf Face­book sowohl die Kampf­schrift von Rossiter als auch das Ges­tam­mel von Höbart. Mit sein­er fre­undlichen Erlaub­nis brin­gen wir hier seinen Beitrag:

Sehr „geehrter“ Herr Ing. Höbart!

Nach­dem sie sich neuerd­ings auf ihrer Face­book Seite als Hob­bypsy­chi­ater betäti­gen, würde ich als echter Psy­chi­ater mich gerne mit dem Inhalt ihres kurzen Post­ings vom 25.10.2015 mit dem Titel „Psy­chi­ater-Gut­men­schen sind klin­isch geis­teskrank“ auseinan­der­set­zen. Ich gehe davon aus, dass sie sich in ihrem „Text“ auf den amerikanis­chen Psy­chi­ater Dr. Lyle Rossiter beziehen, der diese Zeilen wesentlich aus­führlich­er in Bezug auf „Lib­er­als“ bere­its im Jahr 2006 in seinem Buch getätigt hat. Nun ja, gut Ding braucht eben manch­mal Weile. Generell wäre es auch ein Gebot der Höflichkeit auf den Autor der Zeilen hinzuweisen, oder stam­men diese Zeilen jet­zt doch von ihnen selbst?

1. Wed­er im ICD 10 Kat­a­log noch im DSM V Kat­a­log, also den bei­den maßge­blichen und inter­na­tion­al rel­e­van­ten Diag­nosekat­a­lo­gen der WHO (auf Deutsch Welt­ge­sund­heit­sor­gan­i­sa­tion) und der APA ( Amer­i­can Psy­chi­atric Asso­ci­a­tion), wird ein „Lib­er­al“ (welchen sie in das Wort „Gut­men­sch“ über­set­zt haben) als eine psy­chi­a­trische Erkrankung gelis­tet. Wie kom­men sie oder Dr. Rossiter dann gle­ich in ihrer Über­schrift zu dieser Fehlannahme? (wohinge­gen man „Xeno­pho­bie“ unter „son­stige pho­bis­che Störungen‑F 40.8 kodieren kön­nte, nur falls sie das schon immer mal wis­sen wollten.

2. „Jeden, der nicht jeman­den seine Ansicht­en teilt, zum Bösen in Men­schengestalt erk­lären“ ist in kein­ster Weise ein gängiges Symp­tom ein­er Schiz­o­phre­nie, wird von ihnen aber so ange­führt. Auch hier ver­weise ich wieder auf den ICD 10 oder den DSM V, wo sie die Diag­nosekri­te­rien der Schiz­o­phre­nie nach­le­sen kön­nten und mein­er Mei­n­ung nach auch soll­ten, wenn sie schon als Nation­al­ratsab­ge­ord­neter öffentlich zu dieser psy­chi­a­trischen Erkrankung Erk­lärun­gen abgeben.

3. Dr. Rossiters Behaup­tung „Gut­men­schen ver­hal­ten sich wie Gefol­gsleute von Führern wie Hitler oder Stal­in“ kön­nte man als Ver­harm­lo­sung des Nation­al­sozial­is­mus werten. Warum übernehmen sie diese Ver­harm­lo­sung dann so unkri­tisch? Soll­ten sie sich kün­ftig wieder im Ver­fassen von laienpsy­chi­a­trischen Tex­ten üben wollen, würde ich ihnen empfehlen, sich von einem Pro­fes­sion­is­ten berat­en zu lassen, damit das Ergeb­nis zumin­d­est die Wahrheit tangiert.

Mit fre­undlichen Grüßen, Ein wirk­lich­er Psychiater